Drucksache 17 / 18 484 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 27. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. April 2016) und Antwort Unwürdige Zustände im Berliner Maßregelvollzug i.S.d. § 64 StGB? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gibt es im Maßregelvollzug gemäß § 64 Strafgesetzbuch (StGB) („Entziehungsanstalt“) ein Behandlungskonzept auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Suchtkrankenbehandlung? (Wenn ja, bitte das Konzept im Original beifügen und/ oder die zentralen Punkte aufführen.) Zu 1.: In der IV. Abteilung des Krankenhauses des Maßregelvollzugs Berlin (KMV) erfolgt die Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 64 des Strafgesetzbuches (StGB). In der Abteilung wird auch der offene Vollzug durchgeführt . Die vorläufig gem. § 126a der Strafprozessordnung (StPO) untergebrachten Patientinnen und Patienten, die in einer Entziehungsanstalt aufzunehmen sind, werden ebenfalls in dieser Abteilung betreut. Die Abteilung befindet sich wegen der zunehmenden Patientenzahl aufgrund nicht rückweisbarer Zuweisungen durch den richterlichen Spruchkörper in der Phase der Umstrukturierung. Die bis vor einigen Monaten ausschließlich in Berlin-Buch untergebrachten Patientinnen und Patienten, die nach § 64 StGB untergebracht werden müssen, mussten inzwischen auf beide Standorte (örtlicher Bereich Reinickendorf und örtlicher Bereich Buch) des KMV verteilt werden. Die Behandlung der Patientinnen und Patienten findet durch ein multiprofessionelles Team statt. Der Behandlungsansatz ist multimodal und adressiert alle erkennbaren Risikofaktoren. Der Behandlungsverlauf gliedert sich in 4 Stufen. I. Aufnahme und Eingangsdiagnostik Auf der Aufnahmestation, ab Juni 2016 wird das eine Hälfte der Station 3 A sein, erfolgt die Eingangsdiagnostik . Bei vielen Patientinnen und Patienten steht zunächst die körperliche Entgiftung im Vordergrund. Sie benötigen oft eine enge pflegerische und ärztliche Betreuung. Es wird versucht, Entzugssymptome zu mildern und einer Herabgestimmtheit und Unruhe entgegenzuwirken. Bei vielen Patientinnen und Patienten bestehen neben der Suchtproblematik weitere psychische Störungen, die entweder bereits im Rahmen der Begutachtung erkannt wurden oder erst während der Unterbringung diagnostiziert werden. Es wird eine biografische Anamnese und eine Suchtmittelanamnese erstellt. Die therapeutisch angehbaren Defizite werden genau analysiert. Die Patientinnen und Patienten werden über den Ablauf und die Regelungen im Maßregelvollzug informiert. Die Herstellung der Gruppenfähigkeit, die Reduktion antisozialer Verhaltensweisen und das Erwecken bzw. die Förderung von Abstinenzmotivation sowie einer Compliance bezüglich der Behandlung stehen auf der Aufnahmestation im Focus. Der Bedarf auch an psychologischen und sozialarbeiterischen Interventionen ist zu Behandlungsbeginn hoch. Das Behandlungsangebot umfasst schwerpunktmäßig suchttherapeutische und medizinische Maßnahmen. Eine erste Einbindung in das stationsinterne Ergotherapieprogramm erfolgt. Vor dem Hintergrund der psychiatrischen Diagnostik, der störungsspezifischen Problematik sowie der bekannten Vor- und Anlassdelinquenz sowie des Einweisungsgutachtens wird ein forensisch-psychiatrisches Risikoprofil ermittelt. II. Motivationsstation Nach der Eingangsdiagnostik und einer Zeit der Stabilisierung auf der Aufnahmestation folgt die Motivationsphase . Nach unserem neuen Konzept sollen die Patientinnen und Patienten auf die Motivationsstation verlegt werden , die bislang in Buch untergebracht war und ab Juni 2016 in der zweiten Hälfte der Station 3 A eingerichtet wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 484 2 Der Schwerpunkt in dieser Behandlungsphase liegt auf der Erarbeitung und Festigung der Motivation zur Durchführung der Suchttherapie. Gefördert wird die Bereitschaft zur Übernahme der Selbstverantwortung. Die Auseinandersetzung mit der Delinquenz und den kriminogenen Faktoren wird begonnen bzw. fortgesetzt. Patientinnen und Patienten, die z. B. einer schulischen Förderung bedürfen, sollen ab Übernahme auf die Motivationsstation an schulischen Bildungsmaßnahmen teilnehmen können. Von der Motivationsstation aus erfolgt eine Verlegung auf eine der drei Therapiestationen (3 B, 13 A und 13 B). III. Therapiestationen Auf einer Therapiestation wird die Behandlung anhand des erstellten Therapieplans intensiviert. Die festgelegten therapeutischen, schulischen und beruflichen Ziele werden intensiviert verfolgt. Weitere Lockerungsmaßnahmen werden bei günstiger Lockerungsprognose erteilt. Die Station 3 B wird einen Schwerpunkt auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Doppeldiagnosen - bzw. Dreifachdiagnosen (Sucht, Psychose, Persönlichkeitsstörung ) legen. Es sollen dort eher jüngere Patientinnen und Patienten behandelt werden, die den Schulunterricht besuchen. Auf der Station werden auch Frauen behandelt, sie sind in einem separaten Bereich der Station untergebracht. Auf der Station 13 A liegt ein Schwerpunkt auf der Behandlung von Sexualstraftätern. Patienten mit Sexualdelinquenz wird die Teilnahme an einem Gruppenprogramm angeboten, das an ein manualgeleitetes Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter angelehnt durchgeführt wird. Auf allen Stationen gibt es neben Einzelgesprächen bei den jeweils zuständigen Therapeutinnen und Therapeuten auch therapeutische und pflegerische Gruppenangebote . Hierzu zählen die Gruppen „Psychoedukation Schizophrenie und Sucht“, Soziales Kompetenztraining, Entspannungstraining, Rückfallprophylaxegruppe bei Drogenabhängigkeit. In der Suchtbehandlung werden u. a. selbstschädigendes Verhalten bei Problemen und Konflikten, Traumatisierungen , Egozentrisches Denken und Externalisierung von Verantwortung fokussiert. Vorhandene ungünstige Copingstrategien und ein instabiler Lebensstil werden ebenso identifiziert wie Hochrisikosituationen für einen Rückfall in süchtiges bzw. deliktisches Verhalten. Die Teilnahme an einer auf den individuellen Förderungsbedarf ausgerichteten Ergotherapie wird den Patientinnen und Patienten, je nach Verfügbarkeit, angeboten. Dabei müssen die vorhandenen personellen und räumlichen Ressourcen bedarfsgerecht eingesetzt werden. Es besteht ein Angebot zur Teilnahme am Sport. Die sportlichen Aktivitäten, die in der Regel in der Gruppe durchgeführt werden, sollen die Körperwahrnehmung verbessern, das (Wieder-) erleben körperlicher Leistungsfähigkeit ermöglichen und dem Stress- und Aggressionsabbau dienen. Das Stationsmilieu richtet sich an milieutherapeutischen Gesichtspunkten aus. Es wird angestrebt, eine stabile und vertrauensvolle Beziehung zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Patientinnen und Patienten aufzubauen. Auf allen Stationen besteht ein Bezugspflegesystem . Das Einhalten von Regeln und ein transparenter Umgang mit Konsequenzen bei Regelverstößen ist ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung. Das KMV ist gehalten, bei vielen Patientinnen und Patienten den Umgang mit Geld und mit persönlicher Habe zu verbessern. Auch hier sind die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter unterstützend tätig und organisieren ggf. auch eine Schuldnerberatung. Die Fähigkeiten zur Selbstversorgung, die bei einigen der Patientinnen und Patienten defizitär sind, werden gestärkt, lebenspraktische Fertigkeiten werden trainiert. Tragfähige Beziehungen zu prosozialen bzw. den Therapiezielen nicht entgegenwirkenden Angehörigen oder engen Freunden werden unterstützt; Anregungen zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung werden erteilt. IV. Extramurale Erprobung Bei fortgeschrittenen Lockerungen ist die Unterbringung in einer externen Einrichtung möglich. Schwerpunkt ist die psychosoziale Reintegration in die Gesellschaft. Es wird angestrebt, dass die dort untergebrachten Patientinnen und Patienten dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Alternativ sind Beschäftigungen im Zuverdienst oder im Ehrenamt sinnvoll. Im Verein der Berliner Stadtmission können 17 Patienteninnen und Patienten untergebracht werden, es finden dort regelmäßig Visiten durch unsere Therapeutinnen und Therapeuten statt. Alle Patientinnen und Patienten, die alleinige Ausgänge erhalten, besuchen regelmäßig eine externe Suchtgruppe . Es wird angestrebt, dass dies auch nach der Entlassung beibehalten wird. 2. Berücksichtigt das Behandlungskonzept auch die Maßnahmen hinsichtlich der weiteren forensisch relevanten psychischen Störungen und Erkrankungen, die neben der Suchterkrankung festgestellt wurden oder werden? Wenn nein, wie werden diese behandelt? Zu 2.: Das Behandlungskonzept berücksichtigt selbstverständlich auch die komorbiden Störungen. Diese werden fachgerecht behandelt. Je nach Störungsbild kommen psychotherapeutische Interventionen, eine pharmakologische Behandlung und psychoedukative Verfahren zum Einsatz. Die innere Differenzierung der Abteilung wird durch Schwerpunktbildungen auf den einzelnen Stationen vorangetrieben. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 484 3 3. Entspricht die Ausstattung mit Personal und Sachmitteln formal den Anforderungen des Behandlungskonzepts ? Wenn nein, in welchen Teilvollzugsabteilungen des Krankenhauses des Maßregelvollzugs (KMV) nicht und welche konkreten Maßnahmen sind zur Behebung dieser Defizite geplant? Zu 3.: Die IV. Abteilung (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB) verfügt im therapeutischen Bereich über 9,8 Arztstellen (11 Mitarbeiter/innen) und 2 Psychologenstellen (3 Mitarbeiter/innen), welche u. a. von 3,65 Sozialarbeiterstellen (4 Mitarbeiter/innen) unterstützt werden. Betreut werden von diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern derzeit 115 stationäre Patientinnen und Patienten und 24 extramural untergebrachte Patientinnen und Patienten, also insgesamt 139 Patientinnen und Patienten (Stand 02.05.2016). 4. Entspricht die personelle und sachliche Ausstattung den qualitativen Anforderungen des Konzepts (z. B. bezüglich der Qualifikation und Erfahrung der Mitarbeiter *innen im therapeutischen und im Pflegebereich)? Wenn nein, in welchen Teilvollzugsabteilungen des KMV nicht und welche konkreten Maßnahmen sind zur Behebung dieser Defizite geplant? Zu 4.: Der Berliner Maßregelvollzug zeichnet sich dadurch aus, dass er bundesweit die höchste Anzahl an sehr großen Stationen aufweist, wie dies in dem von den Firmen „ceus consulting“ und „FOGS GmbH“ im Jahr 2013 erstellten Gutachten „Beratungsleitungen zur Kostensenkung im Krankenhaus des Maßregelvollzugs Berlin (KMV) – Rote Nummer 0693 D – eingehend dargestellt wurde. Auch wenn es generell wünschenswert wäre, ein an den therapeutischen Anforderungen und den speziellen Besonderheiten der Unterbringung ausgerichtetes neues Gebäudeensemble zu haben, so würde die Absenkung der Größe der Stationen höhere Personal- und Sachkosten zur Folge haben. Mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln findet regelmäßig ein Weiterbildungsprogramm für die akademischen Mitarbeiter/innen statt. Darüber hinaus werden Mitarbeiter/innen auch in Inhouse-Schulungen fortgebildet. Im Juni 2016 erfolgt eine Fortbildung zur zertifizierten Anwendung des PCL-SV sowie des Prognoseinstruments HCR-20. Im Februar 2017 werden 12 Mitarbeiter/innen des KMV, darunter auch Mitarbeiter/innen der IV. Abteilung, zum R&R-Trainer ausgebildet. Das „Reasoning und Rehabilitation Program“ wurde in Kanada zur Straftäterbehandlung entwickelt und wird in Deutschland in vielen Maßregelvollzugseinrichtungen und Strafvollzugseinrichtungen eingesetzt. Es zielt auf Bereiche, in denen viele Patienten Defizite haben. Der Erfolg des Programms ist wissenschaftlich belegt. Die Mitarbeiter/innen erhalten zur Teilnahme an externen Fortbildungen, die im dienstlichen Interesse liegen, Dienstbefreiung. Berufsgruppenübergreifend werden mehrmals im Jahr ein Deeskalationstraining einschließlich der Grundlagenvermittlung zur Anwendung des unmittelbaren Zwangs sowie ein betriebsinternes Notfalltraining angeboten. 5. Entspricht die Ausstattung des KMV mit Personal und Sachmitteln im Bereich der Unterbringung nach § 64 StGB der Verordnung über Errichtung und Betrieb von Krankenhäusern, Krankenhausaufnahme, Führung von Krankengeschichten und Pflegedokumentationen und Katastrophenschutz in Krankenhäusern (Krankenhausverordnung - KhsVO)? Zu 5.: Im KMV werden – unabhängig von der rechtlichen Unterbringungssituation der einzelnen Patientinnen und Patienten – die Vorschriften der Krankenhaus- Verordnung (KhsVO) in allen Abteilungen eingehalten. Das KMV ist weder ein somatisches Krankenhaus noch nimmt es an der Notfallversorgung teil, obgleich die ärztliche Versorgung der Patientinnen und Patienten auch nachts und an Wochenenden und Feiertagen nicht nur bei Gefahrenlagen sichergestellt wird. Die Zahl des ärztlichen Personals ist so bemessen, dass die ärztliche Versorgung der Patientinnen und Patienten jederzeit gewährleistet ist. Anzahl und Qualifikation der Medizinalfachpersonen sind den jeweiligen Anforderungen angepasst. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten ist zu jeder Zeit sichergestellt, auf jeder Station ist mindestens eine ausgebildete Pflegefachkraft ständig anwesend. Im KMV besteht die ständige pflegerische Mindestbesetzung auf den Stationen von der KhsVO abweichend aus Sicherheitsgründen aus zwei Pflegekräften . Die Pflegedienstleiterin verfügt über eine entsprechende Zusatzqualifikation. 6. Wie stellt sich die Fluktuation der Mitarbeiter *innen, die im therapeutischen Bereich beschäftigt sind, innerhalb der letzten 24 Monate monatlich dar? (Bitte sowohl für Personalwechsel zwischen den Fachbereichen innerhalb des KMV als auch für Fälle angeben, bei denen Mitarbeiter*innen aus Beschäftigungsverhältnissen im KMV ausscheiden.) Zu 6.: Die gewünschten Angaben können nachfolgender Tabelle entnommen werden: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 484 4 Zugänge Abgänge Bestand Monatsende intern extern gesamt intern extern gesamt Apr 14 14 Mai 14 1 1 13 Jun 14 13 Jul 14 13 Aug 14 13 Sep 14 13 Okt 14 13 Nov 14 13 Dez 14 1 1 14 Jan 15 1 1 13 Feb 15 1 1 14 Mrz 15 14 Apr 15 14 Mai 15 1 1 13 Jun 15 13 Jul 15 1 1 14 Aug 15 14 Sep 15 14 Okt 15 14 Nov 15 1 1 13 Dez 15 1 1 14 Jan 16 1 1 13 Feb 16 13 Mrz 16 1 1 14 7. Wie hoch ist der Krankenstand der Mitarbeiter *innen, die im therapeutischen Bereich beschäftigt sind? (Bitte über den Zeitraum der letzten 24 Monate darstellen .) Zu 7.: Für den Zeitraum April 2014 bis März 2015 betrug der Krankenstand im therapeutischen Bereich 5,23 %, welcher damit deutlich unter den Durchschnittswerten des Landes Berlin liegt. 8. Hat der Senat Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Maßregelvollzug im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zum Pflegenotstand (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. Januar 2016 - 1 BvR 2980/14 - Rn. (1-26), http://www.bverfg.de/e/rk20160111_1bvr298014.html) ergriffen? Wenn ja, welche konkret und mit welchen jeweiligen Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Die angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft ausschließlich die Pflege und die in diesem Zusammenhang stehende Sicherstellung der Qualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Im KMV Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 484 5 sind keine Patientinnen und Patienten zur Pflege untergebracht . Dennoch erfolgt die Qualitätssicherung im KMV durch die Schaffung einer klaren kontinuierlichen und transparenten Kommunikationskultur sowie der Personalentwicklung mittels Mitarbeiter- Vorgesetztengesprächen mit Zielvorgaben und Maßnahmen zur Entwicklung wie Fort- und Weiterbildungen. Darüber hinaus gewähren folgende Maßnahmen die Qualitätssicherung im KMV: - Kontinuierliche Weiterentwicklung des Personals im Bereich Dokumentation wie Behandlungsplanung und Pflegeplanung mittels Pflegeprozessen, - ständige Auswertung von besonderen Ereignissen durch Evaluation einer Präventionsgruppe, - Analyse der Arbeitsbedingungen gerade unter dem Aspekt der psychischen Belastung, - neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden gemäß eines abteilungsübergreifenden Einführungskonzeptes eingewiesen und betreut, - Durchführung eines Deeskalationstrainings durch speziell geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , - betriebliches Eingliederungsmanagements, - Austausch mit anderen Maßregelvollzugseinrichtungen zur Qualitätsverbesserung - Dienstplanung, die es nach Möglichkeit gewährleistet , die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern, - Maßnahmen zur Zusammenarbeit zur Förderung des Respekts, der Informationsbereitschaft, des Aufbaus von Vertrauen, Kooperation und Verantwortungsbereitschaft , - Evaluation der Maßnahmen in entsprechenden Gesprächsgremien zur Überprüfung und ggf. Korrektur der Maßnahmen. 9. Hat der Berliner Senat ähnlich wie in anderen Bundesländern ein eigenes Maßregelvollzugsgesetz als Landesgesetz initiiert? a) Wenn ja, wie ist der aktuelle Arbeitsstand eines Gesetzesentwurfs in den jeweils damit befassten Senatsverwaltungen ? b) Wenn nein, warum nicht? 10. Sieht der Senat eine Notwendigkeit für ein eigenes Berliner Maßregelvollzugsgesetz als Landesgesetz? Wenn nein, warum nicht? Zu 9. und 10.: Bereits das aktuelle Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG) vom 08. März 1985 (GVBl. S. 586), zuletzt durch Artikel III Nummer 2 des Gesetzes vom 18. September 2011 (GVBl. S. 483) geändert, regelt gleichermaßen die öffentlich-rechtliche und die strafrechtsbezogene Unterbringung von psychisch Kranken, die nach § 63 und § 64 des StGB sowie nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) untergebracht sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 46 PsychKG). Da die Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung und des Maßregelvollzugs in einem engen inneren Zusammenhang stehen, werden sie – wie bisher im Land Berlin auch – innerhalb des vorliegenden Entwurfs des „Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG)“ zusammen aufgeführt. Den Besonderheiten des Maßregelvollzugsrechts wird – ergänzend zum aktuellen Gesetz für Psychisch Kranke – in einem eigenen Gesetzesteil zusätzlich und insoweit verstärkt Rechnung getragen. Im Übrigen ist die Lage bezogen auf die Bundesländer nicht homogen; 6 Bundesländer haben - wie Berlin - ein gemeinsames Gesetz, wobei anzumerken ist, dass das Land Hessen kein PsychKG hat und das Saarland ein separates Gesetz zum Vollzug der der freiheitsentziehenden Maßregeln, da hier die Zuständigkeit im Bereich des für das Justizwesen zuständigen Ministeriums verortet ist. 11. Auf welchen gesetzlichen Grundlagen erfolgt die Unterbringung und Behandlung der Patient*innen im Maßregelvollzug jeweils? Zu 11.: Im Land Berlin werden • die freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung gem. § 61 Nr.1 (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) und 2. (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) des StGB; • die vorläufige Unterbringung nach § 126 a der StPO; • und die Maßregeln der Besserung und Sicherung nach § 7 des JGG in Verbindung mit § 63, 64 des StGB im Krankenhaus des Maßregelvollzugs – Krankenhausbetrieb des Landes Berlin (KMV) vollzogen. Der Vollzug der Unterbringung und somit auch die Behandlung der Patientinnen und Patienten richtet sich nach Landesrecht – in diesem Fall nach dem Gesetz für Psychisch Kranke – soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen (§ 138 Absatz 1 Satz 1 StVollzG). 12. Aus welchen konkreten Gründen werden Behandlungspläne und Stellungnahmen zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren den untergebrachten Patient*innen nicht zur Kenntnisnahme ausgehändigt? 13. Ist der Senat der Auffassung, dass die Bekanntgabe der Behandlungspläne und Stellungnahmen zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren gegenüber den untergebrachten Patient*innen zur Behandlung dieser notwendig ist? Zu 12. und 13.: Der Inhalt der Stellungnahmen gem. §67e StGB zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung wird mit den Untergebrachten besprochen. Die Therapiepläne erhalten die Untergebrachten auf Wunsch in Kopie. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 484 6 14. Wie oft haben wie viele Patient*innen in den vergangenen 24 Monaten die Sprechzeiten des Patientenfürsprechers des KMV für ein Gespräch genutzt? Zu 14.: Im KMV erfolgen Besuche des Patientenfürsprechers generell nach Bedarf und vorheriger telefonischer Absprache mit diesem. Im Vordergrund der Besuche stehen bzw. standen Fragen zur Therapie, für die der Patientenfürsprecher allerdings nicht zuständig ist. Soweit sich eine Zuständigkeit ergab, erfolgte stets eine einverständliche Regelung im Gespräch mit der Patientin oder dem Patienten, der Stationsleitung und der Pflegedienstleitung bzw. der Krankenhausleitung. Detaillierte Zahlen, inwieweit Patientinnen und Patienten sich an den Patienten-fürsprecher wandten, liegen hierseits allerdings nicht vor. Berlin, den 12. Mai 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Mai 2016)