Drucksache 17 / 18 631 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 30. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Mai 2016) und Antwort Denkmalschutz ohne Wirkung beim WOGA-Komplex in Wilmersdorf? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Informationen, von wem und zu welchem Zeitpunkt erhielt der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt und/oder sein Amt bezüglich des Bauvorhabens Cicerostr. 55A/Tennisanlage im WOGA-Komplex in Wilmersdorf von Erich Mendelsohn? Antwort zu 1: Anfragen zur Bebaubarkeit erhielten die Planungs- und Denkmalbehörden auf Bezirks- und der Senatsebene verschiedentlich, zum Beispiel in den Jahren 2005/2006. Ein neuer Eigentümer suchte erstmals wieder behördlichen Kontakt im Herbst 2013. Frage 2: Sind Vertreter des Eigentümers des Grundstücks Cicerostr. 55A, Shore Capital/bzw. Brandenburg Properties 11 BV, auch direkt an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und/oder das Landesdenkmalamt und/oder den Regierenden Bürgermeister herangetreten und wenn ja, wann und mit welchem Anliegen? Antwort zu 2: Eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Landesdenkmalamt durch Vertreter des Eigentümers fand im Frühjahr 2015 zur Terminkoordinierung mit dem Bezirksamt und zur Abstimmung eines möglichen Gutachterverfahrens statt. Frage 3: Wie bewertet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die im Rahmen des Abstimmungstermins mit dem Denkmalpflegerischen Beirat des geplanten Gutachterverfahrens zur Neubebauung der Tennisplätze am 26. März 2016 vorgetragene Auffassung, im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und der Emigration sowohl von Erich Mendelsohn als auch der Eigentümerfamilie Mosse, sei die genehmigte Bebauung nicht mehr umgesetzt worden und Tennisplätze als lediglich interimistische Lösung ausgeführt worden? Frage 4: Welche Position vertritt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bezüglich einer möglichen "Nachverdichtung " des denkmalgeschützten WOGA- Komplexes, der als Gesamtanlage, mit den Tennisplätzen im Zentrum, als einzigartiges Denkmal der Berliner Moderne und als einziges städtebauliches Werk Erich Mendelsohns weltweit erhalten ist? Antwort zu 3 und 4: Aus dem Büro Erich Mendelsohn kommen die Überlegungen sowohl für eine Bebauung („Kreuzhäuser“) als auch für die Anlage der Tennisplätze; Letztere sind ausgeführt worden. Nachweisbare Gründe für diese Entscheidung der Bauherren sind den Denkmalbehörden nach jetzigem Kenntnisstand nicht bekannt. Es steht außer Zweifel, dass der Wohnungs- Grundstücks-Verwertungs-Aktiengesellschaft-Komplex (WOGA-Komplex) ein wichtiges Zeugnis der modernen Architektur und des Städtebaus der Moderne darstellt. Aus konservatorischer Sicht wäre es zu wünschen, dass die Umgebung der Bauwerke im Denkmalbereich und ihre Ansicht aus allen Richtungen möglichst unverändert bliebe. Die großzügig bemessenen Freiflächen bzw. die Tennisplätze sind nicht als Gartendenkmal ausgewiesen, aber aus denkmalrechtlicher Sicht als Flächen im Denkmalbereich zu bewerten. Eine sensible Neugestaltung bzw. Neubebauung der Flächen anstelle der Tennisplätze beeinträchtigt jedoch das Erscheinungsbild des Denkmalbereichs bzw. der Bauwerke nicht so wesentlich, dass die Denkmaleigenschaft gefährdet wäre. Frage 5: Welche Einflussmöglichkeiten und Entscheidungskompetenzen hat das Landesdenkmalamt in dieser Frage und wie macht es sie geltend? Antwort zu 5: Das Landesdenkmalamt stellt im Genehmigungsverfahren das Einvernehmen zur Entscheidung der zuständigen unteren Denkmalschutzbehörde her. Im Falle eines Dissenses entscheidet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt als Oberste Denkmalschutzbehörde. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 631 2 Frage 6: Trifft es zu, dass die BeWoGe vor dem Verkauf des Grundstücks ein Wertgutachten beauftragt hat und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Antwort zu 6: Hierzu liegen keine Kenntnisse vor. Frage 7: Wie wurde in diesem Gutachten insbesondere die Bebaubarkeit des Grundstücks eingeschätzt? Antwort zu 7: Hierzu liegen keine Kenntnisse vor. Frage 8: Warum wurde eine grundbuchamtliche Sicherung der auf dem Grundstück Cicerostr. 55A liegenden Abstandsflächen des angrenzenden Wohngebäudes Cicerostr. 56-63 unterlassen, solange beide Grundstücke noch in einer Hand waren? Antwort zu 8: Die genannten Teilflächen sind rechtlich eigenständige Grundstücke. Überschlägig ermittelt kann davon ausgegangen werden, dass die Abstandsflächenanforderungen zum Zeitpunkt der Grundstücksbildung eingehalten wurden. Frage 9: Trifft es zu, dass die BeWoGe das Grundstück 2003 für 469.000 Euro verkauft hat und das Grundstück 2013 für 435.000 Euro (ca. 74 Euro m2) an eine niederländische Briefkastenfirma weiterverkauft wurde? Antwort zu 9: Hierzu liegen keine Kenntnisse vor. Frage 10: Wie erklären sich der Kaufpreis und die Aussage, dass es sich um ein „normal bebaubares Grundstück “ handelt, wie es im März 2015 in den Ausschreibungsunterlagen zum konkurrierenden Verfahren heißt (abgestimmt zwischen Investor, LDA, UD und Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf)? Antwort zu 10: Da Zweifel bestanden, ob das Grundstück der ehemaligen Tennisplätze legal gebildet worden ist, wurde nach einem entsprechenden Hinweis an die Grundstückseigentümerin eine gutachterliche Stellungnahme vorgelegt, in der die Rechtmäßigkeit der Grundstücksbildung nachvollziehbar bestätigt wurde. Frage 11: Hat die Senatsverwaltung Kenntnis von der Stellungnahme der beiden internationalen Mendelsohn- Expertinnen Prof. Dr. Regina Stephan und Prof. Dr. Kathleen James-Chakraborty zu dem Vorhaben, die sowohl die bauhistorische Darstellung des Investors anzweifeln als auch das seitens des LDA und der bezirklichen Bauverwaltung mit dem Investor durchgeführte konkurrierende Verfahren kritisieren? Antwort zu 11: Der Senat hat Kenntnis von der Stellungnahme . Frage 12: Wie wird bei der Bewertung des „überwiegenden Öffentlichen Interesses“ nach §11 Satz 1 (DSchG Bln) in die Entscheidungsfindung einbezogen, dass es am 19. Mai 2016 den Beschluss der BVV Charlottenburg- Wilmersdorf (einstimmig im Ausschuss für Stadtentwicklung ) gab, „Die unter Denkmalschutz stehenden Tennisplätze in der Gesamtanlage WOGA-Komplex erhalten", „Das Bezirksamt wird aufgefordert, sich beim Landesdenkmalamt dafür einzusetzen, den WOGA-Komplex in seiner denkmalgeschützten Gesamtanlage mit seinen Tennisplätzen, in ihrer Eigenschaft als Freifläche, zu erhalten"? Antwort zu 12: Die Entscheidung, beziehungsweise die Abwägung der unterschiedlichen Interessen, obliegt zunächst der zuständigen unteren Denkmalschutzbehörde, die für ihre Abwägungsentscheidung das Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt als Fachbehörde einholt. Diese Abwägung umfasst auch die Belange des überwiegenden öffentlichen Interesses. Ein Einvernehmensersuchen des für die Genehmigung zuständigen Bezirksamts liegt dem Landesdenkmalamt bisher nicht vor, auch nicht im Sinne des in der Anfrage zitierten BVV 1 -Beschlusses vom 19. Mai 2016. Frage 13: Inwiefern werden weitere Wohnungsbauvorhaben in unmittelbarer Nähe des Denkmals bei der Entscheidungsfindung des LDA und der Abwägung des öffentlichen Interesses berücksichtigt? Antwort zu 13: Weitere Wohnungsbauvorhaben in der unmittelbaren Nähe des Denkmals werden vom Landesdenkmalamt , sobald ein Einvernehmensersuchen von der unteren Denkmalschutzbehörde erfolgt, geprüft. Frage 14: Wird es, im Falle einer Baugenehmigung, Auflagen seitens des LDA geben, die einer Schädigung der bestehenden Bausubstanz der Denkmalanlage durch Bauvorhaben in der Nachbarschaft vorbeugen, um einen Fall analog dem Beispiel der Friedrichswerderschen Kirche zu vermeiden? Antwort zu 14: Der Bauherr ist verpflichtet, im Rahmen seiner Verantwortung eine Beschädigung des benachbarten Baudenkmals auszuschließen. Obwohl die Situation mit der an der Friedrichswerderschen Kirche nicht zu vergleichen ist, wird von Seiten des Landesdenkmalamts im Genehmigungsverfahren die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens empfohlen. Frage 15: Gibt es Bestrebungen seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Landesdenkmalschutzgesetz zugunsten des Wohnungsbaus einzuschränken ? 1 Bezirksverordnetenversammlung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 631 3 Antwort zu 15: Da nach dem Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) Genehmigungen in der Umgebung von Denkmalen zu erteilen sind, wenn die Eigenart und das Erscheinungsbild des Denkmals durch die beantragte Maßnahme, zum Beispiel Wohnungsbau, nicht wesentlich beeinträchtigt werden, gibt es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt keine Bestrebungen, das Denkmalschutzgesetz Berlin einzuschränken. Berlin, den 09. Juni 2016 In Vertretung R. Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juni 2016)