Drucksache 17 / 18 692 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (GRÜNE) vom 08. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juni 2016) und Antwort Einrichtung und Betrieb einer behindertengerechten Spreefähre im Bereich des Spreetunnels in Friedrichshagen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Aus welchen gesicherten Erkenntnissen leitet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz die im Schriftverkehr mit der „Initiative Spreefähre Friedrichshagen“ die Aussage ab, dass ein eher geringer Bedarf für die Fährverbindung besteht? Gibt es eine Bedarfserhebung ? Wenn ja, wo ist diese einzusehen? Frage 2: Von welchem Finanzierungsvolumen für welche technischen und betrieblichen Erfordernisse der Fährverbindung geht die Senatsverwaltung aus? Frage 3: Warum soll diese gewünschte Fährverbindung teurer sein als vergleichbare Fährverbindungen? Frage 4: Gibt es eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu der gewünschten Fähre bzw. mit welchen belastbaren Werten zu den Investitionen für die erforderliche Infrastruktur und das Fährschiff sowie zu den Betriebskosten im Verhältnis zu den erwarteten Einnahmen begründet die Senatsverwaltung die behauptete Unwirtschaftlichkeit der Fährverbindung? Welche Wirtschaftlichkeit erreichen die bestehenden Fähren im Land Berlin? Frage 5: Ist der Senat bereit, bei der Fortschreibung des Nahverkehrsplans die Realisierbarkeit der barrierefreien Fährverbindung, gerade wegen des Aspekts der steigenden Anzahl von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen , die nicht den Spreetunnel nutzen können, und wegen des wahrscheinlichen Wegfalls der Fähre F11, nach ÖPNV-Gesetz §2 Abs. 8 erneut ernsthaft zu prüfen? Antwort zu Frage 1- 5: Die seit längerem engagiert vorgetragene Forderung nach einer barrierefreien Querungsmöglichkeit der Spree im Bereich des Fußgängertunnels in Friedrichshagen ist erst zu einer Forderung nach einer Fährverbindung im Rahmen des ÖPNV 1 ge- 1 Öffentlicher Personennahverkehr worden, nachdem sich die Ideen für Aufzüge bzw. eine Brücke aus finanziellen und technischen Gründen als nicht durchführbar herausgestellt haben. Die dann folgenden , vielfältigen Vorschläge, wie eine attraktive Ausflugslinie mit einem Schiff u.a. in Kombination z.B. der F23 über den gesamten Müggelsee und Umgebung gestaltet werden könnte, zeigten ebenfalls, dass es bei der diskutierten Frage nicht primär um die Erfüllung der Aufgaben des ÖPNV geht, sondern um das Finden einer Finanzierungsmöglichkeit , um damit einen beliebten Ausflugsweg barrierefrei und damit auch gezielt touristisch attraktiver zu gestalten. Es ist jedoch weder gesetzlicher Auftrag des ÖPNV und des Aufgabenträgers, touristisch attraktive Angebote zu schaffen oder zu jeder vorhandenen, aber nicht barrierefreien Wegeverknüpfung (ob Tunnel oder z.B. auch Brücke mit Stufen) ein parallel verkehrendes, barrierefreies ÖPNV-Angebot zu bestellen. Dies ergibt sich auch nicht aus der Aufgabe der Daseinsvorsorge des Landes Berlin, die sich keineswegs so interpretieren lässt, dass sie den Aufgabenträger für den ÖPNV automatisch zur Bestellung jeglicher denkbaren, zusätzlichen Verbindung im Berliner ÖPNV-Netz verpflichtet. Unstreitig gehört es zur Sicherung der Daseinsvorsorge auch, die Verbindung von Wohn- und Erholungsgebieten sicher zu stellen. Dieses ist im konkreten Fall des Erholungsgebietes Kämmereiheide aber bereits durch das vorhandene ÖPNV-Angebot mit 3 Buslinien (165, 269, X69) gesichert. Die Straßenbahnlinien 27 und 67 enden ebenfalls in unmittelbarer Nähe des großflächigen Ausflugsgebietes . Auch die über die Kämmereiheide hinausgehenden Ausflugsgebiete und Ziele am Südufer des Müggelsees sind von den Haltestellen der Buslinie X69 für mobilitätseingeschränkte Menschen gut zu erreichen, meist sogar mit deutlich kürzeren Reisezeiten als sie sich unter Berücksichtigung des langen Weges vom Südausgang des Spreetunnels ergeben würden. Die Einrichtung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 692 2 eines zusätzlichen ÖPNV-Angebots mit einer Fähre in Friedrichshagen würde mithin keinen Erschließungsmangel beheben, sondern ein zusätzliches Angebot darstellen. Unter diesem Aspekt ist die Fragestellung nach der Notwendigkeit einer zusätzlichen ÖPNV-Fährverbindung zu beantworten. Wie alle anderen Angebote im ÖPNV auch muss sich dieser Vorschlag zudem an den Vorgaben aus dem ÖPNV-Gesetz des Landes Berlin messen lassen, zu denen neben den Vorgaben zur Barrierefreiheit des ÖPNV nicht zuletzt auch der Aspekt der Wirtschaftlichkeit gehört (§ 2 Abs. 4 ÖPNVG Berlin). Bei der Abschätzung des potenziellen Fahrgastaufkommens auf der vorgeschlagenen Spreequerung ist zu berücksichtigen, dass nicht jede Person, die heute den Tunnel quert, auch Nutzer des Fährverkehrs wäre. Denn die Anzahl der Tunnelnutzer ist geprägt durch die jederzeit gegebenen Querungsmöglichkeit, auch außerhalb der im Übrigen Fährverkehr üblichen Betriebszeiten. Zudem würden die heutigen Nutzerinnen und Nutzer des Tunnels angesichts der üblichen Wartezeiten eines zudem nur saisonalen Fährbetriebs in ihrer Mehrheit wohl nicht bis zu 20 Minuten auf eine parallele Fähre warten. Auf der Kostenseite ist eine Fährverbindung geprägt von hohen Fixkosten und der extremen Spezialisierung sowohl der Technik als auch des Personals. Beides ist - z.B. ganz im Gegensatz zum Busverkehr - besonders aufwändig und nicht flexibel einsetzbar bzw. austauschbar . Zudem ist bei der Kalkulation der Personalkosten zu berücksichtigen, dass diese auch bei einer Saisonfähre ganzjährig entstehen. Da die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bei der Neukonzeption des Fährverkehrs ab 2014 zudem das Angebot und die Qualität u.a. durch eine Saisonverlängerung, deutlich höhere Anforderungen an das Emissionsverhalten und die Barrierefreiheit erheblich verbessert hat, müssen für den Fährverkehr seitdem rund 400.000 € pro Jahr mehr aufgebracht werden. Insofern sind die Kosten des Fährbetriebs grundsätzlich als hoch einzuschätzen, sowohl absolut als auch relativ im Verhältnis zum Fahrgastaufkommen. Die bekannten Kosten des vorhandenen Fährverkehrs (ca. 800.000 € für die vier Elektrofähren) reichen daher für den Aufgabenträger aus, um eine plausible Kosteneinschätzung vornehmen zu können. Die Einrichtung einer zusätzlichen Fährverbindung in Friedrichshagen ist aufgrund der vorhandenen, vielfältigen und barrierefreien Erschließung der Erholungsgebiete südlich des Müggelsees weder vordringlich, noch - nach den für den Aufgabegenträger verbindlichen Vorgaben des Berliner Nahverkehrsplans - eine Aufgabe der Daseinsvorsorge . Berlin, den 24. Juni 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2016)