Drucksache 17 / 18 676 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 06. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2016) und Antwort Medizinische Versorgung von Geflüchteten (II): Psychosoziale Gesundheitsversorgung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Leistungen umfasst im Land Berlin die psychiatrische Pflichtversorgung für Asylsuchende, wie sie im vom Senat vorgelegten Konzept zur „Medizinischen Versorgung von Asylsuchenden“ beschrieben wird und inwieweit wird diese von einem allgemeinen Angebot zur psychosozialen Gesundheitsversorgung ergänzt? (Vgl. Drucksache 2582 B.) Zu 1.: Für die psychiatrische Pflichtversorgung Asylsuchender stehen die psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, die psychiatrischen Fachkliniken , die niedergelassenen psychiatrischen Fachärztinnen und Fachärzte sowie die niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Verfügung. Ergänzt wird das Regelversorgungssystem durch die zeitlich befristet eingerichtete zentrale psychiatrische Clearingstelle der Charité am Standort Turmstraße 21, die die psychiatrische Diagnostik, psychiatrische Kurzintervention im akuten Krisenfall und erforderlichenfalls die Weiterleitung an das bezirkliche psychiatrische Versorgungssystem zur Behandlung realisiert. Schließlich können niedrigschwellige psychosoziale Kontakt- und Beratungsangebote der psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen wie auch der Alkohol- und Medikamentenberatungsstellen kostenfrei in Anspruch genommen werden. Allerdings ist hier die Frage der Sprachmittlung im Einzelfall zu klären. In Ergänzung dieser Leistungen haben sich in den Bezirken eine große Vielfalt an Angeboten, die vorrangig dem psychosozialen Bereich zuzuordnen sind, entwickelt. Viele dieser Angebote leben von der Initiative ehrenamtlich engagierter Personen. Dies können Kindergruppen, Begleitung zu Ämtern, Sport und Bewegung etc. sein. 2. Welche verbindlich festgelegten Kooperationsbeziehungen gibt es zwischen welchen Flüchtlingseinrichtungen (Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschafts- und Notunterkünfte, Hostels) und welchen weiteren für die psychiatrische Pflichtversorgung notwendigen Beteiligten ? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Unterkunft, Ortsteil /Bezirk, Kapazität, Betreiber, Angebot der fachärztlichen Behandlung und festgelegter Kooperationsbeziehung .) Zu 2.: Das Rahmenkonzept sieht die verbindliche Kooperation aller an der Versorgung psychisch auffälliger bzw. psychisch kranker Geflüchteter beteiligten Akteurinnen und Akteure vor. Für die Umsetzung und Sicherstellung sind die Bezirke verantwortlich. Auf der bezirklichen Ebene sind inzwischen vielfältige Kooperationsbeziehungen aufgenommen worden. Inwieweit diese zum jetzigen Zeitpunkt schon verbindlich geregelt sind bzw. welche Akteurinnen und Akteure im Einzelnen an diesen Kooperationen mitwirken, ist dem Senat nicht bekannt. Jedoch haben Bündnisse, wie z. B. im Bezirk Steglitz- Zehlendorf gezeigt, dass Kooperationen auf bezirklicher Ebene ausgesprochen sinnvoll und geeignet sind, die Qualität der Leistungen zu erhöhen. 3. Für welche Flüchtlingsunterkünfte im Land Berlin und in welchem Umfang sind niedergelassene Fachärzt *innen welcher Disziplin in eine allgemeine psychosoziale Gesundheitsversorgung (frühzeitige Erkennung, Behandlung und Betreuung von Störungen von Asylsuchenden ) mit eingebunden? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Unterkunft, Ortsteil/Bezirk, Kapazität, Betreiber, Angebot der fachärztlichen Behandlung und festgelegter Kooperationsbeziehung.) Zu 3.: In den großen Notunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen mit mehr als 500 Plätzen wird die medizinische Versorgung der Asylsuchenden zeitlich befristet durch die Einrichtung sogenannter Med-Punkte vor Ort unterstützt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 676 2 Die hierzu zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und den Betreibern der Med- Punkte geschlossenen Verträge sehen ein ärztliches Versorgungsangebot vor, welches in jedem Fall die Bereiche hausärztliche Versorgung und Pädiatrie umfasst. Hinzu kommen Gynäkologie und Psychiatrie im Med- Punkt Flughafen Tempelhof, Psychiatrie im Med-Punkt ICC sowie Gynäkologie im Med-Punkt Mertensstraße. Dazu hat die Betreiberin/der Betreiber des Med-Punktes jeweils entsprechend qualifiziertes ärztliches Personal zur Verfügung zu stellen. In den Med-Punkten Waldschluchtpfad und Ruschestraße/Köpenicker Allee werden vertragsgemäß entsprechend dem Facharztstandard qualifizierte Ärztinnen und Ärzte vorgehalten. Welche konkreten Disziplinen die eingesetzten Fachärztinnen und Fachärzte in diesen Einrichtungen haben, wurde nicht vertraglich vorgegeben. 4. Wie im Detail kooperiert und unterstützt der Senat a. das Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin e.V. (bzfo) b. Xenion, Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolge e.V. c. welche Spezialambulanzen für Menschen mit Migrationshintergrund und wie bewertet der Senat die Mittelkürzungen für Organisationen wie etwa Xenion seitens des Bundesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (BAMF)? 5. Plant der Senat für das laufende oder aber das kommende Jahr eine Aufstockung der Mittel für die unter 4. beschriebenen Organisationen? Zu 4. und 5.: Der Senat unterstützt das Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin e. V. (BZFO) und XENI- ON Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e. V. finanziell, für 2016 und 2017 wurden bereits Aufstockungen beschlossen. Der Betrieb der Beratungsstelle Xenion wird seit Jahren gefördert, in diesem Haushaltsjahr beträgt der Teilansatz 250.000 €, im Haushaltsjahr 2017 305.000 €. Ferner wurden zusätzlich 30.000 € aus dem Kapitel 2930 - Landesweite Aufgaben im Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen - bereitgestellt. Über das Partizipations- und Integrationsprogramm erhält Xenion für das Projekt „Therapien und Mentoren für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge (Mentorenprogramm ) in den Haushaltsjahren 2016/17 jeweils 40.000 €. Auch für Migrationsrechts- und Verfahrensberatung erhält Xenion Mittel aus dem Landeshaushalt in Höhe von rund 44.000 in diesem Jahr und rund 55.000 € in 2017. Das BZFO wird seit Jahren mit der Nettokaltmiete gefördert , für das Haushaltsjahr 2016 sind Mittel in Höhe von 155.500 € veranschlagt. Zusätzlich werden in diesem Haushaltsjahr Mittel aus dem Kapitel 2930 - Landesweite Aufgaben im Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen - in Höhe von 370.000 € für das Projekt „Netzwerk besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge (BNS) bereitgestellt. Das BZFO/Zentrum für Flüchtlingshilfen und Migrationsdienste (ZFM) ist hier Koordinierungsstelle von folgenden sechs Fachstellen: • AWO Kreisverband Berlin-Mitte • Behandlungszentrum für Folteropfer e. V. - Zentrum für Flüchtlingshilfen und Migrationsdienste (bzfo-zfm) • XENION – psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e. V. • Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e. V. (BZSL) • KommMit e. V. - Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migranten (KommMit-BBZ) • Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e. V. (KuB) Daneben haben einige der psychiatrischen Fachkliniken bzw. psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern im Rahmen ihrer Behandlungstätigkeit nach dem SGB V schon in der Vergangenheit Spezialambulanzen für Menschen mit Migrationshintergrund etabliert . Diese sind nicht Bestandteil der bezirklichen Pflichtversorgung psychisch Erkrankter, kooperieren jedoch auch mit dem bezirklichen Hilfesystem. Beispielsweise hat die Charité in den letzten Jahren Schwerpunkte dieses spezialisierten Angebots sowohl am Campus Benjamin Franklin als auch am Campus Mitte aufgebaut . 6. Was ist im Detail der Stand der Konzeption und Umsetzung einer Kooperation mit den unter 4. beschriebenen Organisationen für a. die Fortbildung von Fachkräften in den Flüchtlingsunterkünften , b. die Unterstützung des Regelversorgungssystems, c. die Fortbildung von in der Sprachmittlung tätiger Personen, wie sie im Konzept zur medizinischen Versorgung vorgeschlagen worden ist? Zu 6.: Anliegen des Rahmenkonzepts ist es, ein abgestimmtes Fortbildungskonzept für alle in der Flüchtlingsarbeit Tätigen bezogen auf gesundheitliche/soziale/psychosoziale Fragestellungen, die auch psychiatrische Themen beinhalten, zu erarbeiten und extern erbringen zu lassen. Diese Thematik wurde jedoch wegen des Vorrangs anderer Aufgaben zurückgestellt. Unabhängig davon ist dem Senat bekannt, dass sowohl die Charité, der Paritätische Wohlfahrtsverband und weitere Organisationen bereits Fortbildungen für in der Flüchtlingsarbeit Tätige angeboten haben. Über Anzahl, Themenschwerpunkte oder Teilnehmerzahlen liegen jedoch keine Informationen vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 676 3 7. Wie viele Therapieplätze stehen Geflüchteten bei welchen Organisationen und Einrichtungen der psychosozialen Gesundheitsversorgung im laufenden Jahr* zur Verfügung? Zu 7.: Zum Stichtag 31.12.2015 standen in Berlin für die ambulante Behandlung knapp 2.500 niedergelassene Fachärztinnen/Fachärzte für Psychiatrie, für Psychiatrie und Neurologie, für Psychiatrie und Psychotherapie und für Nervenheilkunde bzw. niedergelassene ärztliche Psychotherapeutinnen /Psychotherapeuten, Fachärztinnen /Fachärzte für psychotherapeutische Medizin Zusatztitel Psychotherapie bzw. Psychoanalyse und niedergelassene psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nach dem Psychotherapeutengesetz zur Verfügung . Außerdem stehen weitere Psychotherapiekapazitäten beim Behandlungszentrum für Folteropfer und bei Xenion zur Verfügung. Eine Aussage über die insgesamt zur Verfügung stehenden Psychotherapieplätze speziell für Geflüchtete ist jedoch nicht möglich. 8. Inwieweit sind Angebote der psychosozialen Gesundheitsversorgung abhängig vom Asylstatus und der Schutzbedürftigkeit der zu behandelnden Person, wenn das Konzept des Senats vor allem besonders schutzbedürftige Geflüchtete in den Fokus nimmt, aber gleichzeitig schätzungsweise bis zu fünfzig Prozent der Geflüchteten an Erkrankungen wie etwa Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) leiden? 9. Auf welcher Grundlage wird durch wen die besondere Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten definiert und wie wird eine entsprechende zeitnahe Unterbringung in welchen Unterkünften realisiert? Zu 8. und 9.: Die besonders schutzbedürftigen Personenkreise ergeben sich aus der Aufzählung der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, die ausdrücklich Minderjährige , Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern , Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien nennt. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Im Land Berlin werden beispielsweise LSBTI*-Menschen einbezogen. *(Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen) Angebote der psychosozialen Gesundheitsversorgung sind jedoch nicht von einer ausdrücklichen Feststellung besonderer Schutzbedürftigkeit abhängig. Derzeit wird die besondere Schutzbedürftigkeit Asylsuchender im Sinne der Aufnahmerichtlinie durch den Sozialdienst des LAGeSo sowohl möglichst bei der Erstregistrierung als auch über die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen nach Bezug der Einrichtungen festgestellt. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Med-Punkt auf dem LAGeSo-Campus, den Med-Punkten in den großen Unterbringungs-einrichtungen, den in den Einrichtungen tätigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und spezialisierten Einrichtungen, wie beispielsweise dem Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin. Der Sozialdienst organisiert dann nach Maßgabe freier Plätze gemeinsam mit der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAA) und der Zentralen Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) die Zuweisung bzw. Verlegung in Einrichtungen, die zuvor seitens der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) und dem Landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement (LKF) hinsichtlich der Möglichkeit der Unterbringung von besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden bewertet wurden. Aktuell hat das LAGeSo in Zusammenarbeit mit dem LKF insgesamt 25 Einrichtungen identifiziert, die geeignet sind für die Unterbringung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen. In diesen werden auch Plätze für die Belegung mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen vorgehalten. Es ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Einrichtungen noch weiter erhöht, da derzeit weitere Objektplanungen sowie Objektbegehungen und Gespräche mit Betreiberinnen und Betreibern stattfinden mit dem Ziel, weitere Unterbringungseinrichtungen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge zu ermitteln. In folgenden Unterbringungseinrichtungen können aktuell mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen (teilweise ) belegt werden: Hohentwielsteig, Lietzenburger Straße, Zum Heckeshorn, Hausvaterweg, Ostpreußendamm, Alfred-Randt-Straße, Brebacher Weg, Blumberger Damm, Ruschestraße, Fehrbelliner Platz, Müllerstraße, Niedstraße, Marburger Straße, Paulsternstraße, Eichborndamm, Smetanastraße, Kiefholzstraße, Schmidt-Knobelsdorf-Straße, Stresemannstraße, Daimlerstraße, Eschenallee, Oranienburger Straße, Prinzregentenstraße, Groß-Berliner-Damm. Handjerystraße, 10. Wie lange müssen Asylsuchende im Land Berlin zum aktuellen Zeitpunkt* im Durschnitt auf einen Therapieplatz warten, wenn sie an einer psychiatrischen Erkrankung leiden, und wie hoch ist die Genehmigungsquote seitens des BAMF oder aber seitens des zuständigen Bezirks? (Bitte aufschlüsseln nach zuständiger Behörde.) Zu 10.: Sofern sich die Frage auf Plätze für eine Psychotherapie bezieht, kann hierzu keine Auskunft erteilt werden, da die entsprechenden Informationen nicht vorliegen . Jedoch besteht trotz der großen Anzahl von Behandlerinnen und Behandlern in Berlin insgesamt das Problem langer Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 676 4 11. Inwieweit können Traumazentren, beispielsweise die unter 4. aufgelisteten Organisationen, Kosten für die Behandlung Asylsuchender bei welcher Behörde abrechnen und warum ist dies nicht über die an der Versorgung Asylsuchender beteiligten Krankenkassen möglich? Zu 11.: Traumazentren können die erforderlichen therapeutischen Leistungen je nach Zuständigkeit für die Leistungsgewährung mit dem LAGeSo oder dem jeweiligen Sozial-amt abrechnen. Soweit Patientinnen oder Patienten bereits eine Gesundheitskarte erhalten haben, ist hierüber auch eine Abrechnung möglich, wenn die eingesetzten Therapeutinnen oder Therapeuten eine Kassenzulassung erhalten haben. 12. Plant der Senat jenseits der Einrichtung der psychiatrischen Clearingstelle am LAGeSo-Standort Turmstraße den Aufbau fachpsychologischer und/oder psychiatrischer Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten in Flüchtlingsunterkünften mit sogenannten Medi-Points? a. Wenn nein, warum nicht? b. Wenn ja, wie im Detail kann so eine Maßnahme gestaltet werden und wie viele Wochenstunden angebotener Beratung und Behandlung pro wie viele Geflüchtete in einer Unterkunft hält der Senat für sinnvoll? Zu 12.: Der Senat plant, die Tätigkeit der zentralen psychiatrischen Clearingstelle baldmöglichst in die bezirkliche Pflichtversorgung zu überführen, in der die psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern bzw. die psychiatrischen Fachkliniken mit den ihnen angeschlossenen psychiatrischen Institutsambulanzen , die niedergelassenen psychiatrischen Fachärztinnen und Fachärzte sowie die Sozialpsychiatrischen Dienste die Versorgungsaufgabe übernehmen. Weitere zusätzliche (Parallel-)Strukturen sind aus Sicht des Senats nicht zielführend . 13. Wie bewertet der Senat die Wirkung von Post- Migration-Stressoren, beispielsweise die Unterbringung in Massenunterkünften, auf Geflüchtete und welche Maßnahmen im Detail ergreift der Senat zur präventiven Vermeidung einer sequentiellen Traumatisierung von Geflüchteten im Land Berlin? (Bitte aufschlüsseln.) Zu 13.: Zu dieser Frage ist bereits im Rahmenkonzept Stellung bezogen worden. Wesentliche Themen sind die Verfügbarmachung von angemessenem Wohnraum, Arbeit bzw. Tagesstruktur und weiteren Maßnahmen der Integration. Diese Faktoren wirken präventiv auf die Entwicklung von Traumafolgestörungen. Des Weiteren stellt der Senat Mittel für eine wohnortnahe psychosoziale Unterstützung in den Bezirken bereit, mit denen psychosoziale Fachkräfte je nach bezirklicher Schwerpunktsetzung sowohl in der Information /Kooperation mit den in der Flüchtlingsarbeit Aktiven als auch in der Arbeit mit psychisch auffälligen bzw. psychisch erkrankten Geflüchteten tätig werden. 14. Wie häufig wurden im zurückliegenden Jahr 2015 und im laufenden Jahr 2016 Sprachmittlungsdienste in der Gesundheitsversorgung benötigt? Zu 14.: Der Senat führt keine Statistik darüber, wie häufig Sprachmittlungsdienste in der Gesundheitsversorgung benötigt werden. Er verfügt lediglich über Informationen über die durch den Gemeindedolmetschdienst (GDD) erfolgten Einsätze für das Jahr 2015. Demnach erfolgten insgesamt 10.101 Einsätze (zuzüglich 908 Einsätze über das bis 31.12.2015 durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen geförderte sogenannte „Roma-Projekt“). Die zehn am häufigsten nachgefragten Sprachen waren Arabisch (2.119 Einsätze), Russisch (1.250 Einsätze), Dari (1.018 Einsätze), Türkisch (952 Einsätze), Polnisch (717 Einsätze), Persisch/Farsi (656 Einsätze), Vietnamesisch (626 Einsätze), Serbisch /Kroatisch/Bosnisch (447 Einsätze), Albanisch (349 Einsätze) und Rumänisch (323 Einsätze). 15. Wie im Detail und auf welcher Grundlage unterstützt der Senat die Aus- und Fortbildung von Sprachmittler *innen in der Flüchtlingsunterbringung im Allgemeinen und in der psychosozialen Gesundheitsversorgung im Besonderen? a. Welche Sprachen werden im Detail gefördert? 17. Was ist der Stand der Umsetzung eines „Pools von festangestellten qualifizierten“ Sprachmittler*innen, wie sie vom Senat im Konzept zur medizinischen Versorgung vorgeschlagen werden und inwieweit unterscheidet sich dieser Pool von dem Angebot, das bereits durch den Gemeindedolmetschdienst existiert? (Bitte aufschlüsseln, wie viele Sprachmittler*innen auf welcher Grundlage Teil des Pools sind.) a. Wie funktioniert die zentrale Koordinierung des Pools? Zu 15. und 17.: Der GDD arbeitete bisher mit einem Pool von 130 Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern für ca. 55 Sprachen und Dialekte, deren Einsätze auf Honorarbasis erfolgten. Nur für das sogenannte „Roma- Projekt“, das bis Ende 2015 durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen finanziert wurde, gab es bisher beim GDD Stellen. Außerdem wurde vom Senat die Regiestelle des GDD gefördert, welche die Projektkoordination und den Vermittlungsdienst umfasste. Das neue Konzept des GDD sieht nun die Erweiterung des bisherigen Angebots speziell für die Bedarfe bei der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden vor. Kernstück ist die Gewinnung und Qualifizierung von 20 Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern für die Sprachen Arabisch, Farsi, Dari und Kurdisch, die ebenfalls angestellt werden sollen, sowie der Aufbau einer Telefon-Hotline. Darüber hinaus werden auch die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler aus dem seit Jahren bestehenden Pool der über Honorarverträge arbeitenden freiberuflichen Gemeindedolmetscherinnen und Gemeindedolmetscher zur Verfügung stehen. Mit den Entwicklerinnen und Entwicklern des Curriculums zur Qualifizierung zu Sprach- und Integrationsmittelnden (SprInt) wur- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 676 5 de ein neues Qualifizierungsmodell entwickelt, das abwechselnd Theorie- und Praxisteile im monatlichen Rhythmus vorsieht und das mit einem Zertifikat abgeschlossen werden kann, welches dem Modul „Gesundheit “ der SprInt-Qualifizierung entspricht. Den freiberuflich arbeitenden Sprachmitterinnen und Sprachmittler, die bei der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen eingesetzt werden, werden Kooperationsverträge mit dem GDD angeboten, über die sie eine Aufwandsentschädigung für Zeit erhalten, die sie für die vom GDD angebotenen Fortbildungen und Supervisionen aufwenden. Die zentrale Koordinierung aller Sprachmittlerinnen und Sprachmittler wird wie bisher durch den Vermittlungsdienst erfolgen, wobei die maßgeschneiderte Planung erst nach Rücksprache mit allen Akteuren erfolgen kann. Zurzeit wird die zuwendungsrechtliche Bewilligung der Maßnahmen vorbereitet. 16. Welche weiteren Mittel aus welchen Haushaltstiteln für die Jahre 2016/17 hält der Senat für die personelle und finanzielle Ausstattung von Sprachmittlungsdiensten bereit? Zu 16.: Die Regie- und Vermittlungsstelle des GDD beim Träger Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V. und das sogenannte „Roma-Projekt“ werden im Doppelhaushalt 2016/17 mit ca. 210.000 € aus dem Kapitel 1100, Titel 68406 im Rahmen des Aktionsprogramms Gesundheit (APG) gefördert. 18. Auf welcher vertraglichen Basis, auf welcher fachlichen Grundlage und bei welchen zuständigen Organisationen arbeiten Sprachmittler*innen, welche die medizinische Versorgung von Asylsuchenden unterstützen? (Bitte Organisationen im Detail aufschlüsseln.) Zu 18.: Einsätze von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern finden in Krankenhäusern, in den Gesundheitsämtern der Bezirke, in Arztpraxen und bei freien Trägern statt. Nach Informationen des Senats besteht v. a. eine Zusammenarbeit mit dem GDD, in einigen Fällen auch mit Eubylon GmbH (z. B. Charité), Med- Lango GmbH (ein Bezirk). Ein Bezirk kooperiert darüber hinaus fachspezifisch mit Navitas gGmbH. Bei einfacheren Einsätzen und Begleitung zu gesundheitlichen Einrichtungen kommen auch Integrationslotsinnen und Integrationslotsen , Stadtteilmütter und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Migrantenorganisationen zum Einsatz. Über die Art der jeweiligen Vertragsgestaltung liegen nur vereinzelt Informationen vor. Der GDD hatte im Jahr 2015 4.040 Einsätze in Krankenhäusern (darunter 1.384 in der Charité - Universitätsmedizin Berlin und 1.336 bei Vivantes - Netzwerk für Gesundheit GmbH), in den Gesundheitsämtern der Bezirke (163 Einsätze), in Arztpraxen (35 Einsätze) und bei freien Trägern (1.014 Einsätze, davon allein 785 Einsätze beim Behandlungszentrum für Folteropfer „Überleben“). Eine Aufschlüsselung nach Einsätzen bei der gesundheitlichen Versorgung von Asylsuchenden und nach Einsätzen für andere Migrantinnen und Migranten wurde nicht vorgenommen, lediglich die Einsätze im sogenannten „Roma-Projekt“, welche in den Gesundheitsämtern der Bezirke erfolgten, wurden gesondert erfasst. Auch über die Art der Vertragsgestaltung liegen dem Senat nur in Einzelfällen Informationen vor. 19. Wie viele Rahmenvereinbarungen zwischen Gesundheitsämtern , Krankenhäusern, Flüchtlingsunterkünften und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales einerseits und welchen Organisationen, die Sprachmittlungsdienste anbieten, wurden in den Jahren 2010 – 2016 abgeschlossen? (Vgl. auch Drucksache 17/15680.) Zu 19.: Im fraglichen Zeitraum hatten zwei Bezirke eine auf den Einsatz im Gesundheitsamt bezogene Rahmenvereinbarung mit dem GDD und ein weiterer eine Rahmenvereinbarung mit MedLango abgeschlossen. Der GDD hat darüber hinaus mit folgenden Krankenhäusern Rahmenvereinbarungen abgeschlossen: Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin GmbH, Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge gGmbH, Vivantes - Netzwerk für Gesundheit, Charité Universitätsklinikum (für die Psychiatrische Institutsambulanz Mitte). Berlin, den 27. Juni 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2016)