Drucksache 17 / 18 555 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE) vom 12. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mai 2016) und Antwort Flüchtlingsunterkunft Storkower Straße 118 = Abkehr von Czajas „Paradigmenwechsel“? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wer ist Eigentümer*in des Objektes in der Storkower Straße 118 in Pankow, welches zukünftig zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden soll? Zu 1.: Das Grundstück befindet sich in Privateigentum. Die erforderlichen Daten sind dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) bekannt. Eine Veröffentlichung der Eigentümerdaten ist nach der Grundbuchordnung nicht vorgesehen. 2. Wer ist Bauende*r/Herrichtende*r des Objektes in der Storkower Straße 118, welches zukünftig zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden soll? Zu 2.: Derzeit ist die STK 118 Immobilien GmbH Mieterin des Objektes Storkower Straße 118 und richtet dieses Objekt nach den Anforderungen des LAGeSo als Gemeinschaftsunterkunft her. Es handelt sich um eine für das Land Berlin unverbindliche bauliche Vorleistung der derzeitigen Mieterin, die als Alternativkonzept zur Gemeinschaftsunterkunft für die Unterbringung von Flüchtlingen das Objekt auch als Hostel nutzen könnte. Das Land Berlin beteiligt sich nicht an den Baukosten. Für den Fall, dass das Land Berlin einen Mietvertrag mit der Eigentümerin abschließt, ist geregelt, dass der Mietvertrag vorab mit der derzeitigen Mieterin beendet wird. Die Eigentümerin verpflichtet sich in dem Mietvertrag mit dem Land Berlin, den Mietgegenstand - entsprechend der vorgelegten Ausbaubeschreibung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Müller & Simon Architekten vom 01.03.2016 - fertiggestellt für den Mietzweck als Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge zu übergeben. 3. Welche Art von Unterkunft (Sammelunterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung, Gemeinschafts-/Notun-terkunft oder Appartements/Wohnungen) soll in den Gebäude(teile)n des Objektes in der Storkower Straße 118 für welchen Personenkreis jeweils geschaffen werden? Zu 3.: Das Objekt soll als Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge mit einer maximalen Kapazität von 477 Plätzen genutzt werden. Es liegt eine detaillierte Raumplanung für eine mögliche Belegung vor. Eine Konkretisierung auf einen bestimmten Personenkreis ist bisher nicht erfolgt. 4. Wann, nach welcher Vergabeart und mit welchem Ergebnis ist das Vergabeverfahren zur Beauftragung des Betriebs der Flüchtlingsunterkunft in der Storkower Straße 118 durchgeführt worden? 5. Wie viele Heimbetreiber*innen haben sich beworben und nach welchen Kriterien ist ein*e Heimbetreiber*in ausgewählt worden? Zu 4. und 5.: Im Hinblick auf eine zu diesem Zeitpunkt noch geplante Belegung zum 01.05.2016 und die dadurch gegebene Dringlichkeit wurde im März 2016 eine freihändige Vergabe eingeleitet: Am 10.03.2016 wurden fünf potenzielle Betreiberinnen und Betreiber durch die im LAGeSo angesiedelte Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) zwecks Abgabe eines Angebots angeschrieben. Auf diese Aufforderung gingen drei Angebote ein. Das Vergabeverfahren wurde jedoch am 07.04.2016 unter Hinweis auf § 17 Absatz 1 Buchstabe d der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) aufgehoben. Diese Aufhebung wurde erforderlich, weil seitens der Eigentümerin /Vermieterin auf eine Mitbestimmung bei der Betreiberauswahl bestanden wurde, weshalb eine Vergabe an eine andere Betreiberin/einen anderen Betreiber nicht erfolgen konnte. Dieses Verlangen fand auch Eingang in die Mietvertragsverhandlung durch die BIM GmbH. 6. Wann ist die STK118 Immobilien GmbH als Heimbetreiber *in der Flüchtlingsunterkunft in der Storkower Straße 118 beauftragt worden (vgl. Drs. 17/18290, S. 2)? Zu 6.: Eine Beauftragung hat bisher nicht stattgefunden. Derzeit wird geprüft, ob STK 118 Immobilien GmbH einen wirtschaftlichen Heimbetrieb realisieren kann. 7. Welche Referenzen als Heimbetreiber*in zur Unterbringung von Flüchtlingen hat die beauftragte STK118 Immobilien GmbH dem Senat gegenüber vorweisen können? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 555 2 Zu 7.: Referenzen über den Betrieb einer Flüchtlingsunterkunft können nicht vorgelegt werden, da es sich um ein insoweit bisher nicht im Bereich der Flüchtlingsunterbringung tätiges Unternehmen handelt. Allerdings würde der Marktzugang für neu in dieser Branche tätige Unternehmen im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot nach § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unzulässig erschwert werden, wenn nur alteingesessene Betreiberinnen und Betreiber ausgewählt würden. Daher kann und muss die Eignungsprüfung auf andere Weise erfolgen, etwa – wie in der VOL/A geregelt – durch Vorlage entsprechender Eigenerklärungen. Zudem gelten für jede Betreiberin und für jeden Betreiber gleichermaßen die vertraglich verpflichtend vereinbarten Qualitätsanforderungen und Leistungsbeschreibungen des LAGeSo, so dass sichergestellt wird, dass nur geeignetes Personal für die Betreuung der untergebrachten Personen eingesetzt wird. 8. Trifft es zu, dass der Senat im Falle des Objektes in der Storkower Straße 118 in Pankow von seinem „Paradigmenwechsel “, das heißt der durchgehenden Trennung von Immobilienbesitz , Bau und Heimbetrieb abgerückt ist? Wenn ja, warum ? Zu 8.: Mit dem von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales initiierten und vom Senat am 09.09.2014 beschlossenen Paradigmenwechsel ist vorgesehen, für die Schaffung dringend benötigter zusätzlicher Unterkünfte stärker als in der Vergangenheit geeignete landeseigene Immobilien und Grundstücke zu nutzen und diese für die Unterbringung von Flüchtlingen zu ertüchtigen. Damit wird vor allem auch das Ziel verfolgt, sich perspektivisch von der Abhängigkeit privatwirtschaftlicher Anbieterinnen und Anbieter derartiger Objekte lösen zu können und die Chancengleichheit bei der Vergabe des Betriebs solcher Einrichtungen für freigemeinwirtschaftliche Träger zu verbessern . Mit den im Masterplan Integration und Sicherheit dargestellten Maßnahmen zum Ausbau der Kapazitäten in langfristiger Unterbringung sowie der Einrichtung weiterer temporärer Unterkünfte wird der Senat der als Paradigmenwechsel bezeichneten Programmatik vollumfänglich gerecht. Abhängig vom Bedarf an zusätzlich zu schaffenden Kapazitäten , die für die bedarfsgerechte Unterbringung aller in Berlin aufgenommenen Asylbegehrenden und Flüchtlinge unter Berücksichtigung der sehr hohen Zuzugszahlen insbesondere im Jahr 2015 benötigt werden, kann es sich aber im Rahmen der Kapazitäts- und Belegungsplanung als unvermeidbar erweisen, zusätzlich auf geeignete Angebote zurückzugreifen, bei denen die Trennung zwischen Immobilienbesitz, Bau und Heimbetrieb – insbesondere wegen vom Land Berlin nicht beeinflussbarer Rahmenbedingungen wie etwa der Wahrnehmung privater Eigentumsrechte – nicht möglich ist. Vorrangige Zielsetzung ist es nämlich, auf die Nutzung von Notunterkünften und Großquartieren mit naturgemäß eingeschränkten Unterbringungsstandards künftig zu Gunsten der Wohnraumversorgung bzw. – sofern diese nicht ausreichend möglich – qualitativ hochwertigen Gemeinschaftsunterkünften verzichten zu können. Daher bedarf es gravierender Bedenken gegen die Nutzung eines dieser Zielsetzung dienenden Objekts, nur weil die in der Regel angestrebte Trennung zwischen Immobilienbesitz, Bau und Heimbetrieb im Einzelfall nicht erreicht werden kann. Diese Option bedeutet somit keine Abkehr vom Paradigmenwechsel, weil sie diesen nicht ersetzen, sondern lediglich situativ bedingt ergänzen soll. Im vorliegenden Fall hat die Eigentümerin/Vermieterin – wie vorstehend ausgeführt wurde – den Mietvertragsabschluss unter die Bedingung gestellt, die Betreiberin selbst auszuwählen. Als Betreiberin des Objektes wurde durch die Eigentümerin /Vermieterin die STK 118 Immobilien GmbH ausgewählt. Ob die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft unter diesen Konditionen erfolgen soll, wird derzeit noch von der BUL geprüft. In vergaberechtlicher Hinsicht ist eine freihändige Vergabe gemäß § 3 Absatz 5 Buchstabe l zulässig, wenn für die zu beauftragende Leistung – hier: Betrieb der vorgenannten Gemeinschaftsunterkunft – aus besonderen Gründen nur ein Unternehmen in Betracht kommt. 9. In welchen weiteren Fällen und warum erfolgte bei den seit dem 1. März 2015 neu eröffneten Flüchtlingsunterkünften keine durchgehende Trennung von Immobilienbesitz, Bau und Heimbetrieb? (Bitte nach Art der Einrichtung/Unterkunft, Kapazität , Immobilienbesitzende*r, Bauende*r, Betreiber*in und Grund aufschlüsseln.) Zu 9.: Auf die anliegende Übersicht wird verwiesen. Angaben zu den Besitzverhältnissen der betroffenen Objekte können aus den in der Antwort zu 1. genannten Gründen nicht gemacht werden. Berlin, den 01. Juni 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2016) Anlage zu Frage 9 der Schriftlichen Anfrage 17/18555 Stand: 23.05.2016 Standort Art der Einrichtung * Kapazität Plätze Betreiberin/Betreiber Storkower Straße 139c, 10407 Berlin GU 255 Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) Eschenallee, 14050 Berlin AE NB 400 PRISOD Wohnheimbetriebs GmbH (PRISOD) Am Großen Wannsee, 14109 Berlin AE NB 64 Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. (CJD) Fürstenwalder Allee, 12589 Berlin GU 150 Unionhilfswerk (UHW) Residenzstraße, 13409 Berlin GU 108 Caritasverband für das Erzbistum Berlin e. V. Pichelswerderstraße, 13187 Berlin GU 500 PRISOD Konrad-Wolf-Straße, 13055 Berlin GU 455 UHW Karl-Marx-Straße, 12043 Berlin AE NB 600 Malteser Hilfsdienst e. V. Daimlerstraße, 12277 Berlin AE NB 458 Central Aufnahmeeinrichtungen Betriebs GmbH Kiefholzstraße, 12435 Berlin AE/GU NB 122 Schwulenberatung Berlin gGmbH Paulsternstraße13629 Berlin AE NB 624 Tamaja soziale Dienstleistungen GmbH Handjerystraße, 12161 Berlin GU 50 Nachbarschaftsheim Schöneberg e. V. *) AE = Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Asylgesetz (AsylG) GU = Gemeinschaftsunterkunft nach § 53 AsylG NB = Notbelegung S17-18555 S1718555_Anlage