Drucksache 17 / 18 743 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 14. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juni 2016) und Antwort Videoüberwachung zur Mustererkennung auf Bahnhöfen im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Anfrage umfasst Fragen, die der Senat überwiegend nicht in eigener Zuständigkeit beantworten kann. BVG und S-Bahn Berlin GmbH (im Folgenden „S- Bahn“) erstellen ihre Sicherheitskonzepte in eigener unternehmerischer Verantwortung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften. Die Unternehmen wurden daher um Beantwortung der in ihrer Verantwortung liegenden Fragestellungen gebeten. Die Antworten sind hier entsprechend als Zitat wiedergegeben. Frage 1: Auf welchen Berliner Bahnhöfen der BVG und S-Bahn Berlin GmbH wird in Zukunft für welchen jeweiligen Zeitraum „intelligente Videotechnik“ mit welchen Funktionen zur automatisierten Mustererkennung eingesetzt? (Bitte aufschlüsseln nach Bahnhöfen, Zeiträumen und Videoüberwachungsfunktionen.) Antwort zu Frage 1: Die BVG hat dazu Folgendes mitgeteilt: „Der Begriff „intelligente Videotechnik“ ist nicht eindeutig definiert. Darunter fallen könnte ein vor fünf Jahren durchgeführtes Testprojekt, in dem die BVG eine Detektionssoftware getestet hat, die bei Bedarf auf unterschiedlichen U-Bahnhöfen eingesetzt werden kann. Sie kann die Beschäftigten in der Betriebsleitstelle Sicherheit bei der Videobeobachtung operativ festgelegter U-Bahnhöfe durch eine alarmgenerierte Bildaufschaltung bei definierten Vorkommnissen unterstützen. Derzeit ist die Software nicht in Betrieb.“ Die DB AG hat dazu Folgendes mitgeteilt: „Die DB AG setzt bisher keine intelligente Videotechnik in Berliner Bahnhöfen (und Zügen) ein. Es sind Pilotierungen im Rahmen eines noch einzurichtenden "Sicherheitsbahnhofs " mit intelligenter Videotechnik im Raum Berlin /Brandenburg geplant. Selbstverständlich werden im Vorfeld einer Pilotierung die entsprechenden Stellen, Datenschutzbehörden, Interessenvertreter und die Öffentlichkeit informiert. Die vorgesehenen Pilotierungen werden in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizei erfolgen . Beispielhafte Einsätze wären für die DB AG, das Erkennen von am Bahnsteig abgestellten Gepäckstücken oder auch das Erkennen von Sachbeschädigungen.“ Frage 2: Auf welcher Rechtsgrundlage soll die intelligente Videotechnik zur automatisierten Mustererkennung auf diesen Bahnhöfen eingesetzt werden? Antwort zu Frage 2: Die BVG hat dazu Folgendes mitgeteilt: „Rechtsgrundlage für den Einsatz „intelligenter Videotechnik“ im Bereich der BVG ist § 31b Berliner Datenschutzgesetz. Eine über diese Vorschrift hinausgehende , speziellere Rechtsgrundlage gibt es nicht. Sie ist auch nicht erforderlich. Im Vergleich zu einer „Komplettbeobachtung “ ist die auf das Erkennen bestimmter Situationen programmierte Software, die im Bereich der BVG zum Einsatz kommt, weniger eingriffsintensiv und damit grundsätzlich datenschutzrechtlich vorzugswürdig (vgl. Weichert, Aktuelle Fragen zur Videoüberwachung, abzurufen über das Internetangebot des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, www.datenschutzzentrum.de/video/videosec.htm).“ Frage 3: Welche unterschiedliche Software welcher Hersteller soll im Rahmen der „intelligenten Videotechnik“ zu welchen jeweiligen Zwecken auf diesen Bahnhöfen eingesetzt werden? (Bitte aufschlüsseln nach Bahnhöfen, Software, Hersteller und Zweck der Überwachung.) Antwort zu Frage 3: Die BVG hat dazu Folgendes mitgeteilt: „Die unter Antwort zu Frage 1 genannte Software hat den Namen „Synergie Pro V1.21.25“ und ist von der Firma Synectics.“ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 743 2 Frage 4: Wurde die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) bereits mit der Problematik der Installation intelligenter Videotechnik auf Berliner Bahnhöfen befasst? a) Wenn ja, wann und welchem Rahmen jeweils und mit welchem Ergebnis? b) Wenn nein, warum nicht und soll eine Befassung zu welchem Zeitpunkt noch erfolgen? Antwort zu Frage 4: Die BVG hat dazu Folgendes mitgeteilt: „Im Rahmen des Projektes „Musterbahnhof Kottbusser Tor“ wurde die Datenschutzbehörde 2011 über den Einsatz der Detektionssoftware für eine Alarmgesteuerte Videoaufschaltung unterrichtet.“ Frage 5: Welche konkreten Bewegungsmuster und Geschehensabläufe sollen jeweils einen Hinweis an die mit Mitarbeiter*innen besetzte Leitstelle auslösen? Antwort zu Frage 5: Die BVG hat dazu Folgendes mitgeteilt: „Definierte Flächen in Anlagen und Liegenschaften der BVG können zum Teil mittels einer ereignisgesteuerten Videobildaufschaltung auf eindringende Objekte (wie z.B. Personen oder Gegenstände) überwacht sowie auf definierte Situationen (wie z.B. abgestellte Gegenstände und Vandalismus) überprüft werden. Die automatische Erkennung solcher definierter Situationen dient der Unterstützung des für die Beobachtung bzw. Kontrolle der Grundstücksgrenzen zuständigen Personals in Anlagen und Liegenschaften sowie der Personale in den Leitstellen im Zusammenhang mit der Abwehr und Verfolgung von Straftaten.“ Frage 6: An welchen verschiedenen Projekten zur Erforschung der „intelligenten Videotechnik“ mit automatisierter Mustererkennung war die Polizei Berlin bisher beteiligt? a) Welche Forschungsziele wurden dabei jeweils verfolgt und welche Resultate erzielt? b) Für welche Zeiträume waren die Forschungsprojekte jeweils angelegt? c) Wer trat jeweils als Projektauftraggeber auf? Antwort zu Frage 6: Die Polizei Berlin war in der Vergangenheit nicht an Projekten zur Erforschung „intelligenter Videotechnik“ mit automatisierter Mustererkennung beteiligt. Frage 7: Gibt es Stellungnahmen, Berichte, Veröffentlichungen etc. der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zur Installation von Videoüberwachungstechnik in neuen Fahrzeugen oder zur Nachrüstung bereits eingesetzter Fahrzeuge der S-Bahn Berlin? (Falls ja, bitte im Original beifügen.) Antwort zu Frage 7: Die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat den Senat im Frühjahr auf die Orientierungshilfe „Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln“ des Düsseldorfer Kreises (Stand: 16. September 2015), Dokumentenband 2015, S. 54 hingewiesen. Dieser Hinweis wurde an die S-Bahn Berlin GmbH weitergeleitet. Diese hat dazu wie folgt Stellung genommen: „Es ist vorgesehen, zukünftig Fahrzeuge zu beschaffen, in deren Innenraum sowohl eine Videoüberwachung als auch deren Aufzeichnung möglich sein wird. Diese Spezifikationen sind Bestandteil der Anforderungen der Aufgabenträger und in dem zugrunde liegenden Verkehrsvertrag hinterlegt. Aus heutiger Sicht besteht im gesamten Netz jederzeit eine hohe abstrakte Gefahr für ein schädigendes Ereignis gleich welcher Schwere. Trotzdem passieren im Netz nicht tagtäglich und zu jeder Stunde solche Ereignisse. Deshalb wird es im Rahmen der datenschutzrechtlichen Abwägung in erster Linie nicht um konkrete Vorfälle der Vergangenheit gehen können, sondern um deren zukünftige Eintrittswahrscheinlichkeit, den zu erwartenden Schaden und die Abschreckungswirkung der Videoüberwachung in den einzelnen Bereichen des Netzes generell. Zwar ist es zutreffend, dass in Randbezirken von Metropolenverkehren tendenziell weniger Straftaten zu verzeichnen sind, jedoch muss dabei auch die Schwere der zu erwartenden Straftaten berücksichtigt werden: denn fehlende soziale Kontrolle in geringer frequentierten Bereichen führt eben auch dazu, dass gerade in den Randbezirken die schweren Straftaten überproportional vertreten sind. Der gleiche Effekt zeigt sich auch bei Sachbeschädigungen . Die Ausgestaltung der Videoüberwachung wird sich nach den verkehrsvertraglichen Anforderungen wie auch den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in Abstimmung mit unseren Sicherheitspartnern richten. Selbstverständlich wird die Videoüberwachung auch ein Baustein in einem ganzheitlichen Sicherheitskonzept sein, in dem auch die Belange der Ermittlungsbehörden, das subjektive Sicherheitsgefühl und die Persönlichkeitsrechte der Fahrgäste sowie die generell abschreckende Wirkung der Einrichtung und einzelne Gefährdungslagen berücksichtigt werden müssen. Die Orientierungshilfe ist uns bekannt. Das Angebot zur beratenden Begleitung nehmen wir mit Zustimmung der Aufgabenträger gerne an.“ Die Aufgabenträger haben keine Einwände gegen ein entsprechendes Abstimmungsverfahren zwischen Verkehrsunternehmen und Datenschutzbeauftragten im Rahmen der Erstellung des unternehmerischen Sicherheitskonzepts . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 743 3 Frage 8: Liegen dem Senat auswertende Berichte, Stellungnahmen etc. zur Praxis der Videoüberwachung am „Videomusterbahnhof“ Kottbusser Tor vor? Wenn ja, welche, mit welchem Datum und mit welchen Ergebnissen jeweils? Wenn nein, auf welche Weise wird die Videoüberwachung auf dem Videomusterbahnhof ausgewertet ? Antwort zu Frage 8: Die BVG führt eine jährliche Videoevaluation in Form eines Sicherheitsberichts durch. Dieser ist auf der Webseite der BVG unter Medien / Publikationen einsehbar. Im Kapitel 4 wird dabei auf die Videotechnik eingegangen. Auf dem sogenannten „Videomusterbahnhof Kottbusser Tor“ findet die Detektionssoftware seit 2011 keine Anwendung mehr. Anwendung finden nur gängige Sicherheitsvorkehrungen. Frage 9: Welche mittel- und langfristige Strategie verfolgen BVG und Senat im Hinblick auf eine mögliche Installation „intelligenter Videotechnik“ zur automatisierten Mustererkennung am U-Bahnhof Kottbusser Tor und darüber hinaus auch in den übrigen Bereichen der BVG? Antwort zu Frage 9: Die Videoüberwachung im ÖPNV, im örtlichen Zuständigkeitsbereich der BVG, obliegt allein der BVG. Die Polizei Berlin betreibt keine eigenen Videoanlagen im Berliner ÖPNV und verfolgt somit keine eigene Strategie im Hinblick auf die Installation „intelligenter Videotechnik“. Derzeit gibt es nach Auskunft des Unternehmens bei der BVG keine Überlegungen zur Einführung entsprechender Videotechnik. Berlin, den 30. Juni 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ……………………………………………………… Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Juli 2016)