Drucksache 17 / 18 691 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 08. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juni 2016) und Antwort Radikaler Neustart an der Volksbühne Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie werden die künstlerischen Sparten, die Chris Dercon im Konzept volksbühne plus vereinen will, zukünftig an der Volksbühne gewichtet? Zu 1.: Die Berufung von Chris Dercon zum neuen Intendanten der Volksbühne ab 01. August 2017 geht einher mit einer konzeptionellen Neuausrichtung des Theaters, das künftig Sprechtheater, Tanz, Performance, Film, Musiktheater , Bildende Kunst und Kulturen des Digitalen versammeln und gleichberechtigt miteinander verschränken wird. Von einer Gewichtung der künstlerischen Sparten zueinander kann deshalb nicht gesprochen werden. 2. Welche Bedeutung wird das Sprechtheater zukünftig am Haus haben und wir wird sich der Anspruch nach mehr Internationalität auf den Umgang mit Sprache und insbesondere mit der deutschen Sprache auswirken? Zu 2.: Das Sprechtheater an der Volksbühne wird weiterhin eine sehr große Bedeutung haben. Deutschsprachige Eigenproduktionen werden in Zukunft englisch übertitelt . Für nicht-deutschsprachige Aufführungen werden individuelle Übertitelungs- oder Übersetzungslösungen entwickelt. Die Volksbühne wird mit ihren künftigen Programmen stärker als bisher auf die zunehmend polyglotte Stadtgesellschaft reagieren. 3. Welcher Spielbetrieb wird für die Volksbühne zukünftig als Form gewählt, Repertoire, ensuite oder Mischmodelle? 4. Wie bewertet der Senat eine Entwicklung zu einem ensuite-Betrieb vor dem Hintergrund der künstlerischen Tradition der Volksbühne und unter den gegebenen technischen und personellen Ressourcen? Zu 3. und zu 4.: Repertoire- und En-suite-Betrieb werden sich künftig ergänzen. Dabei wird für jede Aufführung die individuell passende Form gewählt. Der designierte Intendant der Volksbühne Chris Dercon hat mehrfach betont, dass die künstlerische Tradition der Volksbühne bewahrt und um neue Orte und Formate ergänzt werden wird. Das künftige Volksbühnenteam wird ein neues Repertoire aufbauen, für das unter Einbeziehung von künstlerischen und ökonomischen Prämissen die jeweils geeignete Spielbetriebsentscheidung getroffen wird. 5. In welchem Verhältnis sollen zukünftig eigene Produktionen, Koproduktionen und eingekaufte Produktionen sowie Gastspiele stehen? Gibt es hier vertragliche Vorgaben oder Auflagen an das Leitungsteam und wenn ja welche? Zu 5.: Im Zentrum des künftigen Spielplans werden Eigenproduktionen stehen, die in Berlin entwickelt, geprobt und uraufgeführt werden. In Fällen, in denen es künstlerisch sinnvoll und finanziell notwendig ist, werden Produktionen in Zusammenarbeit mit lokalen, nationalen und internationalen Koproduktionspartnerinnen und - partnern verantwortet. Der Umfang künftiger Gastspielangebote ist derzeit nicht quantifizierbar. Vertragliche Vorgaben oder Auflagen an das künftige Leitungsteam der Volksbühne gibt es nicht. 6. Wie viele Neuproduktionen (jeweils bitte auflisten nach Spielstätten) sind pro Spielzeit mit der Leitung des Hauses vom Senat vereinbart worden? Zu 6.: Vereinbarungen über die Anzahl von Neuproduktionen pro Spielzeit gibt es nicht, sie sind auch in anderen Intendantinnen- und Intendantenverträgen nicht üblich. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 691 2 7. Welche vertraglichen Verpflichtungen bestehen für Chris Dercon hinsichtlich hausinterner und öffentlicher Bekanntgaben zu seinen konkreten Programmplanungen und an welche Termine sind diese gebunden? Zu 7.: Chris Dercon ist, wie alle anderen Berliner Intendantinnen und Intendanten auch, vertraglich verpflichtet , der Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten die Spielpläne vor deren Veröffentlichung mitzuteilen. 8. Wird es zukünftig an der Volksbühne noch ein eigenes Ensemble geben und wenn ja, wie soll sich dieses zusammensetzen? Zu 8.: Es wird an der Volksbühne auch künftig ein festes künstlerisches Ensemble geben, das durch gastierende Künstlerinnen und Künstler ergänzt wird. An der personellen Zusammensetzung des Ensembles wird gegenwärtig gearbeitet. 9. Wird die Volksbühne mit in Berlin ansässigen freien künstlerischen Ensembles kooperieren und gibt es diesbezüglich vertragliche Vorgaben seitens des Senats an das Haus? Zu 9.: Das neue Leitungsteam der Volksbühne beobachtet die Akteurinnen und Akteure der Berliner Freien Szene in den verschiedenen Bereichen der Performancekunst und ist mit Künstlerinnen und Künstlern im Austausch über Konzepte und Kollaborationen. Vertragliche Vorgaben des Senats gibt es diesbezüglich nicht, sie sind auch in anderen Intendantinnen- und Intendantenverträgen nicht üblich. 10. Soll der Betrieb der Volksbühne zukünftig in einem 1 Schicht- oder 2 Schichtsystem organisiert werden und welche personellen Konsequenzen leiten sich aus dieser Entscheidung ab? Zu 10.: Eine Veränderung des derzeitigen Schichtsystems ist nicht geplant. 11. Welche Aufgaben werden die auf große Ausstattungen ausgerichteten Werkstätten bei der zukünftigen Produktionsweise haben und sind hier Umstrukturierungen geplant? Zu 11.: Die Volksbühne wird als produzierendes Theater auch künftig die zur Verfügung stehenden Werkstattkapazitäten intensiv nutzen. Umstrukturierungen sind nicht geplant. 12. Wie und wann werden programmbedingte personelle Veränderungen an die jetzigen Beschäftigten kommuniziert , insbesondere an die nach NV-Bühne beschäftigten MitarbeiterInnen? Sind zudem Abfindungen für oder Versetzungen von MitarbeiterInnen geplant und wenn ja, welche? Zu 12.: Der Normalvertrag (NV) Bühne sieht für den Fall, dass gegenüber einer/einem nach NV Bühne Beschäftigten eine Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen werden soll, die Beachtung von Fristen vor. Die von Nichtverlängerungsmitteilungen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volksbühne werden derzeit vom designierten Intendanten der Volksbühne Chris Dercon darüber informiert. Der NV Bühne regelt im Falle von Nichtverlängerungen Abfindungslösungen tarifvertraglich . 13. Was wird, bedingt durch die internationale Ausrichtung , zukünftig die Arbeitssprache am Haus sein und wie wird gewährleistetet, dass keine Benachteiligung für die Beschäftigten entsteht? Zu 13.: Die Arbeitssprache in der Volksbühne wird weiterhin Deutsch sein. 14. Wie bewertet der Senat das Argument, dass das neue künstlerische Konzept und der vorhandene Spielbetrieb inkl. der unkündbaren Beschäftigten zukünftig nicht oder nur begrenzt zusammenpassen und welche Möglichkeiten wird der Senat ergreifen, um diesem Szenario entgegenzuwirken ? Zu 14.: Das in der Fragestellung formulierte Argument entbehrt jeglicher Grundlage. 15. Welche Vorgaben hat Chris Dercon zur Wirtschaftlichkeit der Volksbühne unter Berücksichtigung der stetigen Kosten für Betrieb und Personal hinsichtlich des Einkaufs von Produktionen? Zu 15.: Verbindliche Grundlage für die Wirtschaftsführung der Volksbühne ist der von der Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten gemäß den Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung zu § 26 Abs. 1 Nr. 6.2 festzusetzende Wirtschaftsplan des jeweiligen Haushaltsjahres . Der Wirtschaftsplan ist Bestandteil des Haushaltsplans von Berlin, der mit dem Haushaltsgesetz durch das Abgeordnetenhaus von Berlin beschlossen wird. 16. Wie sind die Mitglieder des Artistic Board vertraglich an die Volksbühne gebunden und was wird ihre jeweilige Aufgabe sein? Zu 16.: Die Verhandlungen mit den Künstlerinnen und Künstlern des Artistic Board sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. 17. Erwartet der Senat zur Eröffnung der volksbühne plus eine eigene Neuproduktion und wenn nein, warum nicht? Zu 17.: Der designierte Intendant der Volksbühne Chris Dercon konkretisiert gegenwärtig seine künstlerischen Planungen, die er im Frühjahr 2017 der Öffentlichkeit vorstellen wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 691 3 18. Welche kulturpolitische Auswirkung besteht, wenn die volksbühne plus mit einer klassischen Festival Produktion eröffnet, die bereits seit über zehn Jahren tourt und schon einmal zur Saisoneröffnung einer neuen Intendanz diente? Zu 18.: Die Volksbühne wird mit Eigenproduktionen und speziell für Berlin entwickelten Produktionen in die Spielzeit 2017/18 starten. Die in der Fragestellung angeführte Produktion ist für den Weihnachts- und Silvesterspielplan 2017 im Gespräch. 19. Woran wird sich zukünftig der programmatische Unterschied zwischen der Volksbühne und dem Haus der Berliner Festspiele festmachen, wie werden Doppelungen vermieden? Zu 19.: Die vom neuen Volksbühnenteam angesprochenen Künstlerinnen und Künstler sind eingeladen, langfristig und nachhaltig in Berlin zu produzieren, auf die jeweilige Architektur der von der Volksbühne genutzten Orte zu reagieren und dabei die Ressourcen und das Potenzial des Hauses zu nutzen. Im Vergleich zu den Berliner Festspielen tritt die Volksbühne als Produzent auf, individuell auf die besondere Arbeitsweise der jeweiligen Künstlerin/des jeweiligen Künstlers reagierend. 20. Ist dem Senat bekannt, ob und in welcher Größenordnung von der neuen Leitung der Volksbühne Sponsorenmittel eingeworben werden und wozu diese verwendet werden sollen? Zu 20.: Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht bekannt, ob und in welchem Umfang die neue Leitung der Volksbühne Sponsorenmittel einwerben wird. 21. Was ist der aktuelle Stand der Planung für die Bespielung der Hangars 5 und 6 im Tempelhofer Flughafen? Ist eine kulturelle Nutzung in Aussicht und wie präzisiert sich heute die Aussage von Staatssekretär Tim Renner im Hauptausschuss am 20.11.15 (laut Inhaltsprotokoll: „Man hoffe, dass die Hangars im Flughafengebäude 2017 nicht mehr komplett belegt seien. Aber selbst dann, wenn sie belegt wären, sei dort auf den immer noch reichlich vorhandenen Flächen eine kulturelle Nutzung sinnvoll. Damit würde man den bis zu 10 000 Flüchtlingen vor Ort ein kulturelles Angebot bieten und gleichzeitig eine Verbindung zur Stadtgesellschaft herstellen. Insofern werde er anregen, dass das künftige Volksbühnen-Team schon früher ein Konzept entwickle, das dort nach Möglichkeit schon 2016 greife.“)? Zu 21.: Die Entwicklung einer neuen Spielstätte im Tempelhofer Flughafengebäude ist ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt der neuen Volksbühnenleitung. Eine Prüfung der Nutzung der Hangars 5 oder 6 durch die Volksbühne war vorgesehen, bevor die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft geplant wurde. Derzeit ist die Nutzung des Hangars 1 durch die Volksbühne vorgesehen. Aktuell werden finale Prüfungen durchgeführt, um die verschiedenen Möglichkeiten für eine temporäre Bespielung des Hangars auszuloten. 22. Welche Vereinbarung wurde mit dem Kino Babylon getroffen, um mit der Volksbühne zu kooperieren, bzw. wann soll diese Vereinbarung erfolgen und welche finanziellen Auswirkungen wird diese auf den Etat der Volksbühne haben? Zu 22.: Der Abstimmungsprozess zu möglichen Kooperationen zwischen der Volksbühne und dem Kino Babylon ist noch nicht abgeschlossen. 23. Wie lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt die Verwendung der im Haushalt 2016/2017 bereitgestellten Mittel in Höhe von 564.000 Euro für das Jahr 2016 präzisieren (ursprünglich laut roter Nummer 2087 138.000 Euro für Personal-/Reisekosten, 450.000 Euro für Produktionskosten und 150.000 Euro für Entwicklung Terminal Plus)? Zu 23.: Aufgrund des vom neuen Volksbühnenteam aktuell umzusetzenden Vorbereitungsprozesses zur Übernahme der Intendanz durch Chris Dercon im Sommer 2017 ist eine verlässliche Präzisierung der in 2016 zusätzlich bereitgestellten finanziellen Mittel zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Partielle Verschiebungen zwischen den Einzelpositionen sind gemäß Landeshaushaltsordnung zulässig. Berlin, den 24. Juni 2016 In Vertretung Tim Renner Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2016)