Drucksache 17 / 18 447 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 19. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. April 2016) und Antwort „Stell die Verbindung her“ – Stand des Internetzugangs in Berliner Flüchtlingsunterkünften (III) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Leiten sich aus den vom Senat formulierten Mindeststandards für Flüchtlingsunterkünfte Forderungen an die (technische) Qualität und Geschwindigkeit des Internetzugangs ab? Wenn ja, welche? 2. Inwieweit sind die Betreiber von Notunterkünften an die Mindeststandards für Unterkünfte gebunden? Falls abweichende Mindeststandards gelten sollten, welche sind das? 3. Inwieweit fordert der Senat ein, dass der Zugang zum Internet anonym ermöglicht wird, also ohne die Angabe personenbezogener Daten? 4. Inwieweit fordert der Senat ein, dass der Zugang unbeschränkt ist, also dass bestimmte Formen des Zugriffs nicht technisch verhindert werden (z. B. Skype, verschlüsselte Übertragung)? 5. Sofern der Senat keinen anonymen und unbeschränkten Internetzugriff sicherstellt: Inwieweit wird hierbei dem besonderen Schutzbedürfnis jener Personen entsprochen, die aus politischen oder religiösen Motiven geflohen sind? 6. Wie ist die derzeitige Lage der Internetversorgung der Flüchtlingsunterkünfte (auch Erstaufnahmeeinrichtungen , Notunterkünfte und vertragsfreie Unterkünfte) in Berlin? (Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Art der Einrichtung und nach Betreibern.) 7. Wer kontrolliert die Vorgaben für die Unterkünfte? Wie wird diese Kontrolle durchgeführt? In welchem Turnus wird kontrolliert? 8. Welche Ergebnisse brachte die jeweils zuletzt an einer Einrichtung durchgeführte Kontrolle? (Bitte nach Einrichtung und Datum aufschlüsseln.) 9. Ist dem Senat bekannt, ob und wo der Mindeststandard übertroffen wird, beispielsweise durch WLAN in den Zimmern der Geflüchteten? 10. Gibt es bei bekannten Abdeckungslücken a. Pläne zur Behebung der Probleme? b. personelle, finanzielle oder materielle Engpässe, die gezielt behoben werden können? Wenn ja, gibt es konkrete Ansprechpartner*innen für zivilgesellschaftliche Initiativen , die Unterstützung liefern können und wollen? 13. Ist dem Senat bekannt, dass Betreiber ausschließlich kostenpflichtige Internetzugänge für die Bewohner *innen anbieten? Zu 1. bis 10. und 13.: Die Qualitätsanforderungen für vertragsgebundene Gemeinschaftsunterkünfte sehen in der geltenden Fassung vor, dass in den Einrichtungen in allgemein und jederzeit zugänglichen Bereichen (z. B. Kinder-, Aufenthalts- und Beratungsräumen) kostenfrei WLAN-Empfang sicherzustellen ist. Dafür sind mobile Endgeräte (pro 100 Bewohnerinnen/Bewohner ein Notebook oder Tablet-PC) zur leihweisen Nutzung vorzuhalten . Weitere technische oder sonstige Anforderungen sind nicht vorgesehen. Es obliegt grundsätzlich der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Heimleitung , die besonderen Belange schutzbedürftiger Personen in diesem Zusammenhang sicherzustellen. Die Qualitätsanforderungen werden als Anlage zum Betreibervertrag rechtsverbindlich. Abweichungen von den Anforderungen sind bei sachlichen Gründen im Einzelfall und auf Grund der individuellen Gegebenheit vor Ort zulässig, sofern sie zuvor einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden sind. Derartige Abweichungen sind insbesondere bei Notunterkünften möglich, da diese vorrangig der Vermeidung von Obdachlosigkeit dienen und auf einen vorübergehenden Verbleib ausgerichtet sind. Die unerwartet stark angewachsenen Zuzugszahlen im zweiten Halbjahr 2015 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 447 2 machten es erforderlich, die verfügbaren administrativen und finanziellen Ressourcen mit höchster Priorität für die Gewährleistung des Grundbedarfs aller aufgenommenen Schutzsuchenden einzusetzen, so dass weitergehende Aspekte bei der Unterbringung ggf. nur sukzessive nachbereitet werden können. Wie an der Berücksichtigung in den Qualitätsanforderungen deutlich wird, verkennt der Senat nicht die Bedeutung, die dem freien, kostenlosen und geschützten Internetzugang für die Bewohnerinnen und Bewohner von Flüchtlingsunterkünften zukommt; gleichwohl gehört dieses Angebot nicht zum Umfang der gesetzlichen Anspruchsleistungen, wie sie in § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bundeseinheitlich normiert werden. Die Überprüfung, ob die erforderliche Ausstattung auch tatsächlich vorgehalten wird, erfolgt im Rahmen einer Begehung durch den Bereich Qualitätssicherung für Flüchtlingsunterkünfte im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). Ist eine Einweisungs- oder Routinebegehung noch nicht erfolgt, kann das LAGeSo eine diesbezügliche Kontrolle nur im Rahmen einer anlassbezogenen Begehung vornehmen. Ein Anlass hierfür könnte etwa in einer Mitteilung von Bewohnerinnen und Bewohnern oder ehrenamtlich tätigen Helferinnen und Helfern bestehen, die konkrete Hinweise auf entsprechende Mängel beinhaltet. Das LAGeSo hat für derartige Hinweise bzw. Beschwerden ein E-Mail-Postfach sowie eine Telefonhotline eingerichtet, welche unter der Internetadresse http://www.berlin.de/lageso/soziales/asylaussiedler /berliner-unterbringungsleitstelle/ veröffentlicht sind. Werden im Ergebnis einer Begehung Mängel festgestellt , so werden diese durch die vorgenannte Arbeitsgruppe Qualitätssicherung für Flüchtlingsunterkünfte im LAGeSo protokolliert bzw. in Sachstandberichten dokumentiert . Hierüber werden sowohl die Betreiberinnen und Betreiber als auch die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) informiert, die für die Vertragsgestaltung zwischen den Betreiberinnen und Betreibern einerseits und dem LAGeSo andererseits zuständig ist und die bei Verstößen gegen die Verträge entsprechende Maßnahmen prüft und ggf. veranlasst. Zu Art und Umfang der in Betracht kommenden Maßnahmen wird auf die Antwort des Senats vom 09.02.2016 zu Frage 3 der Schriftlichen Anfrage 17/17781 sowie die diesbezügliche Anlage 1 verwiesen. Die manuelle Auswertung der im Jahr 2015 durchgeführten Begehungen ergab in 19 Einrichtungen Beanstandungen im Zusammenhang mit dem Zugang der Bewohnerinnen und Bewohner zum Internet. Zumeist wurde fehlende Hardware oder kein bzw. kein kostenfreier W- LAN-Zugang attestiert. Die 19 betroffenen Einrichtungen wurden bereits größtenteils überprüft, 13 Einrichtungen haben Veränderungen vorgenommen. Alle betroffenen Betreiberinnen und Betreiber wurden zur Notwendigkeit des Angebots von WLAN einschließlich Hardware beraten . Eine Vielzahl dieser Betreiberinnen und Betreiber hält nun auch WLAN vor. Im Ergebnis der Begehungen wurde zudem festgestellt , dass in vier Einrichtungen höhere als die geforderten Anforderungen an die Bereitstellung eines Internetzugangs erfüllt werden, wobei überwiegend die Anzahl der verfügbaren Endgeräte (Hardware) die Vorgabe übertraf . Allerdings wird von Betreiberinnen und Betreibern fallweise berichtet, dass die bereitgestellte Hardware durch die Bewohnerinnen und Bewohner nicht mit der erforderlichen Sorgfalt genutzt wird und es daher zu Ausfällen kommt, die zu einem Mangel an verfügbarer Hardware führen können. Eine statistische Erfassung dieser Fälle erfolgt nicht. 11. Liegen dem Senat Beschwerden bezüglich des Internetzugangs in den Unterkünften vor? Zu 11.: Weder der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales noch dem LAGeSo (Arbeitsgruppe Qualitätssicherung für Flüchtlingsunterkünfte) liegen Beschwerden bezüglich des Internetzuganges in Unterkünften vor. 12. Welche Möglichkeiten zur Ahndung hat der Senat bei diesbezüglichen Vertragsverstößen? a. Wurde davon bereits Gebrauch gemacht? Wenn ja, gab es danach Verbesserungen? Zu 12.: Der Betreibervertrag enthält u. a. Regelungen für den Fall, dass das Vertragssoll – zu dem auch die Qualitätsanforderungen gehören – nicht durch die Betreiberin /den Betreiber erfüllt wird. Zu den Einzelheiten wird auf § 10 des unter der Internetadresse http://www.berlin.de/lageso/soziales/asyl-aussiedler/berli ner-unterbringungsleitstelle/informationen-zu-betreiberund -immobilienangeboten/ veröffentlichten Mustervertrags verwiesen. Eine Neufassung des Mustervertrags wird derzeit erarbeitet. Das LAGeSo strebt allerdings an, in allen derartigen Fällen zunächst eine einvernehmliche Verständigung mit der Betreiberin/dem Betreiber der betroffenen Einrichtung zu erzielen, um auch ohne den Rückgriff auf vertragliche Sanktionsoptionen einen ordnungsgemäßen Betrieb unter Einhaltung der vereinbarten Qualitätsanforderungen sicherzustellen . 14. Wie steht der Senat zur Arbeit von zivilgesellschaftlichen Initiativen (insbesondere „Freifunk“), die Unterkünfte hinsichtlich des Internetzugangs unterstützen können? a. Gibt es Überlegungen, diese Möglichkeit in die Regelungen für Unterkünfte miteinzubeziehen (z. B. mit der Vorgabe, dass Betreiber mit derartigen Initiativen kooperieren müssen)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 447 3 Zu 14.: Der Senat begrüßt jede auf bürgerschaftlichem Engagement beruhende Initiative mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Bewohnerinnen und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften zu verbessern. Er bittet allerdings zwecks Gewährleistung eines ordentlichen Unterkunftsbetriebs, sich bei entsprechenden Vorhaben zuvor um eine einvernehmliche Verständigung mit den jeweiligen Betreiberinnen und Betreibern der Einrichtungen bzw. Heimleitungen sowie dem LAGeSo zu bemühen. Die Qualitätsanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte sowie der Musterbetreibervertrag werden derzeit überarbeitet. In diesem Zusammenhang soll auch die konstruktive Kooperation zwischen Betreiberinnen und Betreibern sowie ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützern – einschließlich eines verbindlichen Verfahrens zum Konfliktmanagement - angemessen berücksichtigt werden. Berlin, den 11. Mai 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mai 2016)