Drucksache 17 / 18 527 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 04. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Mai 2016) und Antwort Benachteiligungen von Wohnungslosen in der Verwaltungspraxis der Berliner Jobcenter Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft teilweise Sachverhalte , die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl um eine sachgerechte Antwort bemüht und hat daher die zuständige Regionaldirektion Berlin-Brandenburg (RDBB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) um Stellungnahme gebeten , die bei der nachfolgenden Beantwortung berücksichtigt ist. 1. Ist dem Senat bekannt, dass Berliner Jobcenter Anträge auf Arbeitslosengeld II von Antragsteller*innen nicht sofort annehmen, sondern Termine für die Antragsabgabe vergeben? Wenn ja, wie bewertet er diese Verwaltungspraxis ? Zu 1.: Grundsätzlich erfolgt die Antragsannahme terminiert . Dies bietet die Möglichkeit einer Klärung offener Punkte in der Antragsbearbeitung. In Notfällen besteht die Möglichkeit der Sofortbearbeitung. 2. Ist dem Senat bekannt, dass von Berliner Jobcentern zunehmend eine schriftliche Begründung des Antrags auf Arbeitslosengeld II gefordert wird, und wie bewertet der Senat diese Verwaltungspraxis? Zu 2.: Dazu liegen keine Informationen vor. 3. Ist dem Senat bekannt, dass Berliner Jobcenter zunehmend ein Gespräch mit Arbeitsvermittler*innen und den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zur Voraussetzung für die Prüfung eines Antrags auf Arbeitslosengeld II machen, und wie bewertet der Senat diese Verwaltungspraxis? Zu 3.: Die zeitnahe Beratung von Kundinnen und Kunden verbunden mit schnellem Ergreifen integrationsrelevanter Aktivitäten ist zentrale Aufgabe der Jobcenter. Das Erfordernis einer zeitnahen Beratung ergibt sich aus § 1 Abs.1 SGB II, wonach die Leistungen der Grundsicherung u.a. darauf auszurichten sind, die Dauer der Hilfebedürftigkeit zu verkürzen oder den Umfang der Hilfebedürftigkeit zu verringern. Die Arbeitsvermittlung ist sogar gesetzlich verpflichtet, bestimmten Antragstellern unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit anzubieten (§ 15 a SGB II). Rechtlich nicht zulässig wäre, ein Gespräch in der Arbeitsvermittlung und den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zur Voraussetzung für die Prüfung eines Antrags auf Arbeitslosengeld II zu machen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass in den Berliner Jobcentern in der beschriebenen Weise verfahren wird. 4. Ist dem Senat bekannt, dass Sachbearbeiter*innen in den Berliner Jobcentern die Annahme unvollständiger Anträge auf Arbeitslosengeld II wiederholt verweigern, und wie bewertet der Senat diese Verwaltungspraxis? Zu 4.: Die Jobcenter sind grundsätzlich gehalten, Anträge vorläufig zu bewilligen, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Antragsteller die Umstände, die einer abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten haben. Fehlende Daten sind grundsätzlich vor der Bewilligung zu erheben. 5. Ist dem Senat bekannt, dass Wohnungslose häufig nicht über alle notwendigen Unterlagen zur vollständigen Antragstellung verfügen, diese erst neu beschafft /beantragt werden müssen und dies bei der o.g. Verwaltungspraxis der Berliner Jobcenter zum deutlich erhöhten Zeitverzug der Bewilligung von Anträgen führt, und wie bewertet er dies? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 527 2 Zu 5.: Dazu liegen keine Informationen vor. Die ggf. vorläufige Bewilligung von Anträgen setzt ein Mindestmaß an Angaben und Unterlagen voraus (siehe Antwort zu Frage 4). 6. Anerkennt der Senat die Möglichkeit der zuständigen Behörde, nach § 16 Sozialgesetzbuch (SGB) I in Verbindung mit § 37 SGB II im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach §§ 60ff SGB I die notwendigen Unterlagen einzufordern und damit der Antragszeitpunkt sichergestellt und mit der vorläufigen Bearbeitung begonnen werden kann? 7. Wenn ja, sieht der Senat darin einen Weg, um die Bewilligung dringend benötigter Arbeitslosengeld-II- Leistungen zu beschleunigen, und was wird er tun, um hier positiv Einfluss zu nehmen? Zu 6. und 7.: Die Antragsbearbeitung in den Jobcentern beginnt, sobald dort eine Antragstellung bekannt wird und ist mithin Tag der Antragstellung (§ 37 SGB II). 8. Welche Rechtmäßigkeit ist Grundlage für die Praxis der Jobcenter gegenüber Wohnungslosen, zuerst die Kostenübernahme des Bezirksamtes über die Betreuung nach §§ 67f SGB XII einzufordern, selbst wenn die Wohnungslosen bereits ein Wohnungsangebot für eine Trägerwohnung vorlegen können und damit doch erneut die Bearbeitung des Antrages und die Bewilligung des für den Lebensunterhalt benötigten Existenzminimums verzögert wird? Zu 8.: Die Koppelung von Kostenübernahme und Bereitstellung einer Trägerwohnung ist sachgerecht, da sonst die Durchführung der Maßnahme nach § 67 SGB XII gefährdet ist. 9. Ist dem Senat bekannt, dass die Berliner Jobcenter bei Arbeits- bzw. Ausbildungsaufnahme von Leistungsberechtigten sofort die Zahlung der Arbeitslosengeld-II- Leistungen einstellen, was fatale Auswirkungen (u.a. Mietschulden) haben kann, weil die Jobcenter den erhöhten Verwaltungsaufwand bei etwaigen Rückforderungen scheuen, und wie bewertet der Senat diese Verwaltungspraxis ? Zu 9.: Ob und zu welchem Zeitpunkt und ggf. mit welchen Übergangsleistungen die Grundsicherungsleistungen bei einer Veränderung der Verhältnisse eingestellt werden, hängt von zahlreichen Umständen des Einzelfalls ab. Je genauer die Angaben der Kunden zu Umständen der Arbeits- oder Ausbildungsaufnahme sind (z.B. Beleg zum Zeitpunkt der Lohnzahlung), desto besser kann der Übergang gestaltet werden. 10. Hat der Senat Lösungsvorschläge, etwa im Rahmen der Erarbeitung der Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe Berlins, für die fatalen Auswirkungen (u.a. Mietschulden ) bei sofortiger Einstellung der Leistungen durch die Jobcenter bei Arbeits- bzw. Ausbildungsaufnahme von Leistungsbezieher*innen? Zu 10.: Die Vermeidung von Wohnungslosigkeit liegt im besonderen Interesse des Berliner Senates. Von Wohnungslosigkeit bedrohte und betroffene Menschen werden deshalb als Zielgruppe mit besonderen Bedarfen anerkannt . Aus diesem Grund beabsichtigt der Senat, im Rahmen des Fortschreibungsprozesses der Leitlinien Wohnungslosenhilfe/-politik die Kommunikationsstrukturen zwischen den Bezirken und den Jobcentern zu stärken . Dabei sollen auch die Regelungen zur Mietschuldenübernahme besonders betrachtet werden. 11. In welchen Berliner Jobcentern gibt es derzeit Fachteams mit wie vielen Mitarbeiter*innen (in Vollzeitäquivalenten ) jeweils für die Personengruppe der Wohnungslosen ? Zu 11.: Die Organisation von Fachteams liegt nach § 44 c SGB II in dezentraler Verantwortung der Jobcenter . Hierzu liegen keine Informationen vor. 12. Gibt es interne Weisungen, Hinweise oder Arbeitshilfen zu wohnungslosen Leistungsbezieher*innen in den Berliner Jobcentern? Wenn ja, bitte auflisten und im Originalwortlaut beifügen. Zu 12.: Es liegen jenseits der Zuständigkeitsvereinbarung für wohnungslose Menschen sowie der Fachlichen Weisungen zu § 7 SGB II (Rz 7.135 sowie Anlage 2) keine Informationen zu Weisungen, Hinweisen oder Arbeitshilfen vor. Berlin, den 18. Mai 2016 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Mai 2016)