Drucksache 17 / 18 596 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (PIRATEN) vom 19. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mai 2016) und Antwort Kosten und (Un-)Sinn von „Rücksicht“-Kampagnen und „Radverkehrs- Kommunikationsstrategien“ des Berliner Senats Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Die 2012 als vom Bund gefördertes Modellprojekt gestartete Kommunikationskampagne „Rücksicht im Straßenverkehr“ wurde für den Zeitraum bis April 2014 wissenschaftlich evaluiert. Wie bewertet der Senat die Schlussfolgerung des entsprechenden Gutachtens, „feststellbare kampagnenbegründete Veränderungen“ des Verkehrsverhaltens und des Verkehrsklimas könnten „nicht belegt werden“ ? Frage 2: Wie kommt der Senat vor diesem Hintergrund zu seiner Interpretation, es gäbe Hinweise, „dass die Kampagne zu einem erhöhten Risikobewusstsein beträgt“ (Drs. 17/17502)? Frage 3: Welche konkreten „Hinweise“ auf und „Erkenntnisse “ über die tatsächliche Wirksamkeit der „Rücksicht “-Kampagne liegen dem Senat vor? Antwort zu 1, 2 und 3: Der Evaluationsbericht basiert auf Befragungen von insgesamt 475 Personen in Berlin, Freiburg und weiteren ausgewählten Vergleichsorten im Hinblick auf die Bewusstseins-Wahrnehmung der Kampagne . In der Evaluierung finden sich statistisch gesicherte Hinweise, dass speziell bei Radfahrenden das Risikobewusstsein in der Form von gefährlich erlebten Verkehrssituationen durch die Kampagne ansteigt. Der Evaluationsbericht stellt deutlich heraus, dass eine Repräsentativität der gewonnenen Erkenntnisse über die Stichprobe hinaus nicht besteht und eine Übertragbarkeit der Aussagen zur Kampagnenwirkungen für die Gesamtstadt Berlin nicht möglich ist. Das war allerdings auch nicht die Intention der Untersuchung. Aus der Weiterführung der Kampagne liegen deutlich positive Hinweise zur Wirksamkeit und Wahrnehmung der Kampagne in der Öffentlichkeit vor. Akzeptanz und positive Resonanz erfährt die Kampagne z. B. über die kampagneneigenen Promotionsveranstaltungen, Infostände , Preisausschreiben, Online-Auftritte, Presse sowie durch steigendes Interesse beteiligter und potentieller Sponsoren. Durch das positive Image der Kampagne und entsprechende Rückmeldungen sind zahlreiche Sponsoren auch weiterhin bereit, die Kampagne u. a. finanziell, inhaltlich und mit Sachspenden zu unterstützen. Frage 4: Welche thematischen Schwerpunkte wurden und werden in den Jahren 2015 und 2016 in der „Rücksicht “-Kampagne gesetzt? Frage 5: Welche konkreten Maßnahmen wurden aus den im Jahr 2015 zur Verfügung stehenden 209.000 Euro finanziert? (Bitte aufschlüsseln nach Maßnahme und Kosten der Maßnahme.) Antwort zu 4 und 5: Mit den unterschiedlichen Mitteln der Kommunikation soll darauf hingewirkt werden, dass • die Zahl der Unfälle mit Radfahrerbeteiligung deutlich reduziert wird, • das positive Image des Radfahrens gewahrt und möglichst gestärkt wird, • Autofahrende auf den zunehmenden Radverkehr aufmerksam gemacht und für mögliche Gefährdungssituationen sensibilisiert werden, • das Verkehrsklima im Berliner Stadtverkehr insgesamt entspannter wird. Thematischer Schwerpunkt ist die Rücksichtnahme der am Verkehr Teilnehmenden untereinander. In Broschüren , Flyern, Online, auf Promotionsveranstaltungen und Infos vor Ort werden konkrete Tipps gegeben zu kritischen und gefährlichen Verkehrssituationen, bei denen Rücksicht besonders gefragt ist. Hierbei werden nicht nur Fahrradfahrende, sondern auch alle anderen Verkehrsteilnehmende , wie Autoverkehr, Fußgängerinnen und Fußgänger, Liefer- und Busverkehr angesprochen. Hinsichtlich der Schwerpunkte der Kommunikationsmaßnahmen wurde in 2015 die gesamte Bandbreite bespielt : Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 596 2 „klassische“ Produkte (Außenwerbung, Giveaways , Flyer, Radiospots etc.) Internet und die soziale Netzwerke Zur klassischen Außenwerbung in 2015 zählten Spots an U-Bahnhöfen, Fahrzeugwerbung an Bussen und Straßenbahnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Fahrzeugbeklebung auf Velotaxis, Filmspots im Berliner Fenster (BVG), Außenbeklebung am Hauptstandort des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) Berlin , City-Light-Poster (CLPs) im Stadtgebiet von Berlin, Auslage von Citycards (Postkarten in Berliner Kinos, Restaurants und Clubs), A3-Plakate in Sanitärbereichen, Zapfsäulenwerbung und Flyer an Tankstellen. Weitere Aktivitäten waren: - Print-Medien und Online-Auftritten (z. B. redaktionelle Beiträge Berliner Zeitung, Berliner Kurier, Studentenmedien , ADAC Mitarbeitermagazin Berlin, ADFC Radzeit & Fahrradstadtplan, Unfallkasse Berlin Seminarprogramm ), - Radiospots (JAM FM), - Facebook, - Weitere Online-Auftritte: www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr und www.berlin-nimmt-rücksicht.de, - Promotionen (Veranstaltungen: Messen, Events, Hochschule), - Give-Aways für den Rücksicht-Info-Stand für Promotionsveranstaltungen (wie Fahrrad- Beleuchtungssets, Warnwesten, Fahrrad-Klackbänder, Kugelschreiber, Fahrrad-Trinkflaschen). In 2015 wurden im Rahmen von Veranstaltungen folgende Promotionen durchgeführt: Fahrradmesse Velo Berlin (21./22.03.), Velothon (30./31.03.), Unfallprävention Polizei (25./26.04.), Tempelhofer Feld Event „Ich fahr mit Herz“ (09.05.), Nationaler Radverkehrskongress (18.05.), Umweltfestival (14.06.), Reinickendorfer Verkehrssicherheitstag (29.08.), Tag der offenen Tür BMVI (30./31.08.), Tag der offenen Tür der Polizei (07.09.), Uni-Promotionen (28.10. FU Berlin, 29.10. Humboldt- Universität Berlin, 30.10. TU Berlin). Hierzu wurden in 2015 209.000 € (anteilige Sponsoren -Mittel 74.000 €) aufgewendet. Nicht enthalten in den 209.000 € sind hingegen umfangreiche nicht in Rechnung gestellte Sponsorenleistungen (Medienleistungen) und von Sponsoren zur Verfügung gestellte Sachpreise für Preisausschreiben. Aus den Mitteln finanziert wurde die Unterstützungsleistung durch eine Agentur und sogenannte Fremdleistungen in Höhe von rund 120.000 € (für externe Media-Leistungen, Promotionsveranstaltungen, Produktion von Give-aways, Honorare). Frage 6: Welche konkreten Maßnahmen werden im Jahr 2016 im Rahmen der Kampagne durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Maßnahmen und Kosten der Maßnahme .) Antwort zu 6: Das geplante Budget für 2016 mit rund 110.000 € liegt unter dem Ansatz von 2015, Die Sponsoren -Mittel liegen bisher bei ca. 34.000 €. Die Maßnahmen für 2016 sind noch nicht abschließend fixiert. Sie werden mit der gleichen Intention wie 2015 erfolgen, aber aufgrund des Budgets mit Schwerpunktsetzungen . Bereits erfolgt ist die Promotion bei der VELOBerlin 2016 (April 2016), aktuell sind die City- Light-Poster (CLPs) im Stadtgebiet von Berlin geschaltet, deren Medienzeiten über den Sponsor sichergestellt werden . Frage 7: Mit welchen konkreten Maßnahmen klärt der Senat im Rahmen der „Rücksicht“-Kampagne Autofahrer *innen über die bestehenden Rechte von Fußgänger *innen und Radfahrer*innen auf? Antwort zu 7: Inhalt und Ziel der Rücksicht- Kampagne ist nicht, Verkehrsteilnehmende über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Hinweise hierzu werden über andere Medien und Kanäle sichergestellt (bspw. über die Verkehrsinformationstafeln der Verkehrsinformationszentrale (VIZ), die bspw. auf den notwendigen Abstand beim Überholen hinweisen, u.ä.). Frage 8: Wann und aus welchem Anlass begannen die Planungen, Aufträge zur „Erarbeitung einer Kommunikationsrichtlinie “ und zu einer „langfristigen Radverkehrs- Kommunikationsstrategie“ auszuschreiben? Frage 9: Aus welchen Gründen werden nach Auffassung des Senats die bisher unternommenen Projekte und Maßnahmen der Radverkehrsförderung „nur sehr gering“ oder auch gar nicht wahrgenommen? Frage 10: Welchen konkreten Nutzen haben tatsächliche oder potenzielle Radfahrer*innen von einer öffentlich finanzierten Kampagne zur Radverkehrsförderung des Berliner Senats? Antwort zu 8, 9 und 10: Die grundsätzliche Überlegung die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Radverkehr zu intensivieren, wurde in den letzten Jahren mit den Beteiligten im Beratungsgremium FahrRat immer wieder diskutiert . Neben der üblichen Öffentlichkeitsarbeit bestand zusätzlich der Wunsch, das Thema Radfahren in Berlin stärker als bisher öffentlich zu besetzen und zu fördern. Gute Beispiele sind u.a. die Rücksichtkampagne (thematisch auf Verkehrssicherheit fokussiert) und das Münchner Radverkehrs-Kampagnen-Beispiel (Radlhauptstadt München). Letzteres Beispiel wurde im vergangenen Jahr im Rahmen des FahrRats vorgestellt und von den Beteiligten des FahrRats als erstrebenswert für Berlin befunden . Mit der geplanten Kommunikationsstrategie geht es u.a. darum, eine stärkere Sichtbarkeit der gesamten Thematik „Radfahren in Berlin“, die Möglichkeit zur Identifikation mit diesem Thema und die Miteinbeziehung und aktive Teilhabe von Bürgerinnen und Bürger an der Thematik Radverkehr zu schaffen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 596 3 Die Kommunikation zum Radverkehr ist dabei als vielschichtiger, insbesondere sozio-kultureller Prozess zu verstehen, der das allgemeine Ziel verfolgt, über eine integrierte Förderung und geeignete Kommunikationsmaßnahmen die Verstärkung und Etablierung einer „Rad- Kultur“ in allen Bereichen in Berlin zu schaffen. Es geht insbesondere darum, eine positive Wahrnehmung der Fahrradmobilität darzustellen, um so eine langfristige Veränderung der Mobilitätsgewohnheiten bewirken zu können. Dies kann nur durch vielfältige Angebote und entsprechende Kommunikation dieser mit positiven Botschaften erzielt werden. Wie oben bereits angedeutet, zeigen darüber hinaus die Erfolge bereits durchgeführter bzw. laufender Kampagnen aus den Städten wie München, Münster oder auch Wien und Kopenhagen sehr deutlich, dass gut geplante und nachhaltig ausgeführte Kommunikationsmaßnahmen eine sinnvolle und wichtige Ergänzung zu den weiterhin notwendigen baulichen und verkehrsordnenden Maßnahmen im Straßenraum bilden. Im Übrigen ist eine solche Kampagne auch Bestandteil der Forderungen des aktuell angelaufenen Fahrrad- Volksbegehrens, welches damit offensichtlich ebenfalls Forderungen aus den Reihen der Fahrradverbände aufgreift . Frage 11: Welche Mittel aus welchen Haushaltstiteln stehen für die in der Ausschreibung benannten Arbeitspakete bereit? Antwort zu 11: Die Mittel für diesen Dienstleistungsauftrag werden voraussichtlich aus dem Kapitel 1270 - Verkehr - Titel 540 10 - Dienstleistungen entnommen. Frage 12: Wie viele Anbieter*innen haben zum vorgesehenen Stichtag am 13. Mai 2016 Angebote für einzelne oder alle Arbeitspakete eingereicht? Frage 13: Welche konkreten Aufgaben und Arbeitsschritte sind durch den oder die Auftragnehmer*innen innerhalb des Zeitraums vom 01.07.2016 bis zum 17.09.2016 umzusetzen? Antwort zu 12 und 13: Hierzu können derzeitig keine Angaben gemacht werden, da das Vergabeverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Berlin, den 30. Mai 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Jun. 2016)