Drucksache 17 / 18 611 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 25. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Mai 2016) und Antwort Spielhallen-Flut zerstört Kieze und Menschen (XII): Qualmen ohne Folgen oder besteht das Rauchverbot in Spielhallen nur auf dem Papier? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Auf welcher Rechtsgrundlage beruht das Rauchverbot in Berliner Spielhallen und welche konkreten Vorgaben umfasst die betreffende Regelung? Zu 1.: Die Rechtsgrundlage für das Rauchverbot in Berliner Spielhallen stellt das Berliner Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Nichtraucherschutzgesetz – NRSG) dar. Danach ist das Rauchen u. a. in allen Freizeiteinrichtungen - zu denen auch Spielhallen und Spielcasinos gehören - generell verboten. Wenn in Spielhallen Speisen und/oder Getränke zum Verzehr vor Ort gewerblich angeboten werden, können die Ausnahmeregeln des NRSG für Gaststätten angewendet werden. Demzufolge können die Betreiberinnen und Betreiber von Spielhallen entweder in einem Nebenraum das Rauchen gestatten oder - wenn sie nur über einen einzigen Raum, der kleiner als 75m² groß ist, verfügen und sie auch keine vor Ort zubereitete Speisen zum Verzehr gewerblich anbieten - eine Ausnahme vom Rauchverbot beim zuständigen Bezirksamt einreichen. 2. Wie viele Verstöße gegen das Rauchverbot wurden bei Kontrollen durch Ordnungsämter sowie bei konzertierten Überprüfungsaktionen durch Kräfte der Polizei insgesamt festgestellt (bitte jahresweise Angabe für die letzten fünf Jahre)? Welcher Anteil war das bezogen auf die Anzahl festgestellter Verstöße gegen Rechtsnormen insgesamt? Zu 2.: Die statistische Erfassung der Verstöße gegen das Rauchverbot in Spielhallen gehört nicht zu den Pflichtaufgaben der Berliner Verwaltung, so dass nur einige wenige Bezirke überhaupt zu dieser Ordnungswidrigkeit Angaben machen können. Soweit die bezirklichen Ordnungsämter Verstöße gegen das Rauchverbot als explizit erfassten Tatvorwurf identifizieren können, haben sie diese für den erfragten Zeitraum zusammengestellt. So wurden in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Lichtenberg, Marzahn- Hellersdorf und Treptow-Köpenick in den Jahren von 2011 bis 2015 insgesamt 304 Verstöße gegen das Rauchverbot in Spielhallen festgestellt, die sich auf die einzelnen Jahre wie folgt verteilen: Bezirk Anzahl der bei Spielhallenkontrollen festgestellten Verstöße gegen das Rauchverbot 2011 2012 2013 2014 2015 Summe 2011 - 2015 Charlottenburg- Wilmersdorf 33 30 22 23 108 Lichtenberg 2 1 3 Marzahn- Hellersdorf 57 25 21 38 32 173 Treptow- Köpenick 6 8 4 0 2 20 Summe 63 68 56 60 57 304 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 611 2 Nach Einschätzung der Bezirke, die aufgrund ihrer statistischen Datenlage Einschätzungen vornehmen können , halten diese den Anteil der Verstöße gegen das Rauchverbot in Spielhallen für sehr gering im Vergleich zu den sonst bei den Spielhallenkontrollen festgestellten Verstößen. Lediglich die Bezirke Lichtenberg (5 %) und Marzahn-Hellersdorf (0,96 %) konnten diesen Anteil beziffern. Durch das Landeskriminalamt Berlin (LKA 33) fand eine Erfassung der Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Spielhallen erst ab 2013 statt. Daher wird erst ab diesem Zeitpunkt eine Gegenüberstellung der Zuwiderhandlungen abgebildet. Nichtraucherschutzgesetz (NRSG) Andere Ordnungswidrigkeiten (OWi) Anteil NRSG/OWi in % 2013 53 830 6,4 % 2014 36 544 6,6 % 2015 34 454 7,5 % 2016* 10 127 7,9 % * Für das Jahr 2016 wurden die Monate Januar bis Mai ausgewertet. 3. Welche Folgen haben festgestellte Verstöße gegen das Rauchverbot für Besucher einer Spielhalle, für das Aufsichtspersonal und für den Betreiber? Mit Geldbußen in welcher Höhe können Verstöße jeweils maximal geahndet werden und welche Höhe erwartet die Betroffenen nach Kenntnis des Senats in der Praxis (vor und nach Verschärfung des Berliner Spielhallengesetzes)? Zu 3.: Gegen Besucherinnen und Besucher von Spielhallen , die von den Dienstkräften der bezirklichen Ordnungsämter und/oder der Berliner Polizei dort rauchend angetroffen werden, kann nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 des NRSG ein Verwarn- oder Bußgeld in Höhe von maximal 100 € verhängt werden. Situationsabhängig können die ordnungsbehördlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese aber auch nur mündlich verwarnen bzw. sie mit einem geringeren Verwarnungsgeld für die begangene Ordnungswidrigkeit belangen. Das Regelbußgeld beträgt in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf und Lichtenberg 50 €, in Mitte 40 € und in Neukölln 35 €. Im Bezirk Mitte wird in der Mehrzahl der Fälle auf ein eigenes Bußgeldverfahren gegen rauchende Besucherinnen und Besucher von Spielhallen verzichtet, da sie als Zeugen im Verfahren gegen die Spielhallenbetreiberinnen /Spielhallenbetreiber geführt werden und sie im Falle einer eigenen Belangung für die Ordnungswidrigkeit die Aussage vor Gericht verweigern könnten, da sie sich sonst selbst belasten müssten. Ähnlich wird im Bezirk Treptow-Köpenick verfahren. Gegen das Aufsichtspersonal von Spielhallen, das den Besucherinnen und Besuchern das Rauchen in Spielhallen gestattet bzw. es ihnen nicht nachhaltig untersagt, kann in dem Fall, dass die Dienstkräfte der bezirklichen Ordnungsämter und/oder der Berliner Polizei dort rauchende Gäste antreffen, nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 des NRSG ein Verwarn- oder Bußgeld in Höhe von maximal 1.000 € verhängt werden. Situationsabhängig können die ordnungsbehördlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Aufsichtspersonal aber auch nur mündlich verwarnen bzw. sie mit einem geringeren Verwarnungsgeld für die begangene Ordnungswidrigkeit belangen. Das Regelbußgeld beträgt z. B. in den Bezirken Mitte 200 € und in Neukölln 150 €. In festgestellten Wiederholungsfällen wird in der Regel der Bußgeldrahmen von den bezirklichen Ordnungsämtern stärker ausgeschöpft. Gegen die Betreiberinnen und Betreiber von Spielhallen , die den Besucherinnen und Besuchern in ihren Spielhallen das Rauchen gestatten bzw. es ihnen nicht nachthaltig untersagen, kann in dem Fall, dass die Dienstkräfte der bezirklichen Ordnungsämter und/oder der Berliner Polizei dort rauchende Gäste antreffen, nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 des NRSG ein Verwarn- oder Bußgeld in Höhe von maximal 1.000 € verhängt werden. Situationsabhängig können die ordnungsbehördlichen Mitarbeiter-innen und Mitarbeiter die Betreiberinnen und Betreiber der Spielhallen aber auch nur mündlich verwarnen bzw. mit einem Verwarnungsgeld ohne Ausschöpfung des Maximalbetrages für die begangene Ordnungswidrigkeit belangen. In den Bezirken Lichtenberg und Neukölln beträgt das gegen die Spielhallenbetreiberinnen /Spielhallenbetreiber wegen Verstoßes gegen das Rauchverbot verhängte Mindestbußgeld 200 €, das sich im Wiederholungsfall wegen des implizierten Vorsatzes in Neukölln in der Regel verdoppelt. In Einzelfällen schöpfen die bezirklichen Ordnungsämter aber auch den maximalen Bußgeldrahmen aus bzw. veranlassen eine Eintragung im Gewerbezentralregister. Seit dem Kammergerichtsurteil (3 WS (B) 410/11 – 2 SS 132/11 336 OWi 103/10) aus dem Jahr 2011 gelten die Spielhallenbetreiberinnen/Spielhallenbetreiber auch nur dann als verantwortliche Personen, die für das ordnungswidrige Rauchen in ihren Spielhallen belangt werden dürfen, wenn sie während des ihnen zur Last gelegten Rechtsverstoßes auch tatsächlich anwesend waren; andernfalls werden anhängige Bußgeldverfahren von den Berliner Gerichten in der Regel eingestellt. Da die Novelle des Berliner Spielhallengesetzes keine Regelungen zum Rauchverbot in Spielhallen zum Inhalt hat, wird sich diese Gesetzesänderung auch nicht auf die Ahndung von Verstößen gegen das Rauchverbot auswirken können. Einzige Rechtsgrundlage für die Ahndung entsprechender Verstöße bildet das NRSG. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 611 3 4. Welche Pflichten und Auflagen bestehen für Betreiber einer Berliner Spielhalle, um nach einer Feststellung weitere Verstöße zu vermeiden? Zu 4.: Für Betreiberinnen und Betreiber einer Spielhalle gilt, wie für jeden Gewerbetreibenden, dass sie sich an geltendes Recht zu halten haben. Bei Zuwiderhandlungen können Auflagen erlassen werden. Deren Nichteinhaltung kann die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Folge haben. Bei wiederholten Zuwiderhandlungen kann die Spielhallenerlaubnis widerrufen oder zurückgenommen werden. 5. Wie werden Verstöße gegen das Rauchverbot bei Kontrollen von Spielhallen praktisch festgestellt? Wie gehen Ordnungskräfte konkret vor, wenn z.B. der Eingang zu einer Spielhalle videoüberwacht ist und ein Einlass nur nach Klingeln und längerem Warten erfolgen kann? 6. Ist es für die Verhängung eines Bußgeldes ausreichend , dass beim Betreten eindeutig Rauch in der Luft der Spielhalle festgestellt wird? Wie wird ein gefüllter Aschenbecher gewertet? 7. Entspricht es nach Kenntnis des Senats der täglichen Praxis, dass Ordnungskräfte nur dann einen Verstoß gegen das Rauchverbot in Spielhallen feststellen (dürfen), wenn das Rauchen vor Ort konkret beobachtet wird? Falls ja, wie kommt es zu dieser lebensfremden Festlegung, bei der sich jeder Spielhallenbetreiber sicherlich vor Lachen auf den Schenkel haut? Zu 5. bis 7.: Die Feststellung der Nicht-Einhaltung des Rauchverbots in Spielhallen kann nur dann rechtssicher geahndet werden, wenn die ordnungsbehördlichen Beschäftigten bei einer Kontrolle der Spielhalle die Besucherinnen und Besucher bzw. das Aufsichtspersonal oder die Spielhallenbetreiberin oder den Spielhallenbetreiber direkt beim Rauchen sehen bzw. diese auf Befragung ein ordnungswidriges Rauchen in der Spielhalle einräumen. Bloße Indizien wie rauchgeschwängerte Luft - manchmal noch überlagert mit einem sehr intensiven Geruch aus Raumsprays - oder ein mit Kippen gefüllter Aschenbecher sind für eine Ahndung nicht ausreichend, wie die Erfahrungen der bezirklichen Ordnungsämter mit Gerichtsurteilen bei Widerspruchsverfahren zeigen. Ein gefüllter Aschenbecher kann von Raucherinnen und Rauchern nach dem Genuss der Tabakwaren außerhalb der Spielhallen dort auch nur abgestellt worden sein und danach die bloße Ursache des Rauchgeruchs in der Spielhalle sein. Die Sicherheitssysteme der Spielhallen mit Videoüberwachung und Einlasskontrollen machen die Überwachung des Nichtraucherschutzes in Spielhallen nicht einfacher . 8. Werden nach Kenntnis des Senats bei Bußgeldbescheiden wegen festgestellter Verstöße gegen das Rauchverbot in Spielhallen häufig Einsprüche eingelegt und zu welcher Bewertung kommen Gerichtsurteile? Zu 8.: Die Erfahrungen mit Bußgeldbescheiden gegen Besucherinnen und Besucher ergeben, dass von diesen nur selten Widerspruch eingelegt wird, da es sich verdichtende Hinweise gibt, dass die Spielhallenbetreiberinnen und Spielhallenbetreiber wohl häufig die Kosten für die Begleichung der Bußgeldforderungen übernehmen, um ihre Stammkunden nicht zu verlieren. In Einzelfällen werden Einsprüche wegen festgestellter Verstöße gegen das Rauchverbot durch die Spielhallenaufsicht eingelegt, die sie damit begründen, dass sie als bloßes Aufsichtspersonal nicht das Hausrecht ausüben und somit der Raucherin oder dem Raucher auch nicht das Rauchen verbieten dürften. Dennoch wird in der Mehrzahl der Fälle die festgesetzte Geldbuße wegen festgestellter Verstöße gegen das Rauchverbot durch die Spielhallenaufsicht ohne Einlegung eines Rechtsmittels beglichen. Spielhallenbetreiberinnen und Spielhallenbetreiber legen vor allem dann besonders häufig Widerspruch gegen die anhängigen Bußgeldverfahren ein, wenn sie befürchten müssen, dass neben einem verhängten Bußgeld auch ein Eintrag im Gewerbezentralregister die Folge des Rechtsverstoßes sein wird. Allerdings handelt sich bei den meisten Ordnungswidrigkeitsverfahren um eine Vielzahl von festgestellten Verstößen. Umso größer die Summe der bei den Spielhallenkontrollen festgestellten Verstöße ist, umso eher besteht seitens der Angezeigten das Interesse in ein Widerspruchsverfahren zu gehen, um sich der angekündigten Strafe zu entziehen. 9. Welche Erkenntnisse lassen sich nach Kenntnis des Senats aus ergangenen Gerichtsurteilen bei Verstößen gegen das Rauchverbot für den weiteren Vollzug bzw. die Entwicklung der geltenden Rechtsnormen ableiten, um Spielende sowie Mitbewohner im Haus vor Beeinträchtigungen durch Rauch in geeigneter Weise schützen zu können? Zu 9.: Die ergangenen einzelnen Gerichtsurteile liegen dem Senat nicht vor. 10. Welche (gesetzlichen) Veränderungen müssten konkret vorgenommen werden, um bei Verstößen gegen das Rauchverbot insbesondere gegen die Betreiber von Spielhallen gerichtlich durchsetzbare Bußgelder verhängen zu können? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 611 4 Zu 10.: Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben gewährleisten ausreichend eine Durchsetzung von Bußgeldern . Nach bisherigem Recht sind die Betreiberinnen bzw. Betreiber von Spielhallen (Hausrechtsinhaber/in) in weitem Umfang für die Anordnung und Durchsetzung der gesetzlich vorgegebenen Rauchverbote sowie für die Erfüllung der Hinweispflichten zuständig. Auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 des Berliner Nichtraucherschutzgesetzes haben sie spätestens, wenn ihnen ein Verstoß gegen das Rauchverbot in ihrer Einrichtung bekannt wird, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Fortsetzung des Verstoßes zu verhindern. Dazu können sie z. B. im Rahmen ihrer Befugnisse das Personal entsprechend informieren bzw. anweisen, die gesetzlichen Rauchverbote einzuhalten. Eine Übertragung der Betreiberverpflichtungen entbindet jedoch die Betreiberin/den Betreiber nicht von seiner ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit. Darüber hinaus kann eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeber - gemäß § 278 Bürgerliches Gesetzbuch/BGB - nicht nur dann, wenn man ihm persönlich ein Verschulden vorwerfen kann, sondern auch dann, wenn seine "Erfüllungsgehilfen " (Arbeitnehmer/in, Mitarbeiter/in, Personal ) schuldhaft gehandelt haben, haftbar gemacht werden . In vielen anderen Gastronomie- Kultur-, Sport-, Freizeiteinrichtungen kommen üblicher-weise unter Einbeziehung ihres Personals die Betreiberinnen bzw. Betreiber ihren Verpflichtungen bei der Umsetzung und Einhaltung von Rauchverboten ordnungsgemäß nach. Berlin, den 08. Juni 2016 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2016)