Drucksache 17 / 18 592 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Klaus Lederer und Katrin Möller (LINKE) vom 19. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mai 2016) und Antwort Qualitätssicherung und Prekaritätsvermeidung bei der rechtlichen Betreuung in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Für wie viele Menschen ist in Berlin eine Betreuung eingerichtet (bitte aufgliedern nach Amtsgerichtsbezirken )? Zu 1.: Zur Zahl der unter rechtlicher Betreuung stehenden Menschen wird von den Gerichten keine Statistik geführt. Eine ungefähre Größenordnung kann aus der Zahl der anhängigen Betreuungsverfahren gefolgert werden . Ein eingeleitetes Betreuungsverfahren führt ganz überwiegend, keinesfalls aber stets zur Anordnung einer Betreuung. Mit Stichtag zum 31.12.2015 waren bei den Berliner Amtsgerichten insgesamt 57.125 Betreuungsverfahren anhängig. Die Aufteilung der Betreuungsverfahren auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke stellt sich wie folgt dar: 2. Wie viele der Betreuten wurden zum 31.12.2015 von Berufsbetreuern betreut? Wie viele der Betreuten wurden von ehrenamtlichen Betreuern betreut und wie viele davon waren Familienangehörige? Zu 2.: Die Anzahl der bestellten ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer sowie Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer in anhängigen Verfahren stellt sich wie folgt dar: Jahr 2015 ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer 16.582 Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer 37.793 Zusammen: 54.375 Da die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer sowie Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer auch in mehreren Verfahren eingesetzt werden können, lassen sich Rückschlüsse auf die statistische Verteilung nicht ziehen. Dem Senat ist nicht bekannt, wie viele der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer Familienangehörige waren. 3. Hat es im Verlauf der vergangenen eineinhalb Jahre signifikante Veränderungen in der Struktur der Betreuung zwischen Berufsbetreuern, ehrenamtlichen Betreuern, Betreuungsvereinen bzw. Familienangehörigen gegeben und sind dem Senat ggf. die Gründe hierfür bekannt? Zu 3.: Nein. Ende 2014 stellte sich die Struktur der Betreuung bei anhängigen Verfahren wie folgt dar: Jahr 2014 ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer 17.266 Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer 38.441 Zusammen: 55.707 Amtsgericht Charlottenburg 4.671 Amtsgericht Köpenick 4.271 Amtsgericht Lichtenberg 9.182 Amtsgericht Mitte 4.399 Amtsgericht Neukölln 6.077 Amtsgericht Pankow/Weißensee 3.929 Amtsgericht Schöneberg 6.325 Amtsgericht Spandau 5.077 Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 5.122 Amtsgericht Tiergarten 4 Amtsgericht Wedding 8.068 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 592 2 4. Welche Probleme sieht der Senat bei Vereins- und Berufsbetreuung als Vertrauensberufen in Bezug auf Qualitätssicherung und Existenzsicherung und welche Konsequenzen zieht der Senat daraus? Zu 4.: Unter Leitung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) wird derzeit ein Forschungsprojekt zur Qualität der rechtlichen Betreuung durchgeführt. Der Senat wird sich eine abschließende Haltung auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchung bilden. 5. Sieht der Senat die seit 2005 unveränderten Vergütungen für Betreuung als ausreichend an, um die umfassenden Betreuungsaufgaben in der gebotenen Qualität bei existenzsichernder Lebenslage des betreuenden Personals zu gewährleisten? Wenn ja: Wie wurden die allgemeinen Kosten- und Aufgabenzuwächse in den vergangenen 10 Jahren von den Berufsbetreuern aufgefangen? Wenn nein: Welche Konsequenzen zieht der Senat daraus hinsichtlich des Vergütungsumfangs für die Betreuungsaufgaben? 6. Sieht der Senat die bestehende Zumessungspraxis für die Stundenkontingente als ausreichend an und wie kann unter den gegebenen Bedingungen die Qualität der Betreuung gesichert werden, insbesondere wenn die konkrete Betreuungssituation mit einer sehr zeitaufwendigen Aufgabenerfüllung verbunden ist, die schwerlich anderweitig ausgeglichen werden kann? Zu 5. und 6.: Die Höhe der zu zahlenden Vergütung ist bundesrechtlich im Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG) geregelt und abhängig von dem jeweiligen Stundensatz (§ 4 VBVG) und dem Stundenansatz (§ 5 VBVG). Die Regelungen in den §§ 4 f. VBVG sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2005 unverändert. Allerdings hat sich eine erhebliche Steigerung der Vergütung durch den Umstand ergeben, dass Betreuerleistungen seit dem 1. Juli 2013 von der Umsatzsteuer befreit sind (§ 4 Nr. 16 S. 1 lit k), Nr. 25 S. 3 lit c) UStG). Gegenstand des geschilderten Forschungsprojekts ist auch die Überprüfung des Vergütungssystems. Daher gilt auch insoweit die Antwort auf Frage 4. 7. Teilt der Senat die Einschätzung, dass es aufgrund der Komplexität der Aufgabe der Betreuung und der dafür erforderlichen Kompetenzen, des hohen Maßes an Verantwortung für die Lebenssituation der betreuten Menschen und angesichts der schwierigen Existenzsituation beruflich tätiger Betreuer wünschenswert wäre, die Zugangsvoraussetzungen für die Wahrnehmung beruflicher Betreuungsaufgaben sowie Fortbildung, Supervision, Assessment und Qualitätskontrolle der Aufgabenerfüllung in einem Berufsbild gesetzlich festzuschreiben? Zu 7.: Nach § 1897 Bürgerliches Gesetzbuch ist Voraussetzung nur, dass die Person geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihm in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Der Bundesgesetzgeber hat weder eine formelle Mindestqualifikation noch ein bestimmtes Berufsbild des Berufsbetreuers für erforderlich gehalten, sondern ist vielmehr davon ausgegangen, dass Angehörige verschiedener bestehender Berufsgruppen als Betreuer tätig werden. Im Rahmen des geschilderten Forschungsprojekts ist die Geeignetheit der Betreuerinnen und Betreuer ein zentraler Aspekt. Der Senat wird sich auch hierzu eine abschließende Haltung auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchung bilden. 8. Welche Herausforderungen für die rechtliche Betreuung resultieren aus der Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention, welcher Stand ist erreicht und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um diese Herausforderungen zu meistern? Zu 8.: Die Prüfung gesetzgeberischen Handlungsbedarfs aufgrund höherrangigen Rechts obliegt dem Bundesgesetzgeber . Hinweise auf Umsetzungsdefizite hat der Senat derzeit nicht. Berlin, den 03. Juni 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2016)