Drucksache 17 / 18 666 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 07. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2016) und Antwort Besser spät als nie – endlich Pariser Verhältnisse beim Bike-Sharing? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Was hat zu den jahrelangen Verzögerungen beim Abschluss des Vergabeverfahrens für ein stadtweites Fahrradverleihsystem geführt? Antwort zu 1: Das Vergabeverfahren zum öffentlichen Leihfahrradsystem verzögerte sich auf Grund der Komplexität des Verfahrens insgesamt, andererseits durch Bitten um Fristverlängerungen durch Verfahrensbeteiligte in den unterschiedlichen, formalen Prozessstufen. Im Sinne des offenen wettbewerblichen Prozesses wurde diesen Bitten entsprochen. Zusätzlich legte nach Mitteilung der Vergabeentscheidung einer der unterlegenen Bietenden Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein (vgl. Schriftliche Anfrage 17 / 18 446 vom 19. April 2016). Gleichzeitig ist festzustellen, dass trotz der entstandenen Verzögerungen den Nutzerinnen und Nutzern in den letzten Jahren durchgängig ein öffentliches Leihfahrradsystem zur Verfügung stand. Frage 2: Wie bewertet der Senat das Ergebnis des Verfahrens ? Frage 3: Wie kam es dazu, den Bewerbern im Vergabeverfahren seitens des Senats lediglich die wenig ambitionierte Zahl von 175 zur Mindestvorgabe für die Zahl der Verleihstationen zu machen (zum Vergleich Paris: ca. 1750)? Antwort zu 2 und 3: Auf Grund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 gemeinsam beantwortet. Ziel des Landes Berlin ist ein kostengünstiges, dichtes , benutzerfreundliches System mit minimalen Zugangshürden für (potenzielle) Kundinnen und Kunden, ortsfesten Stationen zur automatischen Entleihe und Rückgabe von Leihfahrrädern (ganztägig und ganzjährig). Das avisierte System sollte in seiner Ausgestaltung mindestens dem Umfang des seit 2014 in Berlin in Betrieb befindlichen öffentlichen Leihfahrradsystems und einem leichten Aufwuchs (daher mindestens 175 entsprechend dimensionierte Stationen zur Aufnahme von mindestens 1.750 Leihfahrrädern) entsprechen. Die Zielsetzung des Verfahrens wird durch das System , welches den formalen Zuschlag erhalten wird, vollumfänglich erfüllt, in weiten Teilen sogar massiv übertroffen . Insoweit ist auch die gesetzte Mindestvorgabe erfolgreich als Element des Wettbewerbs eingesetzt worden . In Paris steht ein wesentlich höherer Zuschussbetrag zur Verfügung, zudem ist der Nutzer/innenkreis erheblich anders definiert. Frage 4: In welchen Stadtgebieten werden die angekündigten 700 Stationen des erfolgreichen Bieters nach welchen Kriterien in welchem Zeitraum entstehen? Antwort zu 4: Das Bediengebiet des öffentlichen Fahrradverleihsystems Berlin umfasst als Kerngebiet den Bereich innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings. Über die Ausweitung des Bediengebiets, z. B. entlang bestimmter Achsen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) außerhalb des S-Bahn-Rings, entscheidet der Betreiber in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, sowie den dann jeweils zuständigen Bezirken. Vorrangig ist jedoch die Verdichtung im Bereich des S-Bahn-Rings. Die konkrete räumliche Einordnung ist abhängig von den durch die jeweils zuständigen Bezirksämter zu genehmigenden Stationsflächen. Die Planungen seitens des Betreibers werden nach formaler Vertragsunterzeichnung voraussichtlich Anfang Juli 2016 vorgestellt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 666 2 Frage 5: Wann und in welchem Verfahren werden die Standorte mit den Bezirken abgestimmt, wie wird dabei die Öffentlichkeit eingebunden? Antwort zu 5: Für die Systemstartphase wurde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt die Nutzung der bestehenden Stationsflächen angeregt. Neue Leihfahrradstationsstandorte und optimierte Standorte für Stationen des Bestandsnetzes sollen vorrangig an Knoten des Netzes der Hauptverkehrsstraßen gesucht werden und einen direkten Bezug zu ÖPNV-Stationen bzw. Haltepunkten aufweisen. Auch eine räumliche Nähe zu „Points of Interest“ (bspw. touristische Zielorte) wird angestrebt, ebenso wie die Errichtung von Stationen in Gebieten mit hohen Arbeits- und Wohndichten, um die Erreichbarkeit dieser Ziele im Umweltverbund zu verbessern. Optionen zur Einbeziehung der Öffentlichkeit in den Auswahlprozess werden derzeit durch den zukünftigen Betreiber geprüft. Jede Nutzung des öffentlichen Straßenlandes über die üblichen Formen des Straßenverkehrs hinaus stellt eine Sondernutzung dar und bedarf einer gesonderten Erlaubnis – so auch Leihfahrradstationen. Die Anträge für den Aufbau neuer Leihfahrradstationen sind generell an die für das Leihfahrradsystem zuständige Stelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zu richten, welche die Anträge konsolidiert. Hier wird der Antrag vorgeprüft und an das jeweils zuständige Bezirksamt, Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt, weitergeleitet. Dieser Prozess startet nach formaler Vertragsunterzeichnung . Die Bezirke waren in die Vorbereitung der Ausschreibung eingebunden. Frage 6: Werden die neuen Stationen vornehmlich zu Lasten vorhandenen Parkraums oder zu Lasten von Gehsteigflächen eingerichtet bzw. nach welchen Kriterien wird im Einzelfall die Abwägung erfolgen? Antwort zu 6: Die Beantwortung dieser Frage erfolgte in der Antwort zur Schriftlichen Anfrage 17/18 446 vom 19. April 2016 „Noch immer keine Entscheidung über die Zukunft des öffentlichen Leifahrradsystems?“. Frage 7: Wie gestalten sich die zukünftigen Tarife von next-bike, wird es nach Pariser Vorbild einen Jahrestarif von unter 30 Euro für die Berlinerinnen und Berliner geben und wird insbesondere die erste halbe Stunde der Nutzung für die Kundinnen und Kunden des Systems kostenfrei sein? Antwort zu 7: Die Kommunikation der neuen Tarifstruktur erfolgt nach formaler Vertragsunterzeichnung voraussichtlich Anfang Juli 2016. Frage 8: Verfolgt der Senat gemeinsam mit dem Fragesteller für die Zukunft bzw. die nächste Ausschreibung in fünf Jahren das Ziel einer weiteren konsequenten Verdichtung von Verleihstationen und Fahrradzahl, um Berlin nach dem nun anstehenden großen Schritt weiter den vorbildlichen Pariser Verhältnissen (ca. 24.000 Fahrräder im Verleihsystem velib) anzunähern? Antwort zu 8: Die Rahmenbedingungen zwischen Paris und Berlin sind nicht vergleichbar, weder hinsichtlich der finanziellen Ausstattung der Projekte (zum Vergleich: die Gesamtkosten des Velib-Systems in Paris belaufen sich derzeit auf rund 40 Mio. € pro Jahr, in Berlin stehen pro Jahr 1,5 Mio. € Brutto zur Verfügung), der personellen Ressourcen noch der verkehrlichen Rahmenbedingungen (bspw. Ausstattung privater Haushalte mit Fahrrädern ). Eine verkehrlich sinnvolle Verdichtung von Verleihstationen und damit auch der Fahrradzahl war Ziel der Vergabe und wird auch weiter angestrebt. Frage 9: Teilt der Senat die Einschätzung des Fragestellers , dass ein wirklich dichtes und stadtweit flächendeckendes Netz von Verleihstationen und kostengünstige Tarife einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, die Fahrradnutzung in Berlin deutlich über den heutigen Stand hinaus zu heben und gleichzeitig den ÖPNV von unnötiger Fahrradmitnahme in Bus oder Bahn zu entlasten ? Antwort zu 9: In Berlin gibt es im Gegensatz zu Paris einen hohen Bestand an Fahrrädern in den privaten Haushalten . Ein attraktives öffentliches Fahrradverleihsystem, welches unter anderem durch ein dichtes Netz von Stationen an Quell- und Zielorten gekennzeichnet ist, kann und soll dazu beitragen, den Radverkehr in Berlin signifikant zu stärken. Die Entlastung des ÖPNV war mit den Punkten „Reduzierung von Konflikten bei der Fahrradmitnahme im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) durch Bereitstellung von Rädern am Start- bzw. Zielpunkt der Fahrt“ sowie „Beitrag zur Entlastung von Fahrradabstellplätzen an Haltestellen sowie an hoch frequentierten Zielorten “ erklärtes Ziel der Vergabe. Ein „stadtweit flächendeckendes Netz“, wie vom Fragesteller angesprochen, wird für Berlin als nicht realistisch eingeschätzt (fehlende Wirtschaftlichkeit, steigende finanzielle und logistische Anforderungen zur Wahrung der geforderten Servicequalität bei Ausdehnung des Bediengebiets ). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 666 3 Frage 10: Beinhaltet das Verleihsystem des erfolgreichen Bieters ein Angebot für sogenannte Pedelecs (E- Fahrräder) und wenn ja, welche Lösung wurde dafür gefunden? Antwort zu 10:Das Verleihsystem bietet derzeit noch keine E-Fahrräder an. Frage 11: Wie viele Arbeitsplätze werden durch das neue Verleihsystem in Berlin im Bereich von Verwaltung und Wartung entstehen (zum Vergleich: ca. 380 velib- Mitarbeiter in Paris)? Antwort zu 11: Entsprechende Informationen liegen derzeit noch nicht vor. Berlin, den 21. Juni 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2016)