Drucksache 17 / 18 344 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Susanne Graf (PIRATEN) vom 05. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. April 2016) und Antwort Masterplan Integration und Sicherheit: Werden geflüchtete Kinder immer noch von der Kita oder von der Tagespflege ausgeschlossen ? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Kinder von 0 bis unter 2 Jahren und wie viele Kinder von 3 bis 6 Jahren leben aktuell in vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte )? (Bitte pro Bezirk aufschlüsseln bzw. die Zahlen aus den Schriftlichen Anfragen 17/16830, 17/15246 und 17/12407 aktualisieren. Insofern keine Zahlen genannt werden können bitte die Gründe darlegen und den Zeitpunkt benennen, wann wieder Zahlen vorliegen.) 2. Wie viele der Kinder, die in vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte) wohnen, besuchen eine Kindertagesstätte und wie viele eine Tagespflege ? (Bitte pro Bezirk aufschlüsseln bzw. die Zahlen aus den Schriftlichen Anfragen 17/16830, 17/15246 und 17/12407 aktualisieren. Insofern keine Zahlen genannt werden können bitte die Gründe darlegen und den Zeitpunkt benennen, wann wieder Zahlen vorliegen.) 3. Wie viele geflüchtete Kinder warten aktuell auf einen Kitaplatz und wie viele auf einen Platz in der Tagespflege ? (Insofern keine Zahlen genannt werden können bitte die Gründe darlegen und den Zeitpunkt benennen, wann Zahlen vorliegen.) 4. Auf welcher verlässlichen Datenbasis nimmt der Senat an, dass zukünftig mit „mehreren Tausend Kindern mit Fluchthintergrund im Kita-Alter“ zu rechnen sei (vgl. Masterplan Integration und Sicherheit, Entwurf vom 15. März 2016, S. 35)? Zu 1., 2., 3. und 4.: Im März 2016 waren nach Angabe des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) insgesamt 4.165 Kinder im Alter von 0 bis unter 6 Jahren in vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete untergebracht (siehe Tabelle 1). Die Daten basieren auf einer regelmäßig vom LAGeSo durchgeführten standortbezogenen Erhebung, die keine weitere Differenzierung der Altersstufen enthält. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 344 2 Tabelle 1: In Einrichtungen untergebrachte Flüchtlingskinder 0 bis unter 6Jahre (nicht Schulpflichtig) Quelle: LaGeSo Stand: 03/2016; Berechnung: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (SenBildJugWiss); Gesamtjugendhilfeplanung Bezirk 0 - u 6 Jährige (nicht Schulpflichtig ) Mitte 281 Friedrichshain-Kreuzberg 119 Pankow 429 Charlottenburg-Wilmersdorf 284 Spandau 459 Steglitz-Zehlendorf 199 Tempelhof-Schöneberg 548 Neukölln 41 Treptow-Köpenick 376 Marzahn-Hellersdorf 310 Lichtenberg 806 Reinickendorf 313 Berlin gesamt 4.165 Wie viele dieser Kinder zum jetzigen Zeitpunkt ein Angebot der Kindertagesbetreuung (Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege) nutzen bzw. auf einen Kitaplatz warten, kann der Senat bisher nur auf Grundlage aufwändiger Sonderauswertungen ermitteln, da wegen der fehlenden rechtlichen Grundlage bisher kein entsprechendes Merkmal im Kita-Fachverfahren der Integrierten Software Berliner Jugendhilfe (ISBJ) enthalten ist, welches Flüchtlingskinder als solche identifiziert. In der Vergangenheit durchgeführte Sonderauswertungen zur Anzahl der den Adressen der vertragsgebundenen Einrichtungen zuzuordnenden Verträge bilden auf Grund der lediglich erreichbaren Näherungswerte keine belastbare Grundlage. Zudem bilden diese Zahlen nicht jene Flüchtlingskinder ab, die zwischenzeitlich in anderen Unterkünften untergebracht sind und ein Betreuungsangebot nutzen. Im Rahmen des Gesetzentwurfs zur Umsetzung der Kitagebührenfreiheit und der Kitaqualitätssteigerung sowie zur Einführung einer Notfallsanitäterzulage und Gewährung von Anwärtersonderzuschlägen (Haushaltsumsetzungsgesetz ) soll die erforderliche rechtliche Grundlage zur Erhebung des ausländerrechtlichen Status geschaffen werden. Unabhängig davon bilden die hier vorliegenden Daten zur Anzahl der in Einrichtungen untergebrachten nicht schulpflichtigen Flüchtlingskinder im Alter von 0 bis unter 6 Jahren die Planungsgrundlage für die im Masterplan für Integration und Sicherheit formulierte planerische Annahme von mehreren tausend Kindern mit Fluchthintergrund im Kita-Alter. Die Fortschreibung der Kindertagesstättenentwicklungsplanung (KEP), die auch aktualisierte Prognosen zum Platzbedarf von Flüchtlingskindern enthält, wird voraussichtlich bis Ende April / Anfang Mai vorliegen. 5. Laut der Roten Nr. 1277 E lag am 29. April 2015 der Mehrbedarf an Kitaplätzen bis 2019 bei 18.500. a) Beinhaltet dieser den Mehrbedarf an Kitaplätzen für geflüchtete Kinder? b) Wenn ja, mit welcher Anzahl von geflüchteten Kindern wurde gerechnet? c) Wenn nein, wie hat sich der Mehrbedarf an Kitaplätzen bis 2019 insgesamt und für geflüchtete Kinder bis heute entwickelt? 6. Im Masterplan Integration und Sicherheit vom 15.03.2016 ist die Rede davon, dass „in den kommenden Jahren 14.000 weitere Kitaplätze“ geschaffen werden sollen (S. 35). a) Wie wurde der Mehrbedarf von 14.000 Plätzen hergeleitet? b) Mit welcher Anzahl von geflüchteten Kindern wurde gerechnet? c) Von welchem Zeitraum ist hier die Rede? 7. Entsprechen die im Masterplan Integration und Sicherheit erwähnten 14.000 zusätzliche Kita-Plätze dem Mehrbedarf von 18.500 Kitaplätzen in der Roten Nr. 1277 E? a) Kann im Vergleich beider Zahlen die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der Mehrbedarf an Kitaplätzen trotz steigender Anzahl von geflüchteten Kindern gesunken ist? b) Wenn ja, warum? c) Wenn nein, warum nicht? Zu 5., 6. und 7.: Die im April 2014 von der SenBild- JugWiss vorgelegte Kindertagesstättenentwicklungsplanung (Rote Nr. 1277 E) weist bis zum Ende des Kitajahres 2018/2019 bezogen auf das vorhandene Platzangebot in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege zum 31.12.2014 (rund 153.500 Plätze) einen Mehrbedarf von rund 18.500 Plätzen aus (darunter ca. 8.500 Plätze, die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 344 3 bereits durch Maßnahmen im damaligen Bundesund /oder Landesprogramm bzw. durch Eigenleistungen Dritter sowie ca. 10.000 Plätze zusätzlichen Ausbaubedarf ). Dieser prognostizierte Mehrbedarf resultiert aus dem erwarteten Anstieg der Einwohner-zahlen (hier: Kinder im Alter von 0 bis unter 7 Jahre) sowie der angenommenen Steigerung der Betreuungsquoten der jeweiligen Altersgruppen. Flüchtlingskinder wurden in Planung des Ausbaubedarfs nicht als eigenständiger Faktor eingeplant, sondern, soweit bereits registriert, als Bestandteil der Einwohnermeldestatistik. Insofern bildet die vorliegende Bedarfsprognose den starken Anstieg der Anzahl der Flüchtlingskinder im Verlauf des Jahres 2015 noch nicht ab. Mit der Vorlage der „neuen Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2015-2030“ hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) im Februar 2016 die Voraussetzung für die vorgesehene Aktualisierung der KEP geschaffen. Entsprechend wird die SenBildJugWiss die vorliegende Bedarfsplanung bis Ende April/Anfang Mai 2016 aktualisieren. Dies wird auch eine Ermittlung des Mehrbedarfs an Kitaplätzen bis zum Kitajahr 2019/2020 unter Berücksichtigung zusätzlicher Platzbedarfe für Flüchtlingskinder umfassen. Angesichts der im Verlauf des Jahres 2015 erkennbar steigenden Flüchtlingszahlen sowie der verstärkten Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten durch Kinder im Alter von 6 bis unter 7 Jahren (Schulrücksteller/-innen) hat die SenBildJugWiss im Vorgriff auf die für 2016 auf Basis der neuen Bevölkerungsprognose geplante Aktualisierung der KEP in der zweiten Jahreshälfte 2015 eine erste vorläufige Einschätzung zum über die Planung hinausgehenden Mehrbedarf vorgenommen. Im Ergebnis wurde ein zusätzlicher Platzbedarf von mindestens 4.000 Plätzen geschätzt, der sich zu etwa gleichen Teilen auf die oben genannten Mehrbedarfsfaktoren „Flüchtlingskinder“ und „Schulrücksteller/-innen“ verteilt. Diese vorläufige Einschätzung wurde im Masterplan Integration und Sicherheit (Entwurf vom 15.03.2016) bereits berücksichtigt (siehe Tabelle 2): Tabelle 2: Platzmehrbedarf lt. KEP inkl. vorläufiger Einschätzung zusätzlicher Platzkapazitäten für Flüchtlinge und Schulrücksteller/-innen (Quelle: SenBildJugWiss) Lfd. Nr. Bezeichnung Plätze (Anzahl) Bemerkungen 1 Platzmehrbedarf lt. KEP (1277 E) 18.500 Ergebnis KEP (Rote Nr. 1277 E) 1.1 davon: durch Maßnahmen unterlegt 8.500 siehe Rote Nr. 1277 E; S. 31, Tab. 16, Zeile 9 1.2 davon: zusätzlicher Platzausbau 10.000 siehe Rote Nr. 1277 E; S. 31, Tab. 16, Zeile 11 2 Vorläufige Einschätzung Mehrbedarf 4.000 Flüchtlinge / Schulrücksteller/innen 3 Summe zusätzlicher Platzausbau (Zeile 1.2 + 2) 14.000 ausgewiesene Summe im Masterplan 4 Summe Platzmehrbedarf (Zeile 1 + 2) 22.500 Insofern ergeben sich die im Masterplan Integration und Sicherheit ausgewiesenen 14.000 Plätze aus einer Teilmenge der im KEP ausgewiesenen 18.500 Plätze, nämlich jenen 10.000 Plätzen, die zum Zeitpunkt der Erarbeitung des KEP noch nicht planerisch bzw. finanziell unterlegt waren, sowie den der vorläufig geschätzten 4.000 zusätzlichen Plätze für Flüchtlingskinder und Schulrücksteller/-innen. Zwischenzeitlich wurden im Haushalt 2016/2017 die finanziellen Mittel für einen umfangreichen Ausbau auf Basis dieser erweiterten Planung bereitgestellt und die neuen Förderprogramme gestartet . Eine abschließende Bedarfseinschätzung erfolgt in der laufenden Aktualisierung der Kitaentwicklungsplanung. Nach Fertigstellung der neuen Kitaentwicklungsplanung, die auch eine zeitliche Zuordnung des Platzausbaubedarfs bis zum Kitajahr 2019/2020 beinhaltet, tritt diese an die Stelle der hier skizzierten vorläufigen Betrachtungen. Berlin, den 19. April 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Apr. 2016)