Drucksache 17 / 18 382 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel und Anja Schillhaneck (GRÜNE) vom 10. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. April 2016) und Antwort Ursachen und Folgen der Schnellabschaltung des Forschungsreaktors BER II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet der Senat die Schnellabschaltung des Forschungsreaktors BER II am 13.12.2016? Antwort zu 1: Ursache für die Reaktorschnellabschaltung (RESA) am 13.12.2015 war ein technisch simpler Sachverhalt ohne Sicherheitsrelevanz: Der Ausfall eines von vier gleichen Messgeräten für den Neutronenfluss führte zu einer scheinbaren Schieflast oberhalb des im System festgelegten Grenzwertes, wodurch bestimmungsgemäß eine Schnellabschaltung ausgelöst wurde. Bei einer RESA am BER II werden im Gegensatz zu der an einem Kernkraftwerk keine Komponenten durch rasche Druck- oder Temperaturwechsel belastet, daher sind solche Abschaltungen hinnehmbar. Der Austausch des defekten Messgerätes erfolgte umgehend , so dass der Reaktor am folgenden Tag wieder angefahren werden konnte. Frage 2: Hat die Schnellabschaltung so wie vorgesehen funktioniert? Antwort zu 2: Ja, das Reaktorschutzsystem hat einwandfrei funktioniert. Frage 3: Wann wurde der Senat über die Schnellabschaltung informiert? Antwort zu 3: Auf Grund der gültigen Kriterien wurde das Ereignis gemäß dem in der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten - und Meldeverordnung (AtSMV) festgelegten Verfahren fristgerecht von der Betreiberin an die Atomaufsicht gemeldet und die Information wurde von dort an die zuständige Stelle des Bundes weitergeleitet. Die Einstufung erfolgte dem Sachverhalt angemessen in Kategorie N und INES 0. Frage 3.1: Über welche Störfälle wird der Senat wie und wann informiert? Antwort zu 3.1: Bei dem meldepflichtigen Ereignis vom 13.12.2015 handelte es sich nicht um einen Störfall. Die Atomaufsicht ist gemäß der AtSMV über alle meldepflichtigen Ereignisse innerhalb von festgelegten Fristen zu informieren. Frage 3.2:Wie hat der Senat auf die Schnellabschaltung reagiert? Antwort zu 3.2: Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde hat sich in Gesprächen vor Ort sowohl bei der Reaktorleitung als auch bei der Stabsabteilung Strahlenschutz über die Lage informiert. Da der Geräteausfall keine sicherheitstechnische Relevanz hatte und die Messtechnik innerhalb kurzer Zeit wiederhergestellt war, waren keine weiteren aufsichtlichen Maßnahmen notwendig. Frage 4: Wie oft hat es in den letzten 10 Jahren meldepflichtige Ereignisse im Forschungsreaktor gegeben? Bitte führen Sie alle Ereignisse mit Angaben zum Datum, dem Grund der Störung und einer Einordnung mittels der Bewertungsskala INES und der Atomrechtliche Sicherheitsbeauftragten - und Meldeverordnung (AtSMV) auf. Antwort zu 4: In den Jahren 2009 bis 2016 gab es insgesamt 11 meldepflichtige Ereignisse (siehe nachfolgende Tabelle), die ausnahmslos in die Kategorie N gemäß AtSMV und Stufe 0 der INES-Skala eingeordnet wurden, also in die jeweils niedrigste Stufe. In den Jahren 2007, 2008 und 2011 gab es keine meldepflichtigen Ereignisse am BER II. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 382 2 Nr. Datum Kategorie (N,E,S,V) Meldekriterium INES Ereignisbeschreibung 01/09 08.08.09 N 2.5.7 0 Reaktorschnellabschaltung nach Einfallen eines Steuerstabes 02/09 05.11.09 N 2.1.1 0 Verzögertes Schließen einer Gebäudeabschlussklappe der Reaktorhalle bei Wiederkehrender Prüfung 01/10 05.07.10 N 2.5.7 0 Reaktorschnellabschaltung nach Überschreiten der zulässigen Reaktorleistung (108% von 9,8 MW) infolge Fehlbedienung beim Steuerstabfahren 01/12 11.09.12 N 2.4.1 0 Beschädigung von Werkzeugen zum Umbau von Kontrollbrennelementen 01/13 Dez. 12/ Jan 13 N 2.1.2 0 Einsatz nicht spezifikationsgerechter Feinsicherungen auf leittechnischen Baugruppen 02/13 18.05.13 N 2.5.7 0 RESA durch Ansprechen der Schieflastüberwachung aufgrund Störung in der Hochspannungsversorgung / Ausfall einer Neutronen- Ionisationskammer 01/14 19.11.14 N 2.1.1 0 Spannungsunterbrechung einer Notstromschiene durch fehlerhaftes Signal „Generator Überlast“ bei Einspeisebetrieb des Dieselaggregates 01/15 16.08.15 N 2.5.7 0 RESA durch Ansprechen der Primärkühlkreislauftemperaturüberwachung des Reaktorschutzsystems 02/15 13.12.15 N 2.5.7 0 RESA durch Ansprechen der Schieflastüberwachung auf Grund eines Ausfalles einer Neutronen- Ionisationskammer 01/16 17.01.16 13.01.16 07.09.15 27.08.15 N 2.1.2 0 Ausfall von vier Ortsdosisleistungsmessstellen innerhalb von fünf Monaten 02/16 14.03.16 N 2.5.7 0 Reaktorschnellabschaltung durch Überschreiten der zulässigen Reaktorleistung (108% von 10 MW) infolge Fehlbedienung beim Steuerstabfahren Frage 4.1:Wie wurde die Öffentlichkeit über die Stör fälle informiert? Antwort zu 4.1: Kein meldepflichtiges Ereignis im genannten Zeitraum war ein Störfall. Die Störfallmeldestelle beim Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Monats- und Jahresberichte zu den in Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren aufgetretenen meldepflichtigen Ereignissen. Diese stehen unter www.bfs.de zum download zur Verfügung. Frage 4.2: Mussten weitere Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergriffen werden? Antwort zu 4.2: Nein. Frage 4.3: Welche Kosten haben die Störfälle verursacht ? Antwort zu 4.3: Bei Ereignissen unterhalb eines Störfalls werden keine Kosten außerhalb der betrieblichen Kosten (für Betrieb, Wartung) verursacht. Frage 5: Wird der Forschungsreaktor im Jahre 2020 wie angekündigt abgeschaltet? Antwort zu 5: Ja. Frage 5.1: Was passiert nach der Abschaltung mit den Brennelementen? Antwort zu 5.1: Wie während der gesamten Betriebszeit werden die aus dem Kern entladenen Brennelemente für einige Jahre zum Abklingen in einem speziell dafür vorgesehenen Becken gelagert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 382 3 Entsprechend dem gegenwärtig vorliegenden Entsorgungsvorsorgenachweis der Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH werden die Brennelemente im Anschluss daran in das Zwischenlager Ahaus verbracht. Frage 5.2: Ab wann soll ein Rückbau des Forschungsreaktors stattfinden? Antwort zu 5.2: Die Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH antwortet dazu wie folgt: „An das geplante Betriebsende zum 31.12.2019 schließt sich eine atomrechtlich vorgeschriebene Nachbetriebsphase bis zum Abklingen und Abtransport der Brennelemente an (üblicherweise zwei bis drei Jahre). Nachdem der BER II brennstofffrei ist, kann der Rückbau erfolgen, sobald die Stilllegungsgenehmigung erteilt ist.“ Frage 5.3: Welche Kosten werden nach der Abschaltung voraussichtlich entstehen, die vom Land Berlin getragen werden müssen? Antwort zu 5.3: Die Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH antwortet dazu wie folgt: „In der vorangehend beschriebenen Nachbetriebsphase fallen wegen der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung wichtiger Funktionalitäten (Sicherheitstechnik, Strahlenschutz , Objektschutz etc.) Betriebskosten in nur wenig geringerem Umfang als beim Normalbetrieb der Anlage an. Diese Betriebskosten in Höhe von etwa 20 Mio. € pro Jahr sind aus dem Haushalt der Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH zu finanzieren. Daher greift der Finanzierungsschlüssel Bund/Land von 90:10.“ Für den Rückbau des BER II bildet das HZB in Abstimmung mit den Zuwendungsgebern Bund und Land Berlin bilanzielle Rückstellungen in seinem Jahresabschluss (institutioneller Finanzierungsschlüssel Bund/Land von 90:10). Berlin, den 25. April 2016 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Apr. 2016)