Drucksache 17 / 18 702 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 09. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juni 2016) und Antwort Nachfragen zum geplanten Abriss preiswerten Wohnraums in der Heidelberger Straße in Neukölln Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Frage betrifft in Teilen Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort zukommen zu lassen und hat daher das Bezirksamt Neukölln um Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat überliefert wurde. Sie wird in den Antworten zu 1 bis 4 und 7 wiedergegeben : Frage 1: Hat das Bezirksamt Neukölln den Abriss der bis 1998 öffentlich geförderten Wohngebäude der Wohnungsbaugenossenschaft Wohnungsbau-Verein Neukölln eG mit insgesamt 76 Wohnungen in der Heidelberger Straße 15-18 nach Zweckentfremdungsverbot-Gesetz - ZwVbG genehmigt, und wenn ja, wann? Antwort zu 1: Das Bezirksamt Neukölln von Berlin hat den Abriss von Wohnraum für die Objekte Heidelberger Straße 15, 17 und 18 jeweils mit Bescheid vom 21.01.2016 genehmigt. Die Genehmigung wirkt vom 01.02.2016 bis 31.01.2017 und wurde unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass sämtliche Wohnräume tatsächlich und rechtlich frei sind. Weiterhin wird von der Forderung einer einmaligen Ausgleichsabgabe abgesehen, wenn angemessener Ersatzwohnraum durch Neubau geschaffen wird. Die Anerkennung des Ersatzwohnraumangebotes wurde mit folgenden Auflagen versehen: 1. Die Kaltmiete darf die Höhe der ortsüblichen Kaltmiete nicht übersteigen. 2. Die Verfügungsberechtigung von Abriss- und Neubauprojekt muss identisch sein. Weiterhin ist der Ersatzwohnraum mit Fertigstellung des Neubaus, spätestens ab 01.01.2018 Wohnzwecken zuzuführen. Frage 2: Wie hat das Bezirksamt Neukölln die Einzelfallentscheidung , bei der die vorgebrachten privaten Interessen mit dem öffentlichen Interesse an der Wohnraumerhaltung abgewogen werden müssen, abgewogen und begründet (bitte um ausführliche Darstellung im Originalwortlaut)? Antwort zu 2: Das Bezirksamt Neukölln von Berlin hat hierzu Folgendes mitgeteilt: „Von dem gesetzlich vorgesehenen Genehmigungsvorbehalt kann nach pflichtgemäßem Ermessen nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Denn gem. § 1 Abs. 1 S. 1 ZwVbG 1 wird ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt normiert. Die Zweckentfremdung von Wohnraum soll grundsätzlich verhindert werden und das Verbot der Zweckentfremdung den gesetzlichen Regelfall darstellen. Eine Genehmigung kann erteilt werden wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums zu Wohnzwecken überwiegen oder wenn in besonderen Ausnahmefällen durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum der durch die Zweckentfremdung eintretende Wohnraumverlust ausgeglichen wird. Im Rahmen der hierbei erforderlichen Abwägung mit dem vorrangigen öffentlichen Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angemessen Rechnung zu tragen. Der jeweils ausgewiesene Ersatzwohnraum ist angemessen und gleicht den eintretenden Wohnraumverlust aus. In Anbetracht der Tatbestände stellt der ausgewiesene Ersatzwohnraum ein verhältnismäßiges Mittel für die Erteilung einer Genehmigung auf zweckfremde Nutzung von Wohnraum gem. § 3 Abs. 1 ZwVbG dar. 1 Zweckentfremdungsverbot-Gesetz Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 702 2 Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 ZwVbG gegeben. Das Antragsverfahren hat Aussicht auf Erfolg. Die Genehmigung des Antrages zur zweckfremden Nutzung von Wohnraum ist geeignet, erforderlich und angemessen. Ziel des Zweckentfremdungsverbots -Gesetz ist es, die Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen zu versorgen. Der o.a. Wohnraum erfüllt den Zweck des Wohnens nicht, weil er tatsächlich nicht zum Wohnen geeignet ist. Durch die Schaffung von Ersatzwohnraum kann eine zweckfremde Nutzung des o.a. Wohnraums durchgeführt werden. Der Schutz des bestehenden Wohnraums zu Wohnzwecken wird somit mittels Ersatzwohnraum verfolgt und der geeignete Zweck erfolgt mittels Genehmigung unter Auflage zur zweckfremden Nutzung von Wohnraum. Die Maßnahme ist erforderlich weil kein milderes Mittel zur Verfügung steht, welches den gesetzlichen Zweck in gleicher Effektivität erreichen kann. Unbewohnbarer Wohnraum wird zweckentfremdet und im gleichen Zuge wird neuer Wohnraum geschaffen. Demzufolge wird neuer Wohnraum geschaffen und dem Land Berlin zur Verfügung gestellt.“ Frage 3: Wie viele Mieterinnen und Mieter wohnen derzeit in der Wohnanlage, wie viele sind seit Anfang 2015 ausgezogen, wie viele Wohnungen stehen aktuell leer? Antwort zu 3: Es liegen dem Bezirksamt Neukölln von Berlin keinerlei Informationen vor. Frage 4: Wird die Genossenschaft in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt für die bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner einen Sozialplan nach § 180 Absatz 3 BauGB anbieten und darin Regelungen zu einer Übergangswohnung und zum Einzug in den Ersatzwohnraum in der Weise vereinbaren, dass nachteilige Auswirkungen vermieden werden? Antwort zu 4: Ein Sozialplan nach § 180 Baugesetzbuch (BauGB) ist nur möglich bei Auswirkungen von Bebauungsplänen, bei städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen , städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen oder Stadtumbaumaßnahmen. Die Grundstücke in der Heidelberger Straße sind von solchen Maßnahmen nicht betroffen . Dem Bezirksamt Neukölln von Berlin ist jedoch bekannt , dass die Baugenossenschaft allen Bestandsnutzern in den abzureißenden Gebäuden Ersatzwohnraum in anderen Bauteilen der Genossenschaft angeboten hat und hier auch reduzierte Nutzungsentgelte vereinbart hat. Nach Aussage von Genossenschaftsvertretern hat die überwiegende Mehrheit der Nutzer diese Angebote angenommen. Weitergehende Informationen liegen jedoch nicht vor. Frage 5: Warum wendet das Bezirksamt Neukölln nicht das rechtlich zulässige Mittel an, mit Hilfe von Verwaltungszwang die Genossenschaft zur Vornahme einer Rückführung des leerstehenden Wohnraums zu beugen (siehe Drs. 17/17106)? Frage 6: Warum tut der Senat dies nicht anstelle des Bezirksamtes in Form einer behördlichen Einweisung von Mieterinnen und Mietern in die Wohnungen zur Leerstandsvermeidung und Belegung des Objekts bis zu dem Zeitpunkt, an dem die letzte Altmieterin / der letzte Altmieter freiwillig ausgezogen ist? Antwort zu 5 und 6: Es wird auf die Schriftliche Anfrage 17/17491 und die dortige Antwort auf die Frage 3 verwiesen. Demnach bestand in Folge der Abrissgenehmigung behördlicherseits kein Anlass auf ein zweckentfremdungsrechtliches Rückführungsverlangen. Hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung beim Vollzug des Zweckentfremdungsverbotes wird auf die Schriftliche Anfrage 17/17106 und die dortige Antwort auf die Fragen 1 und 2 sowie auf die Schriftliche Anfrage 17/16711 und die dortige Antwort auf die Frage 3 verwiesen . Hinsichtlich evtl. Tätigwerdens des Senats im Rahmen des Eingriffsrechts nach § 13a Abs. 1 Satz 1 AZG wird auf die Schriftliche Anfrage 17/17106 und die dortige Antwort auf die Fragen 4 bis 6 sowie auf die Schriftliche Anfrage 17/16711 und die dortige Antwort auf die Frage 8 verwiesen. Frage 7: Hat das Bezirksamt Neukölln eine Baugenehmigung für den Ersatzneubau erteilt, und wenn ja, wann und unter welchen Auflagen? Antwort zu 7: Mit Datum vom 21.01.2016 ist für das Grundstück Heidelberger Straße 15, 16, 17, 18 die Baugenehmigung Nr. 1015/1067 gem. § 64 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) zum Neubau von 93 Wohnungen und einer Tiefgarage erteilt worden. Die Baugenehmigung enthält folgende Nebenbestimmungen : Aufschiebende Bedingungen: Mit den Bauarbeiten darf erst begonnen werden, wenn die Flurstücke 52, 53, 54 und 56 des Flur 106 mit dem zu erwerbenden Flurstück, das aufgrund der Verschiebung des Wendehammers in der Sülzhayner Straße neu gebildet wird, grundbuchlich vereinigt worden sind. Der Grundbuchauszug ist der Bauaufsichtsbehörde mit der Baubeginnanzeige vorzulegen. Mit den Bauarbeiten darf erst begonnen werden, wenn der Bericht über den geprüften Standsicherheitsnachweis, der Teilbericht oder die Erklärung zum Standsicherheitsnachweis hier vorliegt. Mit den Bauarbeiten darf erst begonnen werden, wenn der Bericht über den geprüften Brandschutznachweis hier vorliegt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 702 3 Auflagen: Die in den Anlagen A, 1 und 2 (6 Seiten) beigefügten Nebenbestimmungen des Umwelt- und Naturschutzamtes, Untere Naturschutzbehörde, sind Bestandteil dieses Bescheides . Denkmalrechtliche Erlaubnis: Die Untere Denkmalschutzbehörde im Bezirksamt Neukölln von Berlin stimmt dem Vorhaben auf Grundlage des § 10 i.V.m. § 11 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) unter folgenden Auflagen zu: Das Farbkonzept der Fassadengestaltung (äußeres Erscheinungsbild , inkl. außenliegender Sonnenschutz) ist rechtzeitig vor Beginn anhand von Musterflächen vor Ort mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Geplante Solarthermie- und / oder Photovoltaikanlagen auf den Flachdächern der Neubauten sind so anzuordnen , dass sie aus den öffentlichen Straßenräumen nicht wahrnehmbar sind. Die genaue Anzahl und Lage der Module sowie die Gestaltung (z. B. Attika) ist anhand einer Detailplanung gesondert mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Art und Gestaltung der Freianlagen (insb. neuer Quartiersplatz ) und Tiefgaragenzufahrt ist anhand einer Detailplanung gesondert mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Zum Baugenehmigungsbescheid sind vier planungsrechtliche Ausnahme- bzw. Befreiungsbescheide, jeweils ohne Bedingungen oder Auflagen zugehörig. Frage 8: Wie bewertet der Senat die bezirkliche Genehmigung und den Umfang der Auflagen vor dem Hintergrund , dass der Gesetzgeber vorgesehen hat, dass die Genehmigung der Wohnraumbeseitigung erteilt werden kann, wenn in besonderen Ausnahmefällen durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum der durch die Zweckentfremdung eintretende Wohnraumverlust ausgeglichen wird? Antwort zu 8: Der Senat geht - unter Berücksichtigung des Gesamtwortlautes der Frage - davon aus, dass sich die Frage zur bezirklichen Genehmigung auf eine zweckentfremdungsrechtliche Beurteilung bezieht und insoweit nicht in Zusammenhang baurechtlicher Genehmigung zur Frage 7 steht. Vor diesem Hintergrund verweist der Senat inhaltlich auf die obenstehende Antwort zur Frage 2. Frage 9: Wird die Genossenschaft Wohnraumförderung des Landes Berlin in Anspruch nehmen; wenn ja, wird dabei lediglich der Anteil der für den Abriss vorgesehenen 76 Wohnungen als mietpreis- und belegungsgebundener Anteil im Neubau vorgesehen oder entstehen zusätzliche mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen ; wenn nein, wie wird der Anteil von 76 bislang preiswerten Wohnungen im Neubau berücksichtigt? Frage 10: Wie hoch wird die Miete im Ersatzneubau sein; wie hoch sind die zuletzt erhobenen Mieten im Wohnobjekt? Antwort zu 9 und 10: Dem Senat liegen hinsichtlich einer Inanspruchnahme von Wohnraumförderungsmitteln noch keine Erkenntnisse vor. Bezüglich der Miethöheangaben wird auf die Antwort zur Frage zu 1. verwiesen. Berlin, den 22. Juni 2016 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Juni 2016)