Drucksache 17 / 18 557 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fréderic Verrycken (SPD) vom 03. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mai 2016) und Antwort Integration der russischsprachigen Community in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie steht es um die Integration der russischsprachigen Community in Berlin, insbesondere der Spätaussiedler ? Zu 1.: Die russischsprachige Community in Berlin lebt mittlerweile zu großen Teilen in der zweiten Generation in Berlin. Ihre Integration und insbesondere die der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ist insgesamt sehr gut gelungen. Diese Zielgruppe steht im Mittelpunkt von vielen Vereinen. Alleine in Berlin gibt es 35 bilinguale Kindergärten sowie zwei bilinguale Schulen (Lomonossow Grundschule und Lew-Tolstoi-Schule). In Berlin gibt es zahlreiche Vereine dieser Zielgruppe, darunter Kultur-, Wirtschafts- und Migrantenorganisationen. Die Personen fühlen sich mittlerweile wohl in Deutschland, sprechen sowohl Russisch als auch Deutsch und nutzen die vielfältigen Angebote der Vereine. Die Integration der russischsprachigen Community war nach dem Mauerfall durchaus mit Schwierigkeiten verbunden. Zum einen sind seinerzeit insbesondere Jugendliche , die kein Deutsch konnten, negativ aufgefallen und dementsprechend in den Medien portraitiert worden. Zum anderen sind Arbeitsplätze häufig bevorzugt an die ehemaligen Ost-Berlinerinnen und -Berliner vergeben worden. Außerdem gab es in Bezug auf die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen erhebliche Schwierigkeiten . Somit wurde in vielen Fällen eine schnelle berufliche Integration erschwert. Die russischsprachige Community hat dann angefangen , eigene Vereine zu gründen, um mit unterschiedlichen Projekten und Hilfsangeboten Beratung, Begleitung und Unterstützungen zu organisieren. Die russischsprachige Community in Berlin kann heute auf ein gut funktionierendes Trägernetzwerk zurückgreifen. 2. Welche Maßnahmen/Programme werden auf Landesebene und in den Bezirken zur Integration ergriffen? Zu 2.: Integrationsmaßnahmen werden grundsätzlich herkunftsübergreifend angeboten und werden nur bei besonderem Bedarf spezifisch für eine Zielgruppe entwickelt , wie es z. B. für die in Berlin lebenden Roma- Familien über den Aktionsplan zur Einbeziehung ausländischer Roma geschieht. Daher gibt es keine speziellen Maßnahmen oder Programme auf Landes- oder Bezirksebene für die russischsprachige Community. Insgesamt werden auf Landesebene Migrantenorganisationen durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen schwerpunktmäßig unterstützt, um die gesellschaftliche Teilhabe der Migrantinnen und Migranten zu fördern. Durch das Partizipations- und Integrationsprogramm wird eine strukturelle Förderung über den Weg der Projektförderung angeboten, durch den auch u. a. der Club Dialog e.V. gefördert wird. Hierbei handelt es sich um die älteste und einflussreichste Migrantenorganisation , die für die russischsprachige Community tätig ist. Der Club Dialog wird bereits seit 1994 durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen mit unterschiedlichen Projekten gefördert. Weitere Träger werden durch einzelne Bezirke unterstützt . Zum Beispiel wird das Integrationszentrum Harmonie e. V. durch den Bezirk Tempelhof-Schöneberg gefördert. Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf wohnen die meisten Personen aus der russischsprachigen Community. Auch dort gibt es einige Vereine, die durch den Bezirk unterstützt werden, wie z. B. der Verein Vision e.V. 3. Welche Informationen und Materialien beziehungsweise Anträge in russischer Sprache sind in Behörden und Ämtern von Land und Bezirken verfügbar? Zu 3.: In den Berliner Bezirksämtern, Behörden und Regeldiensten sind im Einzelfall Materialien und Informationsbroschüren auf Russisch erhältlich. Es handelt sich aber um kein flächendeckendes Angebot. Ein flä- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 557 2 chendeckendes Angebot ist - auch aus Trägersicht - nicht erforderlich. Die Personen aus der Community, die lange in Berlin leben, sprechen Deutsch und sind zumeist nicht auf Übersetzungen angewiesen. In Einzelfällen wären Übersetzungen durchaus sinnvoll und würden bestimmte Angelegenheiten erleichtern, aber grundsätzlich decken die Angebote der Vereine und Träger die Bedarfe ab. Die Personen der russischsprachigen Community sind gut vernetzt und wissen, dass und wie sie Unterstützungen der Träger in Anspruch nehmen können. Von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen wird seit 2013 der 82-seitige Ordner „Willkommen in Berlin – Ein Infopaket für Zuwanderer“ auch in russischer Sprache veröffentlicht und für Drittstaatenangehörige über die Ausländerbehörde kostenlos verteilt. Diese kann von der Internetseite unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.berlin.de/lb/intmig/veroeffentlichungen/ willkommen-in-berlin/ Außerdem befindet sich in der Information „Integration und Migration – Ein Wegweiser für Berlin“ ein Kapitel zu den Beratungsangeboten für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Der Wegweiser kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.berlin.de/lb/intmig/service/adressen/ 4. Wie sieht der Senat die Frage der Anerkennung von Renten von Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere der jüdischen Flüchtlingskontingente? Zu 4.: Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere der jüdischen Flüchtlingskontingente erhalten eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung , wenn Beiträge in das System gezahlt wurden. Die Höhe der Rente richtet sich nach der Anzahl der gezahlten Beiträge. Des Weiteren werden Opfern, die in einem Ghetto zwangsarbeiten mussten, Leistungen nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus diesen Beschäftigungen durch die Deutsche Rentenversicherung gewährt. 5. Was kann an präventiven Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in russischsprachiger Community getan werden? Zu 5.: Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in russischsprachigen Bevölkerungsgruppen stehen wie alle menschenverachtenden Haltungen in sämtlichen Bevölkerungsgruppen im Fokus des Berliner Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus . So halten beispielsweise die Mobilen Beratungsteams „MBT Berlin“ der Stiftung SPI und „MBR Berlin“ des VDK e.V. Beratungsangebote zur Prävention menschenverachtender Tendenzen in bestimmten Bevölkerungsgruppen vor. Grundsätzlich stärken die Beratungsteams in dieser Problemkonstellation demokratische Positionen innerhalb der Community, vermitteln Demokratiekompetenzen und ermöglichen demokratische Konfliktbearbeitungen . Auch in der Bildungsarbeit des Landesprogramms wird die Situation eingewanderter Minderheiten reflektiert (Vgl. z.B. das Themenheft "Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft" der Initiative „Schule ohne Rassismus“ des Vereins „Aktion Courage e.V.“). Das Themenheft analysiert Rechtsextremismus u.a. unter Russlanddeutschen. Die Broschüre informiert über rechtsextreme Szenen und Aktivitäten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Dabei wird der Kontext der jeweiligen Einwanderungsgeschichte und die Auswirkungen der politischen Kultur in der Herkunftsgesellschaft berücksichtigt. Die wichtigsten Symbole und jugendsubkulturellen Trends werden vorgestellt. Ähnliche Angebote haben andere Bildungsprojekte in ihren Fortbildungskanon integriert. 6. Wie steht die Senatsverwaltung zu einer verstärkten Förderung von bilingualen Schulen? Zu 6.: Allen weiterführenden Schulen des Landes Berlin steht es frei, eigenverantwortliche bilinguale Bildungsangebote ab Klasse 7 einzurichten. Die Ausführungsvorschriften für bilingualen Unterricht an allgemein bildenden Schulen (ABl. S. 449 vom 9. März 2015) regeln dafür die gesetzlichen Vorgaben. Derzeit wird ein Konzept entwickelt, das das Angebot bilingualen Unterrichts an Grundschulen prüft. Das Land Berlin hat durch das in Deutschland einmalige Bildungsangebot der Staatlichen Europaschulen Berlin (SESB) ein gut entwickeltes und evaluiertes bilinguales Bildungsangebot für 9 Fremdsprachen , inkl. für Russisch. Berlin, den 01. Juni 2016 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2016)