Drucksache 17 / 18 452 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger (GRÜNE) vom 18. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. April 2016) und Antwort Her mit den Daten! Wann wird die Öffentlichkeit über das Ausmaß von Zwangsräumungen in Berlin informiert? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Räumungsklagen wegen Mietrückständen wurden den Sozialen Wohnhilfen der Bezirke als gerichtliche Mitteilungen in Zivilrechtsverfahren (MiZis) in den Jahren 2013 bis 2015 übermittelt (Bitte aufschlüsseln nach Bezirk bzw. Gerichtsbezirk und Quartal)? Zu 1.: 2013 bis 2015 ging die aus der folgenden Tabelle ersichtliche Anzahl gerichtlicher Mitteilungen über Räumungsklagen gemäß § 22 Abs. 9 Sozialgesetzbuch (SGB) II und § 36 Abs. 2 SGB XII bei den Bezirken ein: Bezirk / Haushaltsjahr (HJ) 1. HJ 2013 2. HJ 2013 2013 1. HJ 2014 2. HJ 2014 2014 1. HJ 2015 2. HJ 2015 2015 Mitte 522 402 924 367 389 756 386 319 705 Friedrichshain- Kreuzberg 289 310 599 259 298 557 288 259 547 Pankow 290 244 534 258 251 509 248 191 439 Charlottenburg- Wilmersdorf 271 278 549 293 261 554 238 263 501 Spandau 436 381 817 435 396 831 343 242 585 Steglitz-Zehlendorf 188 181 369 177 153 330 121 122 243 Tempelhof- Schöneberg 332 295 627 330 299 629 249 241 490 Neukölln 342 467 809 261 262 523 293 193 486 Treptow-Köpenick 265 246 511 253 239 492 233 233 466 Marzahn-Hellersdorf 607 539 1146 546 448 994 438 373 811 Lichtenberg 568 270 838 306 349 655 292 247 539 Reinickendorf 243 357 600 321 270 591 254 170 424 SUMME 4353 3970 8323 3806 3615 7421 3383 2853 6236 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 452 2 2. Wie viele Terminfestsetzungen zur Zwangsvollstreckung haben die Berliner Gerichte den Sozialen Wohnhilfen der Bezirke in den Jahren 2013 bis 2015 gemeldet (bitte aufschlüsseln nach Bezirk bzw. Gerichtsbezirk und Quartal)? Zu 2.: 2013 bis 2015 ging die aus der folgenden Tabelle ersichtliche Anzahl von Räumungsmitteilungen der Gerichtsvollzieher ein: Bezirk / Haushaltsjahr 1. HJ 2013 2. HJ 2013 2013 1. HJ 2014 2. HJ 2014 2014 1. HJ 2015 2. HJ 2015 2015 Mitte 364 386 750 352 319 671 301 305 606 Friedrichshain- Kreuzberg 205 197 402 158 184 342 154 189 343 Pankow 186 162 348 175 168 343 190 181 371 Charlottenburg- Wilmersdorf 248 233 481 225 225 450 191 173 364 Spandau 284 276 560 265 303 568 236 172 408 Steglitz-Zehlendorf 134 103 237 162 87 249 102 66 168 Tempelhof- Schöneberg 191 171 362 209 190 399 170 159 329 Neukölln* 338 309 647 300 366 666 306 44 350 Treptow-Köpenick 140 147 287 129 144 273 145 148 293 Marzahn-Hellersdorf 369 355 724 367 353 720 272 283 555 Lichtenberg 195 161 356 188 204 392 185 169 354 Reinickendorf 192 285 477 226 194 420 231 215 446 SUMME 2846 2785 5631 2756 2737 5493 2483 2104 4587 * Für den Bezirk Neukölln erfolgte für das 2. Halbjahr 2015 keine vollständige Datenerfassung der eingegangenen Räumungs- mitteilungen. 3. Welche Änderungen in der Erfassungssoftware der Berliner Zivilgerichte müssten vorgenommen werden, um Räumungsangelegenheiten explizit auszuweisen und Hintergründe, wie Rechtsgrundlage oder Mietschuldenhöhe einer Räumungsangelegenheit, zu erfassen? Zu 3.: Voraussetzung für eine Datenerhebung im gefragten Sinne wäre zunächst eine klare Definition der abzufragenden Daten. Zu den genannten Beispielen wäre etwa festzulegen, ob nur wohnungsmietrechtliche Angelegenheiten erfasst werden sollen oder auch andere – etwa bereicherungs- oder eigentumsrechtliche – und welcher Zeitpunkt für die Abfrage maßgeblich sein soll. Immerhin werden die Mitteilungen über eingegangene Räumungsklagen mit Angaben zum Mietrückstand bereits jetzt gemäß § 22 Abs. 9 SGB II und § 36 Abs. 2 SGB XII an die zuständige Behörde versandt. Dort können Maßnahmen gegen drohende Wohnungslosigkeit ergriffen und anhand der übermittelten Daten ggf. weitere Sozialstatistiken erhoben werden. Soweit dafür eine weitere Abfrage eingerichtet werden sollte, müsste entschieden werden, ob etwa die Daten zu einem späteren Zeitpunkt, etwa des rechtskräftigen Urteils, als relevant angesehen werden sollen. Dies hätte auch unterschiedlichen Programmierund Eintragungsaufwand zur Folge. Noch deutlicher wird die Bedeutung sorgfältiger Planung bei den Räumungsgründen . Denn nicht jede Räumungsklage ist auf soziale Armut zurückzuführen. Es müsste entschieden werden, ob allein die auf Mietrückstände gestützten Wohnungsräumungsklagen erfasst werden sollen oder auch die verhaltensbedingten (Anzünden des nachbarlichen Kinderwa- gens, antisemitische Beleidigung eines jüdischen Wohnungseigentümers und dergleichen Praxisbeispiele mehr). Die sich daraus ergebenden Unterschiede für den Programmier - und Verwaltungsaufwand sind erheblich. Eine Umsetzung solcher Änderungen hätte derzeit noch im gegenwärtig genutzten Fachverfahren AuLAK zu erfolgen. Dies erscheint allerdings nicht sinnvoll, weil dessen Ablösung durch das demnächst einzuführende Fachverfahren forumSTAR Zivil bevorsteht. In forum- STAR, das ein Länderverbundverfahren darstellt, wären die notwendigen Neuprogrammierungen im Verbund abzustimmen und durch einen Change-Request umzusetzen . Inwieweit dies tatsächlich Aussicht auf Erfolg hätte, kann ohne Einbeziehung des Verbunds nicht beurteilt werden. 4. Müssten gesetzliche Grundlagen geändert werden, um eine Erfassung der unter Frage 3 genannten Daten anonym zu erfassen und wenn ja welche? Zu 4.: Nach § 25 Ausführungsgesetz des Gerichtsverfassungsgesetzes (AGGVG) sind statistische Erhebungen zur Rechtstatsachenforschung grundsätzlich zulässig. 5. Wie viele Räumungsaufträge an Gerichtsvollzieher *innen konnten für die Jahre 2014 und 2015 anhand des vorläufigen statistischen Fragebogens für den Geschäftsbereich der Landesjustizverwaltung ermittelt wer- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 452 3 den (bitte getrennt nach klassischen Räumungen, sogenannten Berliner Räumungen und wenn möglich nach Bezirken bzw. Einsatzgebiet der Gerichtsvollzieher*innen darstellen. Bitte die aktuelle Version des Fragebogenvordrucks als Anhang beifügen)? Zu 5.: Die Anzahl der Räumungsaufträge ergibt sich aus den anliegenden Aufstellungen. 6. Welche Schritte hat der Senat unternommen, um im o.g. Fragebogen auch die Zahl der den Räumungsaufträgen vorangegangenen Räumungsklagen, die Zahl der tatsächlich durchgeführten Räumungen sowie die Rechtsgrundlagen der Räumungsklagen, statistisch erfassen zu lassen? 7. Welche Schritte hat der Senat unternommen um den o.g. Fragebogen so zu gestalten, dass zukünftig mehr relevante Hintergrunddaten zu ergangenen Räumungsklagen und die genaue Zahl der tatsächlich durchgeführten Räumungen erhoben werden? Zu 6. und 7.: Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher führen eine Jahresübersicht über ihre Geschäftstätigkeit nach dem bundeseinheitlichen Vordruck GV 12 zur Gerichtsvollzieherordnung (GVO). Der Vordruck dient allein dem Zweck, die Geschäftstätigkeit der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher für Steuerungszwecke der jeweils zuständigen Dienstbehörde zu erfassen. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse dienen allein verwaltungsinternen Zwecken, wie der Bemessung des Personalbedarfs, der Bemessung der Höhe der Bürokostenentschädigung der Gerichtsvollzieher etc.. Die bundesweit angebotene Gerichtsvollzieherbürosoftware verschiedener Hersteller berücksichtigt die Vorgaben der Bundesländer zur Ausfüllung des Vordrucks GV 12 und damit zur Erfassung der Geschäftstätigkeit der Gerichtsvollzieher. Sofern beabsichtigt ist, andere Daten, als die bisher vorgesehenen zu erfassen, müsste dies daher in anderer Weise geschehen. 8. In einem Antwortschreiben vom 27.08.2015 auf eine schriftliche Frage der Landesarmutskonferenz Berlin „Fehlende Daten zu drohenden Wohnungsverlusten in Berlin“ vom 22.07.2015 kündigt der Senat an, zur Erhebung soziodemographischer Daten in Zusammenhang mit Zwangsräumungen auch die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz mit einzubeziehen. In wie weit ist dies bisher geschehen (Bitte den Stand des Einbeziehungsprozesses und mögliche konkrete Maßnahmen zur genaueren Erfassung der Daten nennen. Bitte das Schreiben der lak-Berlin und das Antwortschreiben der Sen- GesSoz beilegen)? Zu 8.: In dem angeführten Antwortschreiben vom 27.08.2015 wird von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ausgeführt, dass präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Wohnraumverlust weiterhin hohe Priorität für das Land Berlin haben. Dies umfasst insbesondere die Verhinderung von Wohnraumverlust als Folge von Zwangsräumungen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass Wohnungslosigkeit stets als sichtbares Synonym für unterschiedliche soziale Problemlagen zu betrachten ist. Zwischen den fachlich zuständigen Ressorts der Senatsverwaltungen für Gesundheit und Soziales sowie der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz findet zu fachlichen Schnittstellen ein regelmäßiger Austausch statt. 9. Welche weiteren Akteure der LiGa-Verbände, der Ressorts der Senatsverwaltung, oder der Verwaltungen der Bezirke wurden in einen Prozess zur genaueren Datenerfassung über Zwangsräumungen einbezogen? Zu 9.: In Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Leitlinien der „Wohnungslosenhilfe/-politik“ wurden die mit Schnittstellenthemen befassten Ressorts der unterschiedlichen Senatsverwaltungen, die Bezirke, die Verbände der LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege sowie unterschiedliche externe Interessenvertretungen , u. a. die Landesarmutskonferenz (lak) einbezogen . 10. In welcher Form werden Daten über drohenden oder bereits erfolgten Wohnungsverlust durch Zwangsräumungen in die statistische Erfassung von Wohnungslosigkeit Eingang finden, die im Entwurf für neue Leitlinien der Berliner Wohnungslosenpolitik angekündigt wurde? Zu 10.: In Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Leitlinien der „Wohnungslosenhilfe / -politik haben im Jahr 2016 bereits zwei Abstimmungsgespräche stattgefunden . Der Beteiligungs- und Abstimmungsprozess ist jedoch zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Die bei der Beantwortung zu Frage 1 und Frage 2 angeführten Daten werden auch zukünftig erhoben. Inwieweit darüber hinaus gehende Angaben erfasst werden können, ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht absehbar. Berlin, den 09. Mai 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mai 2016) S17-18452 Anlage zur S 17-18452