Drucksache 17 / 18 656 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Clara West (SPD) vom 30. Mai 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2016) und Antwort Betreiber von Not- und Gemeinschaftsunterkünften für Gefüchtete Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach welchem Verfahren und welchen Kriterien erfolgte in der Vergangenheit die Auswahl von BetreiberInnen von Not- und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete ? 7. Inwieweit werden bestehende Erfahrungen mit Betreiber Innen von Not- und Gemeinschaftsunterkünften in die Auswahl mit einbezogen? Zu 1. und 7.: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) veröffentlicht auf der Internet- Präsentation der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) umfassende Informationen für Betreiberinnen und Betreiber von Flüchtlingsunterkünften: http://www.berlin.de/lageso/soziales/asyl-aussiedler/berli ner-unterbringungsleitstelle/informationen-zu-betreiberund -immobilienangeboten/ Insbesondere werden dort die Leistungsbeschreibungen für Gebäude bzw. Betreiberinnen und Betreiber, die Richtwerte für Personalstellen, eine Musterkalkulation sowie die in Berlin geltenden Qualitätsanforderungen für vertragsgebundene Unterkünfte zum Herunterladen eingestellt . Aus diesen Vorgaben ergeben sich die Kriterien, an denen sich die Auswahl von Betreiberinnen und Betreiber derartiger Einrichtungen orientiert. So sieht beispielsweise die Leistungsbeschreibung für Betreiberinnen und Betreiber vor, dass diese über umfangreiche Erfahrungen in der Arbeit mit Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie insbesondere deren Unterbringung , Betreuung und Versorgung oder zumindest über umfangreiche Erfahrungen in einem vergleichbaren sozialen Bereich verfügen müssen. Die Auswahl der Betreiberinnen und Betreiber erfolgte im Rahmen einer freihändigen Vergabe unter Beachtung der im einschlägigen Vergaberecht dafür genannten Voraussetzungen. Danach ist diese Vergabeform insbesondere dann zulässig, wenn die zu vergebende Leistung – hier also der Betrieb einer Notunterkunft für Asylsuchende – besonders dringlich ist und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind. Das LAGeSo ging vom Vorliegen dieser Voraussetzungen aus, nachdem insbesondere im Laufe des Jahres 2015 der Zuzug von Asylbegehrenden innerhalb einer kurzen Zeitspanne – bedingt durch nicht vorsehbare Faktoren – in so erheblichem Umfang angestiegen war, dass die gesetzliche Verpflichtung des Landes, alle Asylbegehrenden aufzunehmen und Obdachlosigkeit zu vermeiden, nur durch kurzfristige Inbetriebnahme zusätzlicher Unterkunftseinrichtungen erfüllt werden konnte. Zudem erachtete es das LAGeSo auf Grund der dargestellten Rahmenbedingungen für erforderlich, auch auf Angebote über Objekte von Betreiberinnen und Betreibern zurückzugreifen, bei denen die Vergabe des Betriebs an einen Dritten nicht möglich war, da andernfalls das Angebot zurückgezogen worden wäre. Insoweit wird auch auf die Antwort des Senats vom 01.06.2016 auf Frage 8 der Schriftlichen Anfrage 17/18555 vom 12.05.2016 verwiesen. 2. Wie wurden die BetreiberInnen während des laufenden Betriebs kontrolliert (hinsichtlich eingesetztem Personal / Zeit / Räumlichkeiten / Reinigung / Catering etc.)? Wie wurde dabei genau vorgegangen? Zu 2.: Die Qualitätsanforderungen für Flüchtlingsunterkünfte schreiben dem Bereich Qualitätssicherung für Flüchtlingsunterkünfte im LAGeSo vor, in jeder vertragsgebundenen Einrichtung jährlich eine Routinebegehung in Form von Kontrollen zur Einhaltung der Qualitätsanforderungen vorzunehmen. Diese hat unabhängig von den Betreiberinnen und Betreibern und objektiv zu erfolgen. Die Begehungen sind darauf ausgerichtet, die Betreiberin /den Betreiber dahingehend zu überprüfen, ob eine sozialverträgliche und kultursensible Unterbringung der Flüchtlinge und Asylsuchenden im Rahmen gemeinschaftlichen Wohnens ermöglicht wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 656 2 Begehungen erfolgen auch bei Einrichtungen, für die noch kein Betreibervertrag abgeschlossen worden ist, in Form von Einweisungsbegehungen. Bei Einrichtungen, die bei den Einweisungsbegehungen einen großen Beratungsbedarf erkennen ließen, erfolgten in diesem Jahr vorgezogene Routinebegehungen. Darüber hinaus werden bei Beschwerden über Mängel in allen Einrichtungen anlassbezogene Begehungen durchgeführt. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Antwort des Senats vom 26.02.2016 auf die Schriftliche Anfrage 17/17940 vom 05.02.2016 verwiesen. 3. Wie viele BetreiberInnen wurden vom Land Berlin mit dem Betrieb von Not- und Gemeinschaftsunterkünften beauftragt? Zu 3.: Mit Stand 07.06.2016 weist die Belegungsstatistik der BUL rund 50 Betreiberinnen und Betreiber von Aufnahmeeinrichtungen sowie sonstigen Gemeinschaftsunterkünften (einschließlich notbelegte Unterkünfte) aus. 4. In wie vielen Fällen liegt ein schriftlicher Vertrag über den Betrieb vor (tabellarische Übersicht erwünscht)? Zu 4.: Mit Stand 10.06.2016 liegen 45 schriftliche Betreiberverträge vor. Für die übrigen Einrichtungen ist der Abschluss eines schriftlichen Betreibervertrags ebenfalls vorgesehen, sobald die derzeit unter Beteiligung der Betreiberinnen und Betreiber von Flüchtlingsunterkünften anhängige Überarbeitung und Aktualisierung des Mustervertrags abschließend erfolgt ist. Der Mustervertrag soll zudem künftigen Ausschreibungen zugrunde gelegt werden . Im Übrigen wird klarstellend darauf hingewiesen, dass für die Herstellung eines rechtsverbindlichen Vertragsverhältnisses der Abschluss eines schriftlichen Betreibervertrags nicht zwingend erforderlich ist. Auch aufgrund mündlicher oder in sonstiger Weise getroffener Vereinbarungen können sowohl für die Betreiberinnen und Betreiber , als auch für das LAGeSo Rechte und Pflichten entstehen , deren Wirksamkeit gleich schriftlichen Verträgen ist. Auch die in vielen Fällen beiderseitig vereinbarten und schriftlich fixierten Absichtserklärungen enthalten vertragliche Vereinbarungen, wenn auch einzelne Teile unverbindlichen Charakter haben. 5. Nach welchen Kriterien wurden die Tagessätze verhandelt ? Zu 5.: Die Belegungssatzkalkulation wird zwischen dem LAGeSo und den jeweiligen Betreiberinnen und Betreibern individuell verhandelt. Bei Abgabe eines Unterbringungsangebotes legt die Betreiberin/der Betreiber eine monatliche Kostenkalkulation zzgl. einer Pauschale für Verwaltungsgemeinkosten und den eigenen Gewinnanteil vor. Diese Pauschalen betragen jeweils höchstens 2,5 bis 3 Prozent. Auf Grund der voraussichtlichen Belegungssatzkapazität errechnet sich dann eine Belegungspauschale je Person. Das LAGeSo überprüft und korrigiert die einzelnen Positionen des Unterbringungsangebotes , wobei auch Erfahrungswerte herangezogen werden. Teilweise wird erst ein vorläufiger Belegungssatz festgelegt , der mitunter im Betreibervertrag berücksichtigt und erst später endverhandelt wurde. Der vorläufige Belegungssatz beruhte in einigen Fällen nur auf einer reinen Schätzung. Der verhandelte im Betreibervertrag festgelegte Belegungssatz wird in diesen Fällen entweder monatlich abgerechnet und ausgezahlt, oder der vorläufige Belegungssatz wird als Abschlag in Höhe von 80 Prozent ausgezahlt und bei Vorliegen des endgültigen Belegungssatzes verrechnet. Auf Grund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Belegungssatzkalkulation mit/ ohne Miete, mit/ ohne Herrichtungskosten, mit/ ohne Erstausstattung ist eine Vergleichbarkeit der einzelnen Objekte nicht gegeben. Bei einem Belegausfall oder einer Überbelegung wird ein modifizierter Belegungssatz vereinbart. Um die Fixkosten der Betreiberin/des Betreibers wie z. B. Personaloder Mietaufwand abzusichern, wurde regelmäßig ein Belegausfallsatz in Höhe der zwingend anfallenden Aufwendungen vereinbart. Dieser wird dann mit den anrechnungsfähigen , nicht belegten Plätzen multipliziert. Sollte sich rechnerisch eine Überbelegung ergeben (tatsächliche Belegung abzüglich Belegung laut Kalkulation), wird diese vergütet mit dem sogenannten Überbelegungssatz. Dieser errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Belegungssatz und dem Belegausfallsatz und dient der Vergütung der zusätzlich anfallenden Verbrauchsmaterialien . Dieser Betrag wird nicht neben dem normalen Belegungssatz vergütet, sondern an dessen Stelle. 6. Was plant der Senat in diesem Zusammenhang bzgl. der Auswahl von zukünftigen Betreibern von Unterkünften für Geflüchtete in Containern/MuFs/Tempohomes ? Zu 6.: Das LAGeSo hat die Ausschreibungen zum Betrieb der ersten Wohncontainerdörfer für Asylbegehrende (Tempohomes) in Berlin veröffentlicht. Ein wesentlicher Bestandteil der Ausschreibung bezieht sich auf die soziale Betreuung und Beratung der künftigen Bewohnerinnen und Bewohner. Derzeit sind die Ausschreibungen für die ersten Standorte im offenen Verfahren auf der Vergabeplattform der EU für interessierte Bewerberinnen und Bewerber einzusehen. Eine Online-Verlinkung zu diesen Ausschreibungen hat das LAGeSo unter http://www.berlin.de/lageso/soziales/asylaussiedler /berliner-unterbringungsleitstelle/ geschaltet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 656 3 Für den Betrieb der Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) ist ein entsprechendes Verfahren vorgesehen. Berlin, den 23. Juni 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2016)