Drucksache 17 / 18 711 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Alessa Berkenkamp und Benedikt Lux (GRÜNE) vom 09. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juni 2016) und Antwort Vom Basislager bis zum Gipfel? Wie diskriminierungsfrei beurteilt und befördert die Berliner Polizei Frauen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie garantiert die Berliner Polizei, dass Beförderungen und regelmäßige Beurteilungen der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung von Mitarbeiter *innen im Polizei(vollzugs-)dienst gemäß Artikel 33 Absatz 2 GG, Artikel 3 Absatz 2 GG und Artikel 3 Absatz 1 LGG tatsächlich diskriminierungsfrei erfolgen? Zu 1.: Beförderungen und Beurteilungen bei der Polizei Berlin werden diskriminierungsfrei vollzogen. Die Verantwortung hierfür fällt in die persönliche Verantwortlichkeit der mit diesen Personalmaßnahmen betrauten Dienstkräfte. Vorsätzliche oder fahrlässige Diskriminierungen würden Dienstpflicht- bzw. arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen darstellen und wären dementsprechend zu ahnden. Diskriminierungsbelastete Entscheidungen wären zu korrigieren. Die Ausführungsvorschriften über die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten des Polizeivollzugsdienstes vom 25. April 2013 (AV BVPVD) enthalten folgende Verfahrensgebote, damit Diskriminierungen unterbleiben: • die sich aus dem Landesgleichstellungsgesetz (LGG) ergebende Gleichstellungs-verpflichtung (§ 3), • die Berücksichtigung der Behinderung bei der Beurteilung von schwerbehinderten Dienstkräften gemäß § 25 Laufbahngesetz (LfbG) sowie • die Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches (SGB) Neuntes Buch (IX), des Allgemeinen Gleichstellungbehandlungsgesetzes (AGG) und des Gesetzes zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin (Part-lntG). Die Verfahrensgebote werden in den verpflichtenden Koordinierungsgesprächen zum Beurteilungswesen wie folgt konkretisiert und erörtert: • Bei der Beurteilung der Vollzeitkräfte ist die reguläre Arbeitszeit, bei Teilzeitkräften die vereinbarte Arbeitszeit zugrunde zu legen. • Bei schwerbehinderten Menschen sind behinderungsbedingte quantitative (nicht qualitative) Minderleistungen angemessen zu berücksichtigen. Die Schwerbehindertenvertretung ist bereits vor der Beurteilung zu beteiligen. • Gleichstellungsgebote und Benachteiligungsverbote aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, des Alters , einer Schwerbehinderung et cetera sind bei der Beurteilung gemäß den einschlägigen Vorschriften zu beachten. Gemäß § 27 LfbG bildet das Anforderungsprofil die Grundlage der Beurteilung. Alle Anforderungsprofile des Polizeivollzugsdienstes enthalten ein Einzelmerkmal „Diversitätskompetenz“, die Anforderungsprofile für Führungskräfte des Polizeivollzugsdienstes enthalten weitere einschlägige Kompetenzen. Die Angaben in den Anforderungsprofilen sind verbindlich und daher für die jeweilige Zielgruppe beurteilungsrelevant. Darüber hinaus gibt es umfangreiche Beteiligungsrechte der Beschäftigtenvertretungen: Schwerbehindertenvertretung • Die Schwerbehindertenvertretung ist gemäß § 95 SGB IX in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören . Das Beteiligungsrecht und die dazu korrespondierende Pflicht des Arbeitgebers bei der Erstellung dienstlicher Beurteilungen und Zeugnisse ist in Textziffer 9.1 Verwaltungsvorschrift (VV) Integration beh. Menschen ausführlich dargestellt . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 711 2 • Bei der Bestimmung des Maßstabes für die Beurteilung der Leistungen von schwerbehinderten Beamtinnen und Beamte ist eine etwaige Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit auf Grund der Behinderung entsprechend zu berücksichtigen (§ 25 Absatz 3 LfbG). Beurteilende müssen sich daher eingehend mit der Persönlichkeit und der fachlichen Leistung des schwerbehinderten Menschen befassen und prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die dienstlichen Leistungen durch die Behinderung beeinträchtigt sind. Beruhen etwaige Minderleistungen auf der Behinderung , kann dies auf Wunsch des schwerbehinderten Menschen ohne Angabe der Behinderung in der Beurteilung vermerkt werden. Die Leistungsbeurteilung ist unter Beachtung dieses Grundsatzes mit der Gesamteinschätzung (Textziffer 4.7 AV BVPVD) abzuschließen, die ausgesprochen würde, wenn die Einsatz- und Verwendungsfähigkeit nicht durch die Behinderung gemindert wäre. • Im weiteren Verfahren ist die Schwerbehindertenvertretung erneut einzubinden, indem ihr die fertiggestellte Beurteilung nach der Eröffnung zur Beteiligung vorgelegt wird. Frauenvertretung Gemäß § 17 Absatz 2 LGG sind die Frauenvertreterinnen bei dienstlichen Beurteilungen zu beteiligen. Ihre Beteiligung erfolgt vor dem Personalrat. Personalvertretung Das Mitwirkungsrecht des Personalrates bei der Abgabe von dienstlichen Beurteilungen ergibt sich aus § 90 Nummer 7 Personalvertretungsgesetz (PersVG). 2. Evaluiert der Senat die Beurteilungs- und Beförderungspraxis im Berliner Polizei(vollzugs-)dienst und Landeskriminalamt? Falls ja, welche Ergebnisse und Einschätzungen zieht der Senat daraus? Zu 2.: Nein. 3. Enthalten die Qualifizierungsmaßnahmen für Beurteilende und Befördernde Schulungen zu geschlechtersensibler und diskriminierungsfreier Beurteilung und Beförderung? Wenn ja, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt? Zu 3.: Als Beurteilerinnen und Beurteiler agierende Dienstkräfte werden gemäß der Geschäftsanweisung über die Festlegung der Erst- und Zweitbeurteilerinnen sowie Erst- und Zweitbeurteiler für die Beamtinnen und Beamten und das Verfahren zur Beurteilungsstatistik in der Polizei Berlin - ZSE I 06/2014 Nr. 2 (4) - für ihre Tätigkeit beschult. Die Beschulung der Beurteilerinnen und Beurteiler erfolgt für diese wahlweise im Fachbereich Führungskräftequalifizierung an der Landespolizeischule oder an der Verwaltungsakademie (VAK) Berlin. An der Landespolizeischule findet die Schulung im Rahmen eines eintägigen Seminares statt. Schulungsinhalte geschlechtersensibler und diskriminierungsfreier Beurteilungen sind für Erst- und Zweitbeurteilerinnen sowie Erst- und Zweitbeurteiler gleichermaßen: • Beurteilungsfehler im Zusammenhang mit direkter oder indirekter Diskriminierung aufgrund innerer, äußerer oder persönlicher Diversität bzw. im Zusammenhang mit dem eigenen Wertesystem - Personen/Interaktion/Struktur (z. B. Stereotypen , Zuschreibungen, gewünschte Ähnlichkeiten , homosoziale Rekrutierung, Konstruktion von Privilegien und Anschlussmechanismen) - Erkennen/Aufgreifen der Diversifizierung des Personals zur Einschätzung vorhandener Potentiale im Beurteilungswesen (in Abgrenzung zur Leistungseinschätzung) • Die Zweitbeurteilerinnen und Zweitbeurteiler werden in einer weiteren (zielgruppengebundenen) Beschulung zudem für die - einheitliche Anwendung der Parameter - Einhaltung eines einheitlichen Maßstabes bei der Fertigung von Anforderungsprofilen und der Beurteilung durch die Erstbeurteilerin oder den Erstbeurteiler beschult. 4. Wie hoch ist der Anteil der jeweiligen finalen Beurteilungsnoten „sehr gut“ bis „mangelhaft“ bei Männern und Frauen im Berliner Polizei-(vollzugs)dienst, der Verwaltung und dem Landeskriminalamt, die in Vollzeit arbeiten? Bitte für die letzten 10 Jahre nach Besoldungsbzw . Entgeltgruppen aufschlüsseln. 5. Wie hoch ist der Anteil der jeweiligen finalen Beurteilungsnoten „sehr gut“ bis „mangelhaft“ bei Männern und Frauen im Berliner Polizei-(vollzugs)dienst, der Verwaltung und dem Landeskriminalamt, die in Teilzeit arbeiten? Bitte für die letzten 10 Jahre nach Besoldungsbzw . Entgeltgruppen aufschlüsseln. Zu 4. und 5.: Hierzu erfolgt keine statistische Erhebung . 6. Wie wird seitens der Berliner Polizei verhindert, dass gemäß Artikel 57 Absatz 1 LBG Frauen oder Männer bei der dienstlichen Beurteilung dadurch benachteiligt werden, dass sie einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen? Zu 6.: Grundsätzlich gibt es gerade auch in der Polizei Berlin ein verstärktes Angebot von flexiblen Arbeitszeitmodellen , um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben zu gewährleisten und zu fördern. Teilzeitmodelle werden als probates Mittel betrachtet, um jeder Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 711 3 Dienstkraft eine flexible, bewusste und aktive Lebensplanung zur Steigerung der Lebensqualität zu ermöglichen (Work-Life-Balance). Die Führungskräfte sind grundsätzlich gehalten, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die bestehenden Teilzeitmöglichkeiten hinzuweisen. Die Akzeptanz dieser Maßnahme ist ausgeprägt und auch ausdrücklich im Frauenförderplan festgeschrieben, so dass die Beschäftigung in Teilzeit nicht zu einer Benachteiligung bei der Beurteilung führt. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen . 7. Beziehen sich die Merkmale, die der Beurteilung zugrunde liegen, auf Geschlechterstereotype? Sind sie eindeutig beschrieben? Zu 7.: Das Anforderungsprofil bildet die Grundlage der Beurteilung und beschreibt das Auf-gabengebiet als solches. Die darin festgelegten Merkmale sind geschlechtsneutral formuliert und betreffen Leistungen, Fähigkeiten und Potentiale der Dienstkräfte. Die Beurteilungsmerkmale für den Polizeivollzugsdienst sind eindeutig beschrieben. 8. Wie häufig divergiert die Einschätzung von Erstund Zweitbeurteilenden bei Beschäftigten im Berliner Polizei(vollzugs-)dienst, der Verwaltung und dem Landeskrimianalamt ? Bitte für die letzten 10 Jahre nach Besoldungs - bzw. Entgeltgruppen, Geschlecht und Volloder Teilzeit aufschlüsseln. 9. Wie viele Gegendarstellungen zu Beurteilungen werden von Polizei(vollzugs-)bediensteten und Mitarbeiter *innen der Verwaltung sowie des Landeskriminalamtes eingereicht? Bitte für die letzten 10 Jahre nach Besoldungs - bzw. Entgeltgruppen, Geschlecht und Voll- oder Teilzeit aufschlüsseln. Zu 8. und 9.: Hierzu erfolgt keine statistische Erhebung . 10. Wie viele Beurteilungen führten zu einem legalen oder Mediationsverfahren? Bitte für die letzten 10 Jahre nach Besoldungs- bzw. Entgeltgruppen, Geschlecht, Vollund Teilzeit aufschlüsseln. Zu 10.: Für Legalverfahren liegen keine Erhebungen vor. Mediationsverfahren sind in den Beurteilungsrichtlinien nicht vorgesehen. 11. Wie hoch ist der Anteil der Beförderungen von Beamtinnen und Beamten, die in Teilzeit angestellt sind? Bitte für die letzten 10 Jahre nach Besoldungsgruppen bzw. Entgeltgruppen und folgenden Kriterien aufschlüsseln a) Polizeivollzugsbeamt*innen, b) Polizeivollzugsbeamte, c) Verwaltungsbeamtinnen, d) Verwaltungsbeamte und -beamtinnen, e) Tarifbeschäftigte (w), f) Tarifbeschäftigte (m) aufschlüsseln Zu 11.: Es erfolgt keine gesonderte Erfassung der Beförderungen nach Teilzeit und Vollzeit. 12. Wie hoch ist der Anteil der Beförderungen von Beamtinnen und Beamten, die in Vollzeit angestellt sind? Bitte für die letzte 10 Jahre nach Besoldungsgruppen bzw. Entgeltgruppen und a) Polizeivollzugsbeamt*innen, b) Polizeivollzugsbeamte, c) Verwaltungsbeamtinnen, d) Verwaltungsbeamte und -beamtinnen, e) Tarifbeschäftigte (w), f) Tarifbeschäftigte (m) aufschlüsseln. 13. Welche Beurteilungsnoten lagen den in Frage 11 und 12 erfragten Beförderungen jeweils zugrun-de? Zu 12. und 13.: Siehe Antwort zu Frage 11. Berlin, den 23. Juni 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Juli 2016)