Drucksache 17 / 18 714 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 09. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2016) und Antwort Einschmuggeln verbotener Gegenstände bzw. Substanzen in Haftanstalten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit dem nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sanktionierten unerlaubten Einschmuggeln von verbotenen Gegenständen bzw. Substanzen in Haftanstalten sind dem Senat für die Jahre 2013, 2014 und 2015 bekannt (bitte jeweils nach Haftanstalten tabellarisch auflisten, wobei Versuch und Vollendung der Tat sowie eingeleitete und rechtskräftig abgeschlossene Bußgeldverfahren gesondert auszuweisen sind)? 2. Um welche Gegenstände bzw. Substanzen handelt es sich dabei typischerweise (bitte dabei auch jeweils die Anzahl bzw. Menge der sichergestellten Gegenstände bzw. Substanzen für die Jahre 2013, 2014 und 2015 auflisten )? Zu 1. und 2.: Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) handelt ordnungswidrig, wer einem Gefangenen unbefugt Sachen oder Nachrichten übermittelt oder sich von ihm übermitteln lässt. Zuständige Behörde für Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 115 OWiG ist das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten . Statistische Erhebungen über Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit dem Einbringen von verbotenen Gegenständen werden nicht geführt. Einzig in der Jugendstrafanstalt (JSA) und der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee sind in den Jahren 2013 bis 2015 acht und 12 Ordnungswidrigkeitenanzeigen dokumentiert . Anlassgebende Gegenstände waren in beiden Anstalten SIM-Karten, jeweils ein Handy, Handyladekabel und Akku, Bargeld sowie in der JSA USB-Stecker, Zigaretten und künstlicher Urin. Das Einbringen von Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, stellt hingegen keine Ordnungswidrigkeit mehr dar. Bei jedem Betäubungsmittelfund innerhalb von JVA‘en wird Strafanzeige insbesondere im Hinblick auf Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz erstattet. Die Bestimmung der Substanzen obliegt der Polizei im Zuge der Ermittlungsverfahren. Detaillierte Statistiken über die Erstattung von Strafanzeigen wegen Einbringung von Betäubungsmitteln, Abfragen zum Ergebnis der Laboruntersuchungen sowie dem Ausgang der Verfahren werden in den JVA’en nicht geführt. Die Anzahl der Strafanzeigen stellt sich wie folgt dar: JVA 2013 2014 2015 JVA Moabit 30 24 32 JVA für Frauen 6 9 7 JSA 7 5 4 JVA Plötzensee 0 0 0 Jugendarrestanstalt 0 0 0 JVA Heidering Keine Erfassung Keine Erfassung 17 JVA Tegel Keine Erfassung Keine Erfassung Keine Erfassung JVA Offener Vollzug Keine Erfassung Keine Erfassung Keine Erfassung Die JVA Heidering hat mit der 2015 begonnenen statistischen Erfassung eine ergänzende Aufstellung vorgenommen . Hiernach erfolgten 5 Einbringungsversuche mittels Brief (3 x kleine Mengen weißer Substanzen, 0,43 g Kokain, 50 g Haschisch), 2 mit Paketen (36,7 g Haschisch , 120 Tabletten Subutex und Tramal) und 10 an- lässlich von Besuchen 4,23 g Spice, 2 x Subutex - 10 Tabletten, 2 x Marihuana - 11,86 g, 2 x Kokain - 1,84 g, 4 x Haschisch - 168,66 g). In 9 Fällen laufen die Ermittlungen noch, 5 Verfahren wurden eingestellt, 2 x wurde Anklage erhoben und 1 x eine Geldstrafe verhängt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 714 2 3. Welche Maßnahmen werden in den Haftanstalten ergriffen, um das Einschmuggeln verbotener Gegenstände bzw. Substanzen zu verhindern? Zu 3.: Wie u. a. in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 17/14394 am 2. September 2014 dargelegt worden ist, werden in den JVA‘en alle rechtlich zulässigen Mittel genutzt, um das Einbringen von verbotenen Substanzen und Gegenständen zu verhindern und um erfolgreich eingebrachte in den Anstalten aufzufinden. Hierzu zählen: - Durchsuchung neu aufzunehmender Gefangener unter Entkleidung einschließlich der eingebrachten Sachen im Zuge des Aufnahmeverfahrens, - Durchsuchung Gefangener nach jeder Abwesenheit von der Anstalt (Urlaub, Ausgang) ohne Entkleidung sowie einzelner Gefangener auch unter Entkleidung, - Kontrolle von Gefangenen nach Besuchen, bei Vorliegen von Verdachtsmomenten auch unter Entkleidung, - ausschließliche Durchführung von Sprechstunden unter Einsatz einer Trennscheibe bei Verdacht auf Betäubungsmittelhandel innerhalb der Anstalt sowie - Unterbringung auf einer Abschirmstation für Gefangene , die mit Betäubungsmittelhandel aufgefallen sind, auf der u. a. die Haftraumausstattung auf das Notwendigste reduziert und Anstaltskleidung zu tragen ist sowie die Freizeitgestaltung nur in dem abgegrenzten Bereich stattfindet , - Kontrolle der Besucher beim Betreten der Anstalt mittels Abstreifen sowie unter Zuhilfenahme von Metalldetektoren , - optische Überwachung der Sprechstunden, - Kontrolle des Brief- und Paketverkehrs auf unerlaubte Gegenstände und Drogen, - Kontrolle der auszutauschenden Kleidungsstücke, insbesondere bei den Abgaben für Untersuchungsgefangene , - Kontrolle einfahrender Fahrzeuge, insbesondere der von Lieferfirmen, - Sicherheitsüberprüfungen nach einem abgestuften System beim Einlass von Externen (Führungszeugnisse, Bundeszentralregisterauszüge), - regelmäßige Kontrollen der Gefangenen, ihrer Hafträume und der ihnen zum Gebrauch überlassenen Gegenstände , - außerordentliche Sonderkontrollen von kurzfristig bestimmten Anstaltsbereichen, - fortlaufendes und regelmäßiges Absuchen von Freiflächen bevor Gefangenen der Zutritt ermöglicht wird, um Überwürfe sicherzustellen, - Urinkontrolluntersuchungen auf Drogenkonsum, - Einsatz von Drogenspürhunden der Polizei und des Zolls während der Weihnachts-und Osterpaketzeiten sowie zwecks Durchführung von Sonderkontrollen, - spezielle Bedienstete mit erweitertem Fachwissen und Erfahrung zum Thema Drogen im Vollzug, denen auch die Planung von Sonderkontrollen obliegt (angegliedert an Sicherheitsabteilungen der Anstalten), - gemäß § 25 Justizvollzugsdatenschutzgesetz Auslesen elektronischer Datenspeicher von Geräten, die Gefangene ohne Erlaubnis des Justizvollzuges besitzen, zwecks Erlangung von Kenntnissen über sicherheits- und strafrechtlich relevante Inhalte, - Errichtung von Mobilfunkblockern, die die Nutzung von Handys verhindern. Um die Suche nach verbotenen Gegenständen und insbesondere nach Betäubungsmitteln in den JVA’en noch weiter zu intensivieren, wird derzeit außerdem eine eigene Diensthundestaffel für den Justizvollzug aufgebaut . 4. Wie hoch schätzt der Senat die „Dunkelziffer“ der nicht aufgedeckten bzw. registrierten Fälle? Zu 4.: Trotz aller Gegenmaßnahmen lässt es sich nicht gänzlich verhindern, dass verbotene Gegenstände und Substanzen in die JVA’en gelangen. Ein Ansatz für eine Schätzung der „Dunkelziffer“ ergibt sich hieraus für den Senat nicht. Berlin, den 24. Juni 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2016)