Drucksache 17 / 18 375 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 11. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. April 2016) und Antwort Ghettoisierung verhindern (IV): Zum Stand der Bebauung auf dem Flughafen Tempelhof Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was ist der aktuelle Belegungsstand in welchen Hangars auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof? Zu 1.: Der Belegungsstand auf dem Flughafen Tempelhof (THF) beträgt derzeit (Stand 20.04.2016): Hangar 2: 361 Hangar 4: 196 Hangar 6: 431 Hangar 7: 428 Summe: 1.416 Die aktuelle Kapazität im Notunterkunftsbereich beträgt rd. 2.200 Plätze. Die Hangars 1, 3 und 5 befinden sich im Umbau und sind aktuell nicht belegt; in Hangar 5 wird künftig das Ankunftszentrum untergebracht werden. 2. Wann wurde mit dem Betreiber der Notunterkunft Tempelhof, Tamaja Soziale Dienstleistungen GmbH, ein Betreiber*innenvertrag geschlossen und beinhaltet dieser die Nutzung aller verfügbaren Hangars und des sogenannten Vorfelds, also der zu bebauenden Fläche unmittelbar vor den Hangars? Wenn nein, wann plant der Senat auf welcher Grundlage eine Änderung des Vertrags vorzunehmen ? 3. Was ist der Stand der Nutzung der sogenannten Blumenhalle auf dem Vorfeld des Flughafengebäudes und wie definiert der Senat eine sogenannte Zwischennutzung für ein „Sofort-Angebot für gedeckten Sport, Bewegung, Tanz und vieles mehr“? (Vgl. Bericht des Tagesspiegels vom 17.03.2016: http://www.tagesspiegel.de/berlin/tempelhofer-feld-inberlin -die-blumenhalle-steht-leer/13330558.html) 4. Welche Punkte umfasst das geplante Nutzungskonzept des Senats für die unter 3. genannte Halle und bis wann ist mit einer Antragstellung auf eine Baugenehmigung zu rechnen? Zu 2. bis 4.: Bisher besteht eine detaillierte Absichtserklärung und ein mündlicher Vertrag mit der Firma Tamaja-Soziale Dienste zur Nutzung und Betrieb aller Hangars als Flüchtlingsunterkunft. Die Nutzung des Vorfeldes ist nicht mit Tamaja vertraglich geregelt, allerdings wird die sogenannte Blumenhalle als Teil der Flüchtlingsunterkunft angesehen. Die Erstellung des Betreibervertrages ist in Arbeit und wird baldmöglichst finalisiert werden. Für die Nutzung der sogenannten Blumenhalle ist ein umfassendes Nutzungskonzept durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erarbeitet worden, das unterschiedliche Bildungsangebote und integrationsförderliche Inhalte in freier Trägerschaft vorsieht und durch ein Koordinierungsgremium gesteuert werden soll. Das Konzept sieht als Eckpunkte im Rahmen einer positiven – optischen und atmosphärischen - Abgrenzung von den Hangars insbesondere vor: - Sportorientierte Angebote in der Jugendarbeit, auch für spezielle Zielgruppen wie Kinder, Mädchen , junge Frauen, junge Männer; - Angebote in der offenen Jugendarbeit (Begegnungsveranstaltungen mit Jugendlichen aus den Anrainerbezirken, Gesprächsangebote, Ruhezonen pp.); - Angebote der kulturellen und künstlerischen Kinder - und Jugendarbeit wie Tanz, Theater, Pantomime , künstlerische Gestaltung etc.; - Mehrstufige resp. multifunktionale Nutzung der Halle für Angebote w. v. sowie Feste, Veranstaltungen etc.; - Tägliche Nutzung mit ausgedehnten Öffnungszeiten , auch unter Einbeziehung Ehrenamtlicher. Die Umsetzung macht einen Innenausbau der Halle erforderlich , der voraussichtlich im September abgeschlossen sein wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 375 2 Um die Halle bereits während der Ausbaumaßnahmen abschnittsweise nutzen zu können, hat der Senat in seiner Sitzung am 05.04.2016 ein Zwischennutzungskonzept beschlossen, dass „insbesondere Angebote offener und niedrigschwelliger Jugendarbeit mit pädagogischer Betreuung und erste Angebote kultureller Kinder- und Jugendbildung “ beinhaltet. Die vorbereitenden Maßnahmen hierzu werden zurzeit getroffen. Die Zwischennutzung steht unter dem Vorbehalt einer baurechtlichen Duldung. Der hierdurch geschaffene Zeitrahmen wird für die Bauantragsstellung und die Bearbeitung des Baugenehmigungsverfahrens genutzt. 5. Wie begründet der Senat die Dringlichkeit des Vergabeverfahrens an die Firma Triad Berlin Projektgesellschaft mbH unter Verweis auf den sogenannten „administrativen Notstand“, obwohl der Senat intern seit 2009 über steigende Flüchtlingszahlen informiert gewesen ist und obwohl die Beweggründe für ein beschleunigtes Vergabeverfahren unter keinen Umständen dem Verhalten der Auftraggeber zuzuschreiben sein dürfen? (Vgl. Prüfbericht des Rechnungshofes Berlin vom 26. Oktober 2015 und Drucksache 17/18185.) Zu 5.: Bei der Wahl des Vergabeverfahrens für die Planungsleistungen im Zusammenhang mit dem vorgenannten Ankunftszentrum wurde eine Vergabe von freiberuflichen Leistungen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) gewählt. Die in § 3 Abs. 4 Buchst. c) VOF genannten Voraussetzungen für diese Vergabeart wurden unter Berücksichtigung der vorstehend beschriebenen Ausgangslage von der vergebenden Stelle als erfüllt erachtet. Der Senat teilt diese Auffassung . Der Begriff „administrativer Notstand“ wurde im Rahmen des Vergabeverfahrens für das neue Ankunftszentrum Tempelhof herangezogen, um die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe unter dem Eindruck der seit September 2015 sprunghaft und nicht vorhersehbar angestiegenen Flüchtlingszahlen darzustellen. Die schnellstmögliche Schaffung ausreichender Kapazitäten für eine zeitnahe Erstaufnahme und Registrierung aller in Berlin eintreffenden Flüchtlinge ist zur Vermeidung von Obdachlosigkeit zwingend. 6. Wann genau erfolgte das Vergabeverfahren an die unter 5. genannte Firma mit welchen Fristen unter Berücksichtigung der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) im Detail und auf welcher vertraglichen Grundlage mussten welche Leistungen wie rasch umgesetzt werden? a. Wurden alle vertraglich festgehaltenen Leistungen umgesetzt? Wenn nein, warum nicht? b. Wenn ja, welche Leistungen wurden im Detail bis wann umgesetzt? 7. Welche Aufgaben im Detail umfasst der Vertrag mit der unter 5. genannten Firma und wie hoch war die vertraglich festgehaltene Vergütung? Zu 6. und 7.: Die Vergabe erfolgte im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb bei Einbeziehung von insgesamt sieben Unternehmen. Hinsichtlich der Voraussetzungen für diese Vergabeart wird auf die Antwort zur Schriftlichen Anfrage 17/18185 „Administrativer Notstand in Berlin“ hingewiesen. zu den Inhalten und dem Umsetzungsstand des Vertrages mit der Firma Triad Berlin Projektgesellschaft mbH kann derzeit noch nicht abschließend berichtet werden. 8. Welches Nutzungskonzept gibt es aktuell für das sogenannte Vorfeld, welche Flächen mit welcher Größe beinhaltet es und wann ist für welches Bauprojekt mit einer Baugenehmigung und mit einem Baubeginn zu rechnen? 9. Hält der Senat vollumfänglich an den von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erarbeiteten und unter anderem am 7. Januar in der Berliner Zeitung veröffentlichten und am 8. Januar im Rahmen eines Expert*innengesprächs vorgestellten Plänen zur Nutzung des Vorfelds und darüber hinaus fest? Falls nein, welche konkreten Planänderungen haben sich seitdem ergeben? 10. Plant der Senat noch immer die Bebauung über das Vorfeld hinaus, welche die am 28. Januar vom Parlament beschlossene Änderung des Tempelhofer Volksgesetzes notwendig gemacht hat? Falls ja, plant der Senat auch weiterhin, die über das Vorfeld hinausgehende Bebauung , wie in der Gesetzesänderung vorgesehen, bis zum 31.12.2018 wieder abzureißen? 13. Inwieweit muss infolge der derzeitigen oder geplanten Bebauung oder aber infolge des derzeitigen oder geplanten Nutzungskonzeptes des Senats die Grenze des Vorfelds überschritten und müssen Teile des äußeren Wiesenrings oder aber des zentralen Wiesenbereichs für eine Bebauung nutzbar gemacht werden? Zu 8. bis 10. und 13.: Neben der sogenannten Blumenhalle (siehe auch Antwort zu 3.) ist vorgesehen, im Bereich der sog. „Suchbereiche A und B“ (vgl. § 9 des Gesetzes zum Erhalt des Tempelhofer Feldes (Thf-Gesetz i. d. F. vom 17.02.2016)) einerseits (Suchbereich A) bis zu vier Containerquartiere mit einer Gesamtkapazität von rund 2000 Plätzen zu erstellen und andererseits ein containerbasiertes Bildungszentrum (Suchbereich B) zu errichten . Das Nutzungskonzept wird gegenwärtig erarbeitet . Soweit erforderlich, werden Baugenehmigungen für entsprechende Aufbauten zeitgerecht beantragt. Der Senat konkretisiert insoweit die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erarbeiteten Pläne. 11. Wie bewertet der Senat das Konzept der AG Village , welches im gleichen Zeitraum präsentiert worden ist und kann der Senat eine Bebauung ausschließen, die über das Vorfeld hinausgeht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 375 3 Zu 11.: Das Konzept der „AG Village“ ist dem Senat bekannt. Es beinhaltet einen ausbaufähigen, integrativen Ansatz zu mittel- und langfristigen Veränderungen im Bereich THF und ist insofern für die weitere Entwicklung ein wertvoller Beitrag. Eine zusätzliche – ggf. mehrstöckige – Innenbebauung der Hangars erscheint – nach Klärung weiterer Nutzungsfragen über den derzeitigen Planungshorizont 2019 hinaus – durchaus attraktiv, würde aber die aktuelle Umsetzung in einem nicht hinzunehmenden Maß über das Ende des laufenden Jahres hinaus verzögern und kann daher aktuell nicht befürwortet werden . 12. Entfällt durch die Nutzung der ehemaligen Luiseund -Wilhelm-Teske-Schule am Tempelhofer Weg eine Beschulung auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof und damit der Bau eines Schulgebäudes auf dem sogenannten Vorfeld? Zu 12.: Es wird kein Schulgebäude auf dem sog. Vorfeld errichtet. Im containerbasierten Bildungszentrum THF (Suchfeld B) wird es unter anderem Unterrichtsräume geben, die im Bedarfsfall und nach Ausschöpfung der Kapazitäten des Regelschulbetriebs für Lerngruppen genutzt werden können. 14. Welche Art von Gebäuden plant der Senat auf dem Vorfeld zu bauen und wird im Rahmen der Bebauung eine Abtragung der Bodenfläche auf dem Vorfeld nötig werden? 15. Welche Art von Gebäuden plant der Senat auf Suchraum A (77.876 m²) und Suchraum B (41.360m²) zu bauen? 16. Gibt es für den zentralen Wiesenbereich ein generelles Bauverbot und wenn ja, warum und auf welcher Grundlage? 17. Welche konkrete Gefahr geht von sich im Boden befindenden Altlasten, beispielsweise Munition oder Kerosin, für eine Nutzung a. des Vorfelds b. der Suchbereiche A und B c. des zentralen Wiesenbereichs aus und welche konkreten Auswirkungen haben diese Gefahren für welche geplanten Baugenehmigungsverfahren auf welchen jeweiligen Flächen? 18. Welche wissenschaftlichen Studien hat der Senat wann bei welchen Externen oder Internen in Auftrag gegeben, um sich und der Öffentlichkeit über mögliche Gefahren durch Altlasten Klarheit zu verschaffen? Zu 14. bis 18.: Alle auf dem Vorfeld geplanten Gebäude sind temporäre Bauten ohne zusätzliche Gründung und ohne Eingriffe in die Substanz des Vorfeldes. Für die genannten Suchbereiche A und B sind containerbasierte Unterkünfte vorgesehen (bis zu 2000 Plätze im Bereich Suchfeld A) sowie ein containerbasiertes Bildungszentrum im Bereich des Suchfeldes B. Die genauen Planungen zu diesen Einrichtungen werden derzeit erstellt. Die Containerbebauung wird ebenerdig sein, das Vorfeld einschließlich der Suchräume nicht überschreiten und keine Abtragungen des Bodens erforderlich machen. Da, wo es für den Niveauausgleich erforderlich ist, sieht die Planung vor, mit aufgebrachten, rückstandsfrei zu entfernenden Materialien den Ausgleich zu bewirken. Bebauungsfragen für das Tempelhofer Feld regelt das Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes (Thf-Gesetz) in der geltenden Fassung. Für ein ausdrückliches Bauverbot für den zentralen Wiesenbereich ergibt sich daher kein Bedarf. Für eine oberirdisch wirksame, gesundheitsgefährdende Belastung haben sich im Rahmen der bisher auf dem Tempelhofer Feld durchgeführten Untersuchungen und Feststellungen keine Anhalte ergeben; auch liegen in Bezug auf etwaige Kampfmittelvorkommen keine spezifischen Feststellungen vor. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Errichtung temporärer Bauten werden nicht in den Baugrund eindringen resp. keine Erdarbeiten erfordern. Angesichts der vorstehenden Situation besteht kein Anlass zur Beauftragung der unter 18. genannten Studien. Berlin, den 29. April 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mai 2016)