Drucksache 17 / 18 617 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 25. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Mai 2016) und Antwort Flexible Teilzeitausbildung – wie konkret meint es der Senat oder bleibt es mal wieder bei Ankündigungen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie und wann gedenkt der Senat, seine in der Vorlage „Alleinerziehende besser unterstützen“ (Drs. 17/2829) an das Abgeordnetenhaus geäußerte Absicht zu verwirklichen, darauf hinzuwirken, dass die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung für Alleinerziehende weiterhin verbessert wird (S.13)? Welche konkreten Maßnahmen sind vorgesehen? Zu 1.: Bereits in der Vergangenheit haben der Senat und die Kammern auf die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung hingewiesen. So haben z.B. die IHK Berlin und die Handwerkskammer Berlin im Februar 2014 eine gemeinsame Veranstaltung unter dem Titel „Teilzeitausbildung nutzen. Fachkräfte sichern“ im BTZ der Handwerkskammer Berlin mit Beispielen von ausbildenden Unternehmen, Auszubildenden und Ausbilderinnen und Ausbildern zur Werbung bei Unternehmen durchgeführt, an der sich das Land Berlin aktiv beteiligt hat. Wie bereits in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 17/13 311 ausgeführt, kann mit der im Berufsbildungsgesetz BBiG seit 2005 verankerten Möglichkeit einer dualen Ausbildung in Teilzeit im § 8 BBiG bzw. dem § 27 der Handwerksordnung auf gemeinsamen Antrag der Auszubildenden und Ausbildenden die zuständige Stelle die Ausbildungszeit kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der verkürzten Zeit – es ist auch eine tageszeitliche Verkürzung möglich - erreicht wird. In Ausnahmefällen kann die zuständige Stelle auf Antrag des Auszubildenden die Ausbildungszeit verlängern . Um das Ausbildungsziel zu erreichen, wird dabei nicht die erforderliche Zeit für den Besuch der Berufsschule gekürzt, sondern die Ausbildungszeit im Betrieb angepasst. Für Ausbildungsinteressierte im SGB-II-Bezug besteht u.U. eine Hürde, eine Ausbildung aufzunehmen, sofern die Ausbildungsvergütung geringer ist als das Arbeitslosengeld II. Das Land Berlin hat sich daher im Rahmen der Bund-Länder-Beratungen zum 9. Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, welches sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet , für Regelungen ausgesprochen, die zu einer Verbesserung der finanziellen Situation derjenigen führen, die aus dem SGB II-Bezug heraus eine Berufsausbildung aufnehmen. Im Einzelfall soll es entsprechend dem Gesetzentwurf die Möglichkeit geben, zu der Ausbildungsvergütung und einer ggf. zu beanspruchenden Förderung mit Berufsausbildungsbeihilfe bzw. Ausbildungsförderung nach dem BAföG aufstockend SGB II-Leistungen zu beziehen. 2. Warum verweist der Senat bei der o.g. Aussage auf Unternehmen, wenn er doch selbst im Rahmen von öffentlich geförderten Ausbildungsangeboten wie dem Berliner Ausbildungsplatzprogramm (BAPP) oder als öffentlicher Arbeitgeber bzw. als Beteiligter an Unternehmen Vorbildfunktion bei der Bereitstellung von Angeboten der Teilzeitberufsausbildung einnehmen könnte? Zu 2.: Vom Grundsatz her kann jede duale Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung als Teilzeitberufsausbildung durchgeführt werden. D.h. es geht nicht darum, „Teilzeitberufsausbildungsplätze “ anzubieten, sondern man kann nur auf die Möglichkeit allgemein hinweisen und gezielt Menschen mit Fürsorgeaufgaben bei Bewerbungen auf diese Möglichkeit aufmerksam machen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 617 2 Nach Daten des Bundesinstituts für Berufliche Bildung lag in den letzten Jahren der Anteil der Teilzeitverträge bei den Neuabschlüssen von Ausbildungsverhältnissen in Berlin jeweils unter 1 %, in 2015 lag er bei 0,66 % (105 Ausbildungsverhältnisse von insgesamt 15.918). Am höchsten ist die Teilzeitquote bei der betrieblichen Ausbildung im Ausbildungsbereich Landwirtschaft mit knapp 16 %, dann folgt der öffentliche Dienst mit 1,6 %. Am niedrigsten sind die Quoten mit je 0,3 % im Handwerksbereich und bei den freien Berufen (Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Berufsbildungsstatistik) Im Rahmen des Berliner Ausbildungsplatzprogramms (BAPP) werden in Berlin jährlich 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze für marktbenachteiligte Jugendliche zur Verfügung gestellt. Diese Jugendlichen gelten als ausbildungsreif, haben aber keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden. Die Ausbildung erfolgt im Rahmen einer Kooperation zwischen einem Unternehmen und einem Bildungsdienstleister. Gefördert wird die Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. der Handwerksordnung (HwO). Grundsätzlich ist im Rahmen des BAPP auch eine Ausbildung in Teilzeit möglich. Die Förderbedingungen stehen dem nicht entgegen. Allerdings besteht hier bislang kaum Nachfrage, so dass eine entsprechende Ausbildung nur in Einzelfällen erfolgt. 3. Wie viele und welche Angebote/Plätze der flexiblen Teilzeitberufsausbildung gemäß § 8 Berufsbildungsgesetz (BBiG) gibt es derzeit in Berlin und wer sind in welchem Umfang die Anbieter (bitte Anteil der öffentlichen bzw. öffentlich geförderten Anbieter von Teilzeitausbildung gesondert ausweisen)? Zu 3.: In Berlin besteht Einigkeit zwischen dem Land Berlin und den Wirtschafts- und Sozialpartnern, dass die betriebliche duale Ausbildung Priorität vor subsidären, öffentlich finanzierten Angeboten hat. Die Teilzeitausbildung wird gemeinsam von Auszubildendem und Ausbildungsbetrieb bei der zuständigen Stelle für Berufsbildung beantragt. Darüber hinaus ist auf die Antwort zu Frage 2 – Teilzeitausbildung als individuelle Vertragsgestaltung – zu verweisen. Daten auf einzelbetrieblicher Basis stehen nicht zur Verfügung. Im Öffentlichen Dienst befanden sich im Dezember 2015 33 Personen in einer Teilzeitberufsausbildung (3 Männer, 30 Frauen). Das waren 1,6% aller Ausbildungsverträge im ÖD. 4. Was ist aus den (Modell-) Projekten von Teilzeitberufsausbildung geworden, wie sie z.B. erfolgreich von den Trägern SOS-Ausbildungszentrum und MüLe durchgeführt wurden bzw. warum ist eine Verstetigung nicht gelungen? Zu 4.: Beide Träger haben in der Vergangenheit im Rahmen geförderter Maßnahmen außerbetriebliche Teilzeitberufsausbildungen angeboten, die auch im Rahmen von Modellprojekten aus Mitteln des Landes Berlin (u.a. Programm PartnerschaftEntwicklungBeschäftigung, Gute Arbeit für Alleinerziehende) gefördert wurden. Die durch die Bundesagentur für Arbeit geförderte Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) haben als Zielgruppe der BaE ausdrücklich Alleinerziehende, die die persönlichen Fördervoraussetzungen erfüllen. Eine Durchführung der Maßnahme in Form der Teilzeitausbildung für dieses Instrument im SGB II und SGB III ist möglich. Die genannten Träger der Ausbildung entwickelten und erprobten spezifische Förder- und Unterstützungsangebote für die Zielgruppe junger, alleinerziehender Mütter . Insbesondere lag der Fokus auf der Entwicklung tragfähiger Netzwerke und Strategien zur Vereinbarung von Berufstätigkeit und Familienverantwortung. Die Beauftragung und Finanzierung dieser Maßnahmen liegt in der Verantwortung der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Träger der Grundsicherung. Sie gehören zum regulären Förderinstrumentarium der Bundesagentur für Arbeit und können von den Jobcentern und Arbeitsagenturen ausgeschrieben werden. 5. Welche Fördermöglichkeiten kann der Senat ggf. in Kooperation mit der Arbeitsagentur und den Jobcentern Berliner Unternehmen für die Einrichtung von Teilzeitberufsausbildung auch im Rahmen der Richtlinienförderung in Aussicht stellen? Zu 5.: Unternehmen, die einen betrieblichen Ausbildungsplatz mit einer Alleinerziehenden oder einem Alleinerziehenden besetzen, können dafür gemäß Punkt 2.6 - Förderung von Alleinerziehenden - der Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Zuschüssen zur Förderung der Berufsausbildung im Land Berlin einen Zuschuss in Höhe von 75 v. H. der monatlichen Ausbildungsvergütung erhalten, wie sie sich zum Zeitpunkt des Beginns des Ausbildungsverhältnisses durch den Betrieb als im Ausbildungsvertrag vereinbarte ortsübliche tarifliche Regelung ergibt, jedoch höchstens von 7.500,00 €. 6. Wie viele Plätze sind nach Kenntnis des Senats in Berlin erforderlich, um jungen Müttern und Vätern trotz Elternschaft den Weg zu einer erfolgreichen Ausbildung in Teilzeit zu ermöglichen? 8. Welche konkreten und wie viele Angebote für eine Teilzeitberufsausbildung können die bereits arbeitenden bezirklichen Jugendberufsagenturen gegenwärtig anbieten ? Zu 6. und 8.: Wie in der Beantwortung der Frage 2 bereits ausgeführt, kann jede duale Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung als Teilzeitberufsausbildung durchgeführt werden. Insofern sind im engeren Sinn keine gesonderten Teilzeitausbildungsplätze notwendig. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 617 3 9. Welche und wie viele Ausbildungsplätze können Arbeitsagentur und Jobcenter gegenwärtig speziell für Alleinerziehende und junge Mütter und Väter mit Kind anbieten? Zu 9.: Der Senat sieht es gemäß der Richtlinien der Regierungspolitik 2011 – 2016 als eine zentrale Aufgabe der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und der Unternehmen an, die erforderlichen Ausbildungsplätze für Jugendliche sicherzustellen. Das Land Berlin finanziert im Rahmen der im Haushalt bereitgestellten Mittel mit dem BAPP subsidär 500 Plätze für marktbenachteiligte Jugendliche . Im Rahmen der Instrumente der Ausbildungsförderung nach dem SGB II und dem SGB III werden weitere Angebote wie die Assistierte Ausbildung oder die Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) bereitgestellt. Mit der Jugendberufsagentur (JBA) Berlin wurde in Zusammenarbeit der Partner Bundesagentur für Arbeit, dem Land Berlin und zwölf Berliner Jobcentern und den Bezirken eine Zusammenführung der verschiedenen Angebote aller Partner unter einem Dach vereinbart. Im gemeinsamen Planungsprozess wird auch eine Abstimmung vorgenommen, welche Angebote in den regionalen Standorten durch die Partner im Rahmen ihrer weiter bestehenden Ressourcen- und Fachverantwortung erforderlich sind. Wie zu Frage 2 dargestellt, kann prinzipiell jede duale Ausbildung in Teilzeit durchgeführt werden. Daher gibt es kein quantifizierbares Angebot an Teilzeitausbildungsplätzen . Die Zahl der zusätzlich von spezialisierten Projektträgern bereit gestellten Ausbildungsangebote stellt keine feste Größe dar. 7. Was hat der Senat mit den Partnern für Aufbau und Umsetzung der Jugendberufsagenturen im Hinblick auf die Möglichkeit einer flexiblen Teilzeitberufsausbildung für junge Mütter und Väter konkret verabredet? 12. Welche Erfordernisse sieht der Senat, auch anderen Zielgruppen, wie z.B. jungen Flüchtlingen oder jungen Menschen mit Behinderung, die Möglichkeit einer modularisierten Teilzeitberufsausbildung zu ermöglichen und das Angebot an entsprechenden Ausbildungsplätzen deutlich zu erhöhen? Was wird der Senat tun? Zu 7. und 12.: Es ist das Ziel der Jugendberufsagentur (JBA) Berlin, alle Berliner Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die in der Regel das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu einem Berufsabschluss zu führen oder im Einzelfall einer nachhaltigen Beschäftigungsaufnahme unter Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Instrumente zu begleiten. Um dieses Ziel auch für junge Mütter und Väter, Geflüchtete oder junge Menschen mit Behinderung zu erreichen, sind alle Instrumente für den jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Dazu gehören auch die Teilzeitausbildung sowie die Reha-Ausbildung in einem Berufsbildungswerk für junge Menschen mit Behinderung und einem entsprechenden Förderbedarf oder die assistierte Ausbildung. 10. Wie hoch ist gegenwärtig die Ausbildungsvergütung für Mütter und Väter in Teilzeitberufsausbildung und warum ist die Zahlung des vollen Ausbildungsentgelts nicht der Regelfall? 11. Was wird der Senat tun, um bei der Teilzeitberufsausbildung im Regelfall die volle Höhe des Ausbildungsentgelts zu garantieren und damit die Motivation für die Aufnahme einer Teilzeitberufsausbildung zu erhöhen? Zu 10. und 11.: Gemäß § 17 BBiG ist jeder Betrieb verpflichtet, der Auszubildenden bzw. dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen. Wenn tarifliche Regelungen, die nach Branche und Region variieren, bestehen, müssen tarifgebundene Unternehmen mindestens diese Ausbildungsvergütung bezahlen, nicht tarifgebundene Unternehmen können diese nach geltender Rechtsprechung um bis zu 20 Prozent unterschreiten. Nach einer jährlich durchgeführten Auswertung des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB) betrugen die tariflichen Ausbildungsvergütungen bezogen auf das gesamte Bundesgebiet im Jahr 2015 durchschnittlich 826 Euro pro Monat. Die Ausbildungsvergütung ist nicht als Entgelt für geleistete Arbeitszeit bzw. Arbeitsleistung anzusehen. In einer Ausbildung geht es primär um die Vermittlung von fachlichen Inhalten und Fähigkeiten. Insbesondere zu Beginn der Ausbildungszeit sollen und können von den Auszubildenden keine Arbeitsleistungen verlangt werden. Dennoch und im Laufe der Ausbildung im zunehmenden Maß können und sollen die Auszubildenden auch in ihrem Betrieb eingesetzt werden. Da sich die Anwesenheit im Ausbildungsbetrieb gegenüber der regulären Ausbildung bei Teilzeitberufsausbildung verkürzt, besteht die Möglichkeit für den Ausbildungsbetrieb eine entsprechend anteilige Ausbildungsvergütung zu zahlen. Es ist positiv zu bewerten, wenn dennoch die Betriebe die volle Ausbildungsvergütung zahlen. Für den Tarifbereich der obersten Bundesbehörden ist eine derartige grundsätzliche Regelung getroffen worden. Der Senat prüft, inwieweit er ebenfalls analog dieser Regelung im Falle einer Teilzeitberufsausbildung in der unmittelbaren Landesverwaltung das volle Ausbildungsentgelt zahlen könnte. Berlin, den 13. Juni 2016 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juni 2016)