Drucksache 17 / 18 591 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 19. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mai 2016) und Antwort Bühnen am Kurfürstendamm: Stellenwert für die Stadt, rechtlicher Status, Denkmalschutz, Stadtrendite, Perspektive… Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat den Stellenwert der Bühnen am Kurfürstendamm für Berlin in Bezug auf kulturelle Ausstrahlung, historische Bedeutung, Tourismus und Attraktivität der City West? Zu 1.: Nicht nur kulturell sondern auch stadtstrukturell zählen die traditionsreichen Bühnen am Kurfürstendamm neben der Schaubühne am Lehniner Platz zu den wichtigen Kulturstandorten am berühmten Boulevard und tragen zu dessen Attraktivität bei, weshalb sich der Senat seit Jahren für den Erhalt des Theaterstandortes einsetzt. Mit ihrem populären Programm sprechen die Bühnen am Kurfürstendamm traditionell nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner Berlins sondern auch Touristinnen und Touristen an. 2. Welchen Rechtsstatus haben die Bühnen am Kurfürstendamm derzeit in Bezug auf baulichen Bestandsschutz und Zweckbindung als kulturelle Einrichtung und wie ist dies begründet? Zu 2.: Die Bühnen am Kurfürstendamm verfügen weder über einen baulichen Bestandsschutz noch gibt es eine Zweckbindung als kulturelle Einrichtung. Es ist allerdings beabsichtigt, den Erhalt des Theaterstandorts am Kurfürstendamm über einen städtebaulichen Vertrag mit dem Investor abzusichern. 3. Seit wann und mit welcher Begründung standen die Bühnen am Kurfürstendamm unter Denkmalschutz und warum, seit wann und auf wessen Betreiben existiert dieser heute nicht mehr, obwohl eine „Aufhebung“ des Denkmalschutzes rechtlich unmöglich ist? Zu 3.: Die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm waren weder vor 1995 in der Westberliner Denkmalliste noch danach in der Denkmalliste Berlin eingetragen . Die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm gehörten ab 1977 zum „geschützten Baubereich Kurfürstendamm “. Die Zugehörigkeit zu einem geschützten Baubereich kann missverstanden worden sein. Damals war es möglich, bedeutende historische Stadträume im Westteil Berlins durch Rechtsverordnung als „geschützte Baubereiche “ auszuweisen. Mit diesen Rechtsverordnungen sollte das überlieferte Stadtbild geschützt werden. Diesem Schutzstatus unterlag auch die Bebauung am Kurfürstendamm in bestimmten Bereichen. Hiervon waren auch Teilbereiche der beiden Theater erfasst. Diese das Stadtbild eines Bereichs schützende Rechtsverordnung ist nicht mit einer Eintragung einzelner Gebäude in die Denkmalliste zu verwechseln. Geschützt werden sollte vielmehr das Stadtbild. Solange ein geschützter Baubereich rechtskräftig bestimmt war, wurde die Baudenkmalschutzbehörde über Bauvorhaben im Geltungsbereich informiert, um auch Einfluss auf die Gestaltung der Gebäude nehmen zu können, die nicht in der Denkmalliste eingetragen waren. Mit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes Berlin 1995 wurde das Instrument des geschützten Baubereichs mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren außer Kraft gesetzt, so dass bauliche Maßnahmen seit 2000 keinerlei denkmalpflegerischer Einflussnahme unterliegen . Für beide Theater existierte jedoch mit dem Verkauf des Kudamm-Karrees 1990 durch das Land Berlin an einen privaten Eigentümer eine Nutzungsbindung, die den Käufer verpflichtete, die mit den Theatern bestehenden Pachtverträge nur mit Zustimmung des Verkäufers (Land Berlin) zu kündigen. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung stand dem Verkäufer das Recht zum Wiederkauf bis August 2010 (20 Jahre nach Kaufvertragsabschluss ) zu. Durch einen 1998 abgeschlossenen Vertrag verkürzte das Land Berlin gegen Zahlung einer Summe von 2 Mio. DM diese Nutzungsbindung auf 15 Jahre (bis 2005). Die Aufhebung dieser Nutzungsbindung wird irrtümlich auch als „Ablösung vom Denkmalschutz“ begriffen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 591 2 4. Wie bewertet der Senat aus heutiger Sicht die Denkmalwürdigkeit der Bühnen am Kurfürstendamm und welche Aktivitäten zur erneuten Unterschutzstellung unternimmt er bzw. sind ihm bekannt? Zu 4.: Die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm gehen architektonisch und gestalterisch auf Entwürfe von Oskar Kaufmann aus den 1920er Jahren zurück , sie sind aber durch Kriegszerstörung und Wiederaufbau , fortlaufende Modernisierungen und Anpassungen sowie grundlegende Umbauten der 1970er Jahre mehrfach überformt. Aus diesem Grund blieben die beiden Theatersäle , die nach 1970 in den Neubaukomplex des Kudamm- Karrees integriert wurden und städtebaulich nicht in Erscheinung treten, bei der Erstellung der Denkmalliste 1995 unberücksichtigt. Beide Theater sind deshalb nicht als Denkmale geschützt. Auch im Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler , 1994 und 2000 erschienen, werden die beiden Privattheater nicht erwähnt. Angesichts der fehlenden Evidenz einer Denkmaleigenschaft , ist auch nach heutigem Kenntnisstand eine Eintragung in die Denkmalliste nicht plausibel. Oskar Kaufmann ist auf der Berliner Denkmalliste mit neun Objekten vertreten, darunter mit seinen berühmten und gut erhaltenen Theaterbauten Volksbühne, Hebbeltheater und Renaissancetheater (vgl. dazu auch Antje Hansen: Oskar Kaufmann – ein Theaterarchitekt zwischen Tradition und Moderne. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Beiheft 26, herausgegeben vom Landesdenkmalmt Berlin, 2001). 5. Wie bewertet der Senat die eigene Wirtschaftlichkeit der Bühnen am Kurfürstendamm vor dem Hintergrund der überdurchschnittlich hohen Auslastung der Plätze? Zu 5.: Die durchschnittliche Auslastung der bezahlten Plätze im vergangenen Jahr bei der Komödie in Höhe von 61% und beim Theater am Kurfürstendamm in Höhe von 51 % ist im Vergleich zu anderen Berliner Bühnen eher als zu gering, keineswegs aber als überdurchschnittlich hoch anzusehen, was sich auch auf die Wirtschaftlichkeit negativ auswirkt. 6. Wie bewertet der Senat den Beitrag der Bühnen am Kurfürstendamm zur Berliner Kultur-, Wirtschaftsund Tourismusentwicklung (Stadtrendite, Umwegrendite )? Zu 6.: Das vielfältige und hochwertige Kultur- und Veranstaltungsangebot ist ein wesentlicher Standortfaktor für Berlin. Rund 3,1 Millionen zahlende Besucherinnen und Besucher haben die öffentlich geförderten Theater, Opernhäuser, Orchester und Tanzgruppen in Berlin im vergangenen Jahr gezählt. Davon halten die Bühnen am Kurfürstendamm einen Anteil von rund 200.000 zahlenden Besucherinnen und Besuchern. 7. Aus welchen Gründen erhalten die Bühnen am Kurfürstendamm erst seit kurzem einen Landeszuschuss, der zudem weitaus geringer ist als der für vergleichbare Privattheater? Zu 7.: Der Zeitpunkt und die Höhe der institutionellen Förderung wurden durch den Beschluss des Abgeordnetenhauses zum Haushalt 2012 bestimmt. Davor erhielten die Bühnen am Kurfürstendamm zur Liquiditätssicherung zweimal im Rahmen von Projektförderungen Unterstützung durch das Land: im Jahr 2010 mit einem Betrag in Höhe von 330.000 € und im Jahr 2011 in Höhe von 1.391.500 €. 8. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass weder der Bezirk noch die Bühnen am Kurfürstendamm aufgrund der unübersichtlichen Firmenstruktur einen verbindlichen Kontakt zum Eigentümer bzw. Investor haben und was bedeutet dies für das angekündigte Bauvorhaben und das Genehmigungsverfahren? 9. Welche Kontakte und Gespräche zum bzw. mit dem Eigentümer der Bühnen am Kurfürstendamm hat der Senat mit welchen Inhalten und Zielen bisher aufgenommen , geführt bzw. geplant? Zu 8. und 9.: Sowohl der Bezirk, als auch der Senat sowie die Theaterbetreiber stehen in Kontakt mit dem Eigentümer mit dem Ziel, eine konstruktive Lösung zur Sicherung des Theaterstandorts am Kurfürstendamm zu erreichen. 10. Welche Erkenntnisse haben Senat oder Bezirk über das vom Eigentümer vorgesehene Investitionsvolumen für die Bühnen am Kurfürstendamm und dessen Vorstellungen für deren Weiterbetrieb während einer evtl. Bauzeit? Zu 10.: Hierzu liegen dem Senat keine belastbaren Informationen vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 591 3 11. Wie gedenkt der Senat den Erhalt der Bühnen am Kurfürstendamm zu unterstützen und teilt er die Auffassung , dass eine angemessene Erhöhung des Landeszuschusses den Bühnen am Kurfürstendamm überhaupt erst eine Verhandlungsposition gegenüber dem Eigentümer eröffnet, wenn nein, warum nicht? Zu 11.: Der Senat wie auch der Bezirk haben sich bereits mehrfach für den Erhalt des Theaterstandorts am Kurfürstendamm ausgesprochen – auch gegenüber dem Investor. Hinsichtlich der angemessenen Höhe der zukünftigen Förderung der Bühnen am Kurfürstendamm kann zum gegenwärtigen Planungsstand ohne vorliegende Kenntnisse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine verbindliche und belastbare Aussage getroffen werden. Berlin, den 01. Juni 2016 In Vertretung Tim Renner Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2016)