Drucksache 17 / 18 717 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 14. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juni 2016) und Antwort LAGeSo-Aufträge an den Outsourcing-Dienstleister Arvato Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Angebote für die Aktenorganisation, Digitalisierung von Akten oder die Erfüllung anderer behördlicher Aufgaben mit welchem Leistungsumfang zu welcher Auftragssumme hat der Outsourcing-Dienstleister Arvato dem LAGeSo wann jeweils seit Beginn des Jahres 2015 gemacht? (Bitte nach Arvato-Unternehmen, Leistungsumfang , Angebotsdatum und Auftragsumfang in Euro aufschlüsseln.) 2. Hat der Senat vor der Auftragsvergabe an Arvato Vergleichsangebote von anderen Outsourcing-Dienstleister *innen eingeholt? Wenn nein, warum nicht? 3. Gab es verwaltungsinterne Stellungnahmen, die eine mögliche Direktvergabe an Arvato kritisch bewertet haben? Wenn ja, inwiefern wurde dies kritisch bewertet und warum wurden diese Stellungnahmen ignoriert? 4. Gab es verwaltungsinterne Überlegungen, diesen Auftrag an eine Werkstatt für behinderte Menschen direkt zu vergeben, die sich auf derartige Leistungen spezialisiert hat und für die eine auf freihändige Vergabe nach § 3 Abs. 5 lit. j) VOL/A zulässig ist? Wenn ja, wann und warum wurde davon Abstand zugunsten der Vergabe an Arvato genommen? 5. Wann und durch wen wurde erstmals namentlich der Outsourcing-Dienstleister Arvato zur Erfüllung behördlicher Aufgaben im LAGeSo ins Spiel gebracht? 6. Basierte die Auftragsvergabe an Arvato auf einem Senatsbeschluss oder der Anweisung der politischen Leitung ? Wer hat wann die Direktvergabe an Arvato entschieden und trägt dafür die politische Verantwortung? 12. Warum war der Einsatz des Outsourcing- Dienstleisters Arvato im LAGeSo überhaupt notwendig, wenn das LAGeSo doch nach Aussage von Sozialstaatssekretär Gerstle vom 4. Januar 2016 bereits „über ein strukturiertes Aktenablagesystem“ verfügte (vgl. Antwort des Senats auf Frage 1 der Drucksache 17/17612)? 13. Warum war bzw. ist das LAGeSo nicht selbst in der Lage, eine Zentrale Registratur aufzubauen und zu betreiben? Unter welchen Bedingungen wäre es selbst dazu in der Lage? 14. Warum wurde von der zunächst geplanten Digitalisierung der Leistungsakten im LAGeSo zugunsten des Aufbaus und des Betriebs einer Zentralen Registratur abgesehen? Zu 1. bis 6. und 12. bis 14.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) erhalten beständig Angebote über Dienst- und Beratungsleistungen, mit denen das Verwaltungshandeln aus der Sicht der Anbieterinnen und Anbieter qualitativ verbessert werden könnte. Im November 2015 gingen Angebote des Unternehmens arvato AG (im Folgenden: Arvato) ein, die einerseits eine vereinfachte Bedarfsprüfung bei der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und andererseits die Digitalisierung von Akten betrafen. Am 21.12.2015 und am 04.01.2016 wurden mit Arvato Gespräche zunächst über eine Zentralisierung von Akten des Leistungsbereiches II A des LAGeSo durch Aufbau einer zentralen Aktenregistratur geführt, um die innerbehördliche Organisation des Aktenverkehrs – der zu diesem Zeitpunkt erhebliche Arbeitskapazitäten beanspruchte und zunehmend Gegenstand parlamentarischer Fragen und der medialen Berichterstattung war - zu straffen und zu optimieren . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 717 2 Obwohl der Leistungsbereich bereits über ein strukturiertes Aktensystem verfügte, konnte auf Grund der insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2015 in kurzer Zeit erheblich angestiegenen Zugangszahlen und der diesem Zugang noch anzupassenden personellen Ausstattung nicht mehr in jedem Fall gewährleistet werden, dass kontinuierlich neue Akten angelegt, in Fällen der Abwesenheitsvertretung und der Einarbeitung neuer Beschäftigter die Zuordnung der Vorgänge zur Sachbearbeitung konsequent beibehalten und eingehende Poststücke unmittelbar nach ihrer Bearbeitung zu den Aktenvorgängen genommen werden konnten. In den Fachabteilungen und der Abteilung ZS des LAGeSo waren wegen des erhöhten Personalbedarfes, insbesondere zur Bearbeitung von Anträgen und wegen der vorbereitenden Arbeiten für die Gründung des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und der Herrichtung weiterer Verwaltungsstandorte (ICC, Treptowers , Darwinstraße) nur begrenzte personelle Ressourcen für den Aufbau und den Betrieb einer Zentralen Aktenregistratur verfügbar. Als unabdingbare Voraussetzung für eine Digitalisierung der Vorgänge waren in einem ersten Schritt alle Akten des Leistungsbereiches physisch in zentralen Räumlichkeiten des Dienstgebäudes Turmstraße 21 zusammenzuführen. Am 05.01.2016 gab Arvato bezogen auf die rd. 20.000 Aktenvorgänge des Organisationsbereiches Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) ein Angebot für den Aufbau und den Betrieb einer Zentralen Aktenregistratur ab. Der Leistungsumfang sieht folgende Arbeiten vor: • initiale Vorbereitung und Vereinnahmung der EAE-Akten in einem physikalischen Aktenarchiv, • Aktenherausgabe zu Dienstbeginn an das zuständige Sachgebiet für die vergebenden Termine /Vorsprachen, • Aktenausgabe im laufenden Betrieb auf Anforderung durch das Sachgebiet innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens von wenigen Minuten, • Einfügung neuer Akteninhalte in die bestehenden Vorgänge. Die Auftragssumme beinhaltet einen Pauschalpreis für die Initialisierung und am Aufwand orientierte Preisbestandteile je Aktenvorgang. Die notwendige Datenbanklösung mit der entsprechenden Track & Trace-Lösung ist als autarkes Sicherheitsnetz ohne externe Schnittstelle aufgesetzt. Die benötigte technische Infrastruktur (Rechner , Handscanner, Buchscanner) wird von Arvato gestellt. Nach der erfolgreichen Implementierung wurde das Angebot am 16.02.2016 für die rd. 30.000 Aktenvorgänge des Organisationsbereiches Zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) ergänzt. Neben der initialen Vorbereitung und Vereinnahmung auch dieser Akten musste u. a. die technische Datenbanklösung mit der entsprechenden Track & Trace-Lösung in einem Change Request- Verfahren erweitert werden. Die sich Ende 2015/Anfang 2016 weiter zuspitzende Situation auf dem Gelände Turmstraße machte es erforderlich , alle Maßnahmen zu ergreifen, die zu kürzeren Bearbeitungszeiten in der Leistungsgewährung und der Versorgung von Flüchtlingen/Asylsuchenden und damit geringeren Wartezeiten beitragen konnten. Nach Prüfung der vergaberechtlichen und haushaltswirtschaftlichen Voraussetzungen wurde eine Direktvergabe an einen erfahrenen, leistungsstarken und sofort handlungsfähigen Dienstleister im Ergebnis als gerechtfertigt erachtet. Diese erfolgte in unmittelbarer Umsetzung der Beschlüsse der Senatsklausur vom 13.01.2016 und der dafür vorgegebenen Zeitabfolge. Ein Senatsbeschluss zur Auswahl eines konkreten Dienstleisters wurde jedoch nicht gefasst. 7. Gibt es schriftlich fixierte Verträge über die Beauftragung von Arvato durch das LAGeSo? Wenn ja, von wann, über welche Laufzeit, mit welcher Verlängerungsoption etc.? Wenn nein, bis wann sollen diese Verträge geschlossen werden? 8. Ist gegebenenfalls geplant, von einer vereinbarten Verlängerungsoption mit Arvato Gebrauch zu machen? (Bitte begründen.) 9. Falls es bislang keine schriftlich fixierten Verträge geben sollte, wie bewertet der Senat dies hin-sichtlich des Schriftformerfordernisses, wie es sich insbesondere aus Nr. 10.1 AV § 55 Landeshaushaltsordnung (LHO) bzw. § 57 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.V.m. § 1 Absatz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz Berlin (VwVfG Bln) ergibt? Zu 7. bis 9.: Die Angebote von Arvato wurden am 15.01.2016 - und hinsichtlich der Erweiterung auf die ZLA-Akten am 26.02.2016 - mit der Maßgabe angenommen , dass der Vertrag insgesamt eine Laufzeit von sechs Monaten aufweist und nach drei Monaten vor dem Hintergrund der gewonnenen Erfahrungen eine Überprüfung von Art und Umfang der zu erbringenden Leistung und des Preisgefüges erfolgt. Bis in die Gegenwart unterliegen die Prozessabläufe einer beständigen Anpassung, in besonders gravierend Weise etwa anlässlich der Inbetriebnahme des ICC. Die Vertragsentwürfe liegen nunmehr in Schriftform vor, von einer Unterzeichnung wird kurzfristig ausgegangen. Das nach Nr. 10.1 AV zu § 55 LHO vorgesehene Erfordernis der schriftlichen Fixierung des Vertragsinhaltes ist erfüllt. Das Schriftformerfordernis in § 57 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bezieht sich auf öffentlich-rechtliche Verträge. Vorliegend handelt es sich jedoch um einen privatrechtlichen Vertrag, für den nach dem BGB kein besonderes Formerfordernis besteht. Im Hinblick auf die bevorstehende Gründung des LAF zum 01.08.2016 und der beabsichtigten Verlagerung des Leistungsbereiches an den neuen Verwaltungsstandort Darwinstraße 14 – 18 voraussichtlich zum Jahresende 2016, die eine weitere Anpassung der Abläufe zwischen Zentraler Aktenregistratur und der Sachbearbeitung erfordert , besteht Einvernehmen, das Vertragsverhältnis bis zum 31.12.2016 zu verlängern. Das LAF wird zum Ende Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 717 3 des dritten Quartals prüfen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Zentrale Aktenregistratur mit eigenen Beschäftigten betrieben werden kann. Anderenfalls soll die Leistung mit Wirkung vom 01.01.2017 im Rahmen einer Ausschreibung neu vergeben werden. 10. Wie hoch waren bisher die Kosten für die einzelnen durch den Outsourcing-Dienstleister Arvato erbrachten Leistungen in den Monaten seit Januar 2016? (Bitte nach Monat und Posten aufschlüsseln.) Zu 10.: In den Monaten Januar bis einschließlich Mai 2016 wurden insgesamt 451.004,69 Euro für die von Arvato erbrachten Dienstleistungen gezahlt, die sich monatlich wie folgt aufschlüsseln: Januar: 44.863,18 Euro Februar: 83.525,49 Euro März: 108.925,79 Euro April: 106.436,02 Euro Mai : 107.254,21 Euro 11. Mit wie vielen Arbeitskräften (in Vollzeitäquivalenten ) und Arbeitsmitteln ist Arvato im LAGeSo zum Aufbau und zum Betrieb einer Zentralen Registratur im Einsatz (gewesen)? Zu 11.: An den Wochenenden zur initialen Aktenvereinnahmung war Arvato mit jeweils 25 Mitarbeitenden (Vollzeitäquivalente) im LAGeSo tätig. Im laufenden Betrieb werden 20 Mitarbeitende (Vollzeitäquivalente) von Arvato beschäftigt. 15. Warum hat Senator Czaja wiederholt behauptet, dass Arvato die Leistungsakten im LAGeSo digitalisieren würde, obwohl sie tatsächlich eine Zentrale Registratur aufgebaut und betrieben haben (vgl. Protokoll der 79. Plenarsitzung am 14. April 2016, S. 8147, rbb-online.de vom 1. April 2016 etc.)? 16. Ist die Digitalisierung der Leistungsakten im LA- GeSo noch geplant? Wenn ja, bis wann und mit welchen Kosten wird dafür gerechnet? Zu 15. und 16.: Senator Czaja hat ausweislich des Plenarprotokolls 17/79 vom 14.04.2016 (Seite 8147) – unter Hinweis auf die die Notwendigkeit, die Arbeitsprozesse im LAGeSo wegen des Missverhältnisses in der Entwicklung der Flüchtlingszahlen einerseits und der Personalsituation im LAGeSo andererseits zu verbessern – ausgeführt, dass Optimierungsmaßnahmen zur Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unternommen werden mussten und hierzu „unter anderem die Digitalisierung der Aktenvorgänge (gehörte), um schneller die jeweiligen Bearbeitungen durchzuführen.“ Ferner führte er aus, dass in diesem Zusammenhang das Unterstützungsangebot einer Tochter der deutschen Telekom und des Unternehmens Arvato eingegangen sei. In dem Redebeitrag wurden keine weitergehenden Aussagen über die Durchführung dieser Optimierungsmaßnahmen , konkrete Teilschritte oder den zeitlichen Rahmen getroffen. Zudem wird aus den zitierten Informationen – durch den Zusatz „unter anderem“ - deutlich, dass die Digitalisierung der Akten nicht die einzige geplante Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsabläufe darstellen sollte. Der Aufbau der Zentralen Aktenregistratur war eine notwendige Voraussetzung für die weiterhin geplante Digitalisierung der Akten des Leistungsbereiches und kann somit auch als integrierte Vorstufe der eigentlichen Aktendigitalisierung verstanden werden. Es handelt sich mithin um inhaltlich so eng verzahnte Teilschritte, dass es – jedenfalls im hier in Rede stehenden allgemeinen, untechnischen Sprachgebrauch – gerechtfertigt ist, beide Arbeitsvorhaben unter den Oberbegriff „Aktendigitalisierung “ zu subsumieren. Ein Widerspruch zwischen den Ausführungen des Senators in der vorgenannten Sitzung des Abgeordnetenhauses und dem tatsächlichen Sachverhalt ist somit nicht erkennbar. 17. Wie viele Akten werden derzeit im Asylbereich des LAGeSo geführt und wie viele Akten aus welchen Arbeitsbereichen sind in die Zentrale Registratur überführt worden? (Bitte Anzahl der Akten nach den Bereichen EAE und ZLA aufschlüsseln.) Zu 17.: Mit Stand 23.06.2016 ist folgendes Aktenvolumen in der Zentralen Aktenregistratur erfasst: Bereich EAE: 17.436 Akten Bereich ZLA: 38.100 Akten 18. Wie viele „Notakten“ (Ersatzakten) sind im Jahr 2016 mit Hauptakten zusammengeführt worden? (Bitte nach Anzahl der Akten und den Bereichen EAE und ZLA aufschlüsseln.) Zu 18.: Insgesamt wurden ca. 350 Aktenvorgänge zusammengeführt . Eine Aufschlüsselung nach Bereichen liegt nicht vor. Berlin, den 04. Juli 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juli 2016)