Drucksache 17 / 18 477 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Hakan Taş und Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 26. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. April 2016) und Antwort Übergriffe durch Reichsbürger am Amtsgericht Tiergarten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.Trifft es zu, dass es am 18.04.2016 am Amtsgericht Tiergarten zu Bedrohungen und Übergriffen von Personen aus dem Spektrum der so genannten Reichsbürger auf Beobachterinnen und Beobachter des Prozesses gegen den wegen des Mordes an Luke H. angeklagten Rolf Z. kam und wenn ja, a. wie viele Personen aus welcher Personengruppe wurden dabei geschädigt? b. welche Straftaten sind den Einsatzkräften des Justizwachtmeisterdienstes und/oder denen der Polizei in diesem Zusammenhang bekannt geworden? c. was hat das Gericht unternommen, um die angegriffenen oder bedrohten Personen zu schützen? d. wie viele Anzeigen wurden in diesem Zusammenhang aufgenommen und wie viele Verfahren von Amts wegen eingeleitet? e. von wie vielen Personen aus welcher Personengruppe wurden die Personalien aufgenommen? Zu 1.: Dem Senat ist kein Vorfall der beschriebenen Art innerhalb des Amtsgerichts Tiergarten am 18. April 2016 bekannt geworden. Nach Angaben einer Besucherin gegenüber den Wachtmeisterinnen und Wachtmeistern des Amtsgerichts Tiergarten soll es jedoch vor dem Gerichtsgebäude am Sicherheitsportal V zu einer Schubserei zwischen Besucherinnen und Besuchern unterschiedlicher Hauptverhandlungen gekommen sein. Dies konnte allerdings von den im Portal V diensthabenden Wachtmeisterinnen und Wachtmeistern selbst nicht wahrgenommen werden. Nach Angaben gegenüber den die Anzeige aufnehmenden Polizeikräften vor Ort soll die Besucherin gegen 9:15 Uhr, also über 2 Stunden vor der Anzeigeerstattung von dem Beschuldigten im Bereich der im Gerichtsgebäude befindlichen Einlasskontrollen zu Boden gestoßen worden sein. Weil sich die Eingänge der Sicherheitsschleusen vor dem Gerichtsgebäude befinden, ist davon auszugehen, dass sich der beschriebene Vorfall vor dem Gericht ereignete. Zu a: Die Besucherin, die vom Vorfall vor dem Amtsgericht berichtete, gab an, bei dieser Schubserei umgeknickt zu sein und sich dabei selbst verletzt zu haben. Sie wollte jedoch weder die ihr angebotene Erste Hilfe in Anspruch nehmen, noch sich zwecks Erstattung einer Strafanzeige zu den vor dem Amtsgericht befindlichen Polizeidienstkräften begeben. Stattdessen besuchte sie den Hauptverhandlungstermin gegen den Angeklagten Rolf Z. Siehe dazu auch Antwort zu 1 d. Zu b: Innerhalb des Gerichtsgebäudes sind keine in diesem Zusammenhang stehenden Straftaten bekannt geworden. Zu c: Da kein Übergriff auf eine Person innerhalb des Gerichtsgebäudes bekannt gemacht wurde, waren besondere Sicherheitsmaßnahmen entbehrlich. Zu d: Am 18. April 2016 fand vor dem Amtsgericht Tiergarten im Zeitraum von 8:00 bis 13:00 Uhr eine Versammlung des Vereins „staatenlos.info e.V.“ zum Thema „Gegen Justizwillkür – Auflösung des Rechtsstaates und Einrichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland“ statt, an der sich maximal elf Teilnehmerinnen und Teilnehmer beteiligten. Die Versammlung wurde durch zwei Kräfte des Polizeiabschnitts 33 geschützt. Der Versammlungsleiter gab an, dass eine der Versammlungsteilnehmerinnen am besagten Tag angeklagt sei und dies zum Anlass für ihre Kundgebung genommen werde. Durch diese angeklagte Person wurden vor Ort eine Anzeige wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und eine Anzeige wegen des Verdachts des Betrugs erstattet, da die sogenannten „Reichsbürger“ die Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Gerichte und in diesem Fall die Vorladung zu der Gerichtsverhandlung als illegitim erachten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 477 2 Um 11:35 Uhr erschien ein Mitarbeiter des Vereins „Opferperspektive e.V.“ beim eingesetzten Polizeiführer vor dem Gerichtsgebäude und gab an, dass es zu einer Körperverletzung zum Nachteil einer weiblichen Person durch einen Versammlungsteilnehmer gekommen ist. Daraufhin wurde durch die eingesetzten Kräfte eine Anzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung aufgenommen und die Identität des Beschuldigten festgestellt. Der betroffene Versammlungsteilnehmer erstattete seinerseits eine Anzeige wegen des Verdachts der falschen Verdächtigung. Es wurden demzufolge 3 Anzeigen erstattet. Zu e: Im Zusammenhang mit der Anzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung und der Falschen Verdächtigung wurden die Personalien der Geschädigten sowie die Personalien der Beschuldigten aufgenommen. Zu den Anzeigen wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und des Betrugs wurden die Personalien der vermeintlichen Geschädigten sowie von zwei weiteren Personen der Versammlung der sogenannten „Reichsbürger “ als Zeugen aufgenommen. 2. Inwieweit kam es am 18.04.2016 zu weiteren Straftaten oder sicherheitsrelevanten Vorfällen durch Personen aus dem Spektrum der Reichsbürger am und vor dem Amtsgericht Tiergarten? Zu 2.: Siehe Antwort zu Frage 1 d. Weitere Vorkommnisse im Sinne der Fragestellung wurden nicht bekannt. 3. Wie viele Einsatzkräfte der Polizei waren an diesem Prozesstag vor Ort und wie viele Einsatzkräfte wurden zur Unterstützung der Sicherheitskräfte des Gerichtes herbeigerufen ? Zu 3.: Siehe Antwort zu Frage 1 d. Ein Amtshilfeersuchen des Amtsgerichts Tiergarten ist weder zum Schutz der Gerichtsverhandlung gegen eine der sogenannten „Reichsbürgerinnen“ noch zum Schutz der Gerichtsverhandlung im Zusammenhang mit dem Mord an Luke H. gestellt worden, weswegen sich im gesamten Einsatzzeitraum keine Kräfte der Polizei Berlin im Gerichtsgebäude befanden. 4. Welche Maßnahmen hat das Gericht im Vorhinein getroffen, um mögliche Zusammenstöße zwischen Personen aus dem Spektrum der Reichsbürger, die am selben Tag einen Prozess besuchen wollten, und Beobachterinnen und Beobachtern des Prozesses gegen Rolf Z. zu verhindern? Zu 4.: In beiden Verfahren ordnete die jeweils zuständige Spruchkammer eine Sicherungsverfügung an. Somit mussten sämtliche Besucherinnen und Besucher dieser Verfahren das Gerichtsgebäude über das Sicherheitsportal betreten und hatten sich gemäß den Vorgaben der Sicherheitsverfügungen kontrollieren zu lassen. Da im Verfahren gegen die sogenannten Reichsbürger keine Besucherin und kein Besucher zwecks Kontrolle im Portal V erschien , wurden ausschließlich alle Besucherinnen und Besucher für das Strafverfahren gegen Rolf Z. kontrolliert . Grundsätzlich werden die Besucherinnen und Besucher nur einzeln in das Portal eingelassen und einzeln kontrolliert. So wird innerhalb des Gerichtsgebäudes ein Zusammentreffen der Besucherinnen und Besucher von unterschiedlichen Prozessen weitgehend vermieden. 5. Bei wie vielen Besucherinnen oder Besuchern des Prozesses gegen Rolf Z. kam es beim Einlass in das Gericht aus welchen Gründen zur Personendurchsuchung? Zu 5.: Sofern wie unter 4. beschrieben die Spruchkammer in einem Verfahren eine Sicherungsverfügung erlässt, werden ausnahmslos alle Besucherinnen und Besucher kontrolliert. Eine statistische Erhebung erfolgt nicht. Gleiches gilt für Besucherinnen und Besucher, die das Gerichtsgebäude über den Haupteingang betreten. 6. Inwieweit werden die genannten Vorfälle am Amtsgericht Tiergarten durch die beteiligten Sicherheitskräfte der Justiz und der Polizei ausgewertet und welche Schlüsse zur künftigen Vermeidung derartiger Vorfälle werden gezogen? Zu 6.: Die Sicherheitskräfte der Justiz und der Polizei arbeiten gut zusammen. Auch am 18. April 2016 gab es diesbezüglich keine Schwierigkeiten, so dass eine Neuausrichtung der Zusammenarbeit gegenwärtig nicht angezeigt erscheint. Berlin, den 12. Mai 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Mai 2016)