Drucksache 17 / 18 537 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 10. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mai 2016) und Antwort Ohne Schulplatz kein vergünstigter Zugang zum ÖPNV? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Ansprüche haben junge Flüchtlinge, die mit ihren Angehörigen in Gemeinschaftsunterkünften leben, auf einen vergünstigten Zugang zum ÖPNV? Zu 1.: Ab dem Zeitpunkt ihrer Registrierung erhalten junge Flüchtlinge für einen Zeitraum von drei Monaten das Welcome-to-Berlin-Ticket. Im Anschluss daran können junge Flüchtlinge auf der Grundlage des berlinpass das Berlin-Ticket-S zu einem Preis von 36,00 Euro monatlich erwerben. Soweit die jungen Flüchtlinge nach Ablauf der drei Monate bereits eine Schule besuchen, erhalten sie den berlinpass-BuT mit Hologramm, um damit bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) das ermäßigte Schülerticket erwerben zu können. 2. Wie erklärt der Senat, dass vielen jungen schulpflichtigen Geflüchteten monatelang ein Schulplatz verwehrt wird und damit auch der Zugang zu einem Schülerticket bzw. einem ermäßigten Schülerticket als BuT- Leistung nicht möglich ist? Zu 2.: Es ist nicht zutreffend, dass jungen schulpflichtigen Geflüchteten ein Schulplatz verwehrt wird. Vielmehr wird seitens der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft alles getan, um eine schnelle Aufnahme in die Schule sicherzustellen. Dass es dennoch in bestimmten Regionen zu Wartezeiten auf einen Schulplatz kommt, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in der Umgebung von Großeinrichtungen die vorhandenen Platzkapazitäten ausgeschöpft waren, oder Wartezeiten bezüglich der Gesundheitsuntersuchung entstanden. Wartezeiten auf einen Schulplatz an einem Oberstufenzentrum wurden durch einen zahlenmäßig nicht gleich zu bewältigenden Zustrom von über 2.000 Jugendlichen Anfang des Jahres 2016 verursacht. 3. Zu welchen Leistungen berechtigt der berlinpass junge Geflüchtete im Hinblick auf die vergünstigte ÖPNV-Nutzung unabhängig vom Schulbesuch? Zu 3.: Der berlinpass berechtigt die jungen Geflüchteten - unabhängig vom Schulbesuch - zum Erwerb des Berlin-Ticket-S bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Voraussetzung für den Erhalt dieses vergünstigten Tickets ist allein der Bezug von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). 4. Unter welchen Voraussetzungen können junge Geflüchtete , die mit ihren Angehörigen in Gemeinschaftsunterkünften leben, das „Welcome-to-Berlin-Ticket“ zumindest bis zur Zuweisung eines Schulplatzes über drei Monate hinaus nutzen? Zu 4.: Im Zuge der Registrierung erhalten alle Mitglieder einer Familie obligatorische Welcome-to-Berlin- Tickets für drei Monate, welche mit ihren Geldleistungen nach dem AsylbLG verrechnet werden. Die Ausgabe der Tickets vor Ort sowie die entsprechende Finanzierung ist vertraglich zwischen Verkehrsunternehmen und dem Land Berlin vereinbart, eine Verlängerung der Welcometo -Berlin-Tickets ist nicht möglich. Nach Ablauf der Welcome-to-Berlin-Tickets gilt der freiwillige Fahrscheinerwerb ; in den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist hierfür ein entsprechender Mobilitätsbeitrag vorgesehen. 5. Welche Absprachen hat der Senat mit der BVG und der S-Bahn Berlin im Hinblick auf Kulanzregelungen getroffen, wenn junge schulpflichtige Flüchtlinge ohne Schulplatz bei der Nutzung des ÖPNV ohne gültigen Beförderungsausweis angetroffen werden? Zu 5.: Es gelten bei Feststellungen von Fahrgästen ohne gültigen Fahrausweis grundsätzlich die Regelungen des VBB-Tarifs, d. h. es wird eine Zahlungsaufforderung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 537 2 über das Erhöhte Beförderungsentgelt (EBE) sowie ein Informationsblatt ausgegeben. Wenn für den Zeitpunkt der Feststellung einer der oben genannten Fahrscheine und ggf. der berlinpass vorhanden ist, muss dies innerhalb einer Woche beim EBE-Kundenbüro der Verkehrsunternehmen nachgewiesen werden. Das erhöhte Beförderungsentgelt ermäßigt sich in diesem Fall auf 7,00 EUR. Wenn es sich um Geflüchtete handelt – unabhängig von Alter und Schulpflicht – die nicht im Besitz eines gültigen Fahrscheins waren, wird eine Einzelfallprüfung angeboten. Der konkrete Sachverhalt kann entweder bei persönlicher Vorsprache im EBE-Kundenbüro erläutert oder, wenn eine persönliche Kontaktaufnahme nicht möglich sein sollte, schriftlich an das EBE-Kundenbüro zur Prüfung gesendet werden. In jedem Fall ist umgehend Kontakt zum jeweiligen EBE-Büro aufzunehmen, um die Erhebung von Mahnkosten zu vermeiden. Diese und weitere Informationen zum Umgang mit EBE-Fällen wurden im April dieses Jahres mit einem Rundschreiben an die Betreiberinnen und Betreiber von Flüchtlingsunterkünften versandt. Das Rundschreiben beinhaltete ebenfalls einen Vordruck für die schriftliche Kontaktaufnahme mit den EBE-Büros und S-Bahn. Kulanzentscheidungen vor Ort im Rahmen der Fahrausweisprüfung durch Kontrollpersonale können nicht erfolgen, dies ist ausschließlich durch das Personal in den EBE-Büros möglich. 6. Welche Folgen kann es unter Umständen für die Entscheidung über den Aufenthaltsstatus eines jungen schulpflichtigen Flüchtlings haben, wenn er bei Kontrollen mehrfach ohne gültigen Fahrausweis angetroffen wurde? Zu 6.: Das Fahren ohne gültigen Fahrschein wird nach § 265a StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Aufgrund des vergleichsweise geringen strafrechtlichen Gewichts der Norm und der besonderen Schutzvorschriften für Flüchtlinge werden derartige Rechtsverstöße in der Regel keine Folgen für den Status eines Flüchtlings haben. Im speziellen Fall eines jungen schulpflichtigen Flüchtlings dürfte zudem die für die Annahme eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses maßgebliche Freiheitsstrafe von einem Jahr auch bei wiederholter Tatbegehung kaum verhängt werden. Allenfalls im Falle einer anstehenden Verlängerung eines humanitären Aufenthaltstitels könnten entsprechende Verurteilungen unter Umständen als Titelversagungsgrund relevant werden. 7. Was wird der Senat tun, um jungen Geflüchteten schnellstmöglich einen Schulplatz zuzuweisen und damit Zugang zu einer vergünstigten Nutzung des ÖPNV zu verschaffen und welche Übergangsregelungen wird er schaffen, um bis zur Zuweisung eines Schulplatzes Mobilität zu vergünstigten Preisen zu sichern? Zu 7.: Um allen schulpflichtigen Geflüchteten schnellstmöglich einen Schulplatz sicherzustellen, wurden , wie im Masterplan formuliert, folgende Maßnahmen eingeleitet: Angepasste Beschulungsangebote können künftig zudem im Umfeld von Großeinrichtungen (über 2.000 Geflüchtete ) erfolgen, die durch die Ballung von Kindern im schulpflichtigen Alter in bestimmten Wachstumsregionen Berlins eine Aufnahme in die vorhandene schulische Infrastruktur kurzfristig nicht möglich machen. In einem abgestuften Verfahren kann a) die Frequenz in den regional betroffenen Willkommensklassen dauerhaft auf maximal 15 erhöht werden (bei gleichbleibender Zumessungsfrequenz von 12), sofern die räumlichen Gegebenheiten dies zulassen, b) ein Zweischichtbetrieb eingeführt werden, c) bei Vollauslastung der umliegenden Schulen die Anmietung von geeigneten Filialräumen außerhalb der Einrichtung erfolgen, d) die Beförderung zu weiter entfernten Schulen durchgeführt und e) in Ausnahmefällen nach Ausschöpfen aller anderen Optionen auf Räumlichkeiten innerhalb der Großeinrichtung zurückgegriffen werden. Die Beschulungsangebote sind als soziale Infrastruktur der Einrichtung zu finanzieren und die Angebote als Filialbetrieb einer öffentlichen Schule vorzuhalten. Übergangsweise bis zur Zuweisung eines Schulplatzes können die leistungsberechtigten schulpflichtigen Flüchtlinge nunmehr zeitnah über die Leistungen der sozialen und kulturellen Teilhabe im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) das ermäßigte Schülerticket bei den Berliner Verkehrsbetrieben erwerben. Sofern die jungen schulpflichtigen Flüchtlinge für die Wahrnehmung konkreter Angebote der sozialen und kulturellen Teilhabe (z. B. Deutschkurse, Sportangebote) auf die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen sind, können sie unabhängig vom Schulbesuch das ermäßigte Schülerticket in Kürze erwerben. BVG und S-Bahn Berlin haben sich bereit erklärt, in diesen speziellen Fällen – zusammen mit dem berlinpass-BuT mit Hologramm – eine gesonderte Bescheinigung als Ersatz für den Schülerausweis I anzuerkennen und das ermäßigte Schülerticket bereitzustellen. Berlin, den 26. Mai 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Mai 2016)