Drucksache 17 / 18 790 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 23. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2016) und Antwort Kostenübernahme für Verhütungsmittel – Stand in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen haben im Jahr 2015 beim Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung einen Antrag auf Kostenübernahme für Verhütungsmittel gestellt ? Bitte nach Möglichkeit aufschlüsseln nach: a) Geschlecht der Antragsteller*innen, b) Alter der Antragsteller*innen c) Versicherungsstatus der Antragsteller*innen (mit oder ohne Krankenversicherungsschutz), d) Grund für die Leistungsberechtigung der Antragsteller *innen, e) Art der Verhütungsmittel. Zu 1 a - e.: Dem Senat liegen keine exakten Angaben über die Zahl der Antragstellerinnen und Antragssteller vor. Aus den Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung wurden folgende Angaben übermittelt: Mitte: 11.918 Frauen stellten einen Antrag Marzahn – Hellersdorf: 16.179 Frauen und 38 Männer stellten einen Antrag Charlottenburg – Wilmersdorf: 9.235 Personen wurden beraten Steglitz – Zehlendorf: 6.458 Personen wurden beraten Friedrichshain – Kreuzberg: 10.093 Personen wurden beraten Aus der Anzahl der beratenen Personen kann nicht geschlossen werden, dass sie der Anzahl der Antrag stellenden Personen gleicht. Angaben zu Alter, Versicherungsstatus, Grund der Leistungsgewährung und Art des empfängnisregelnden Mittels werden statistisch nicht erfasst. 2. Wie hoch waren die jährlichen finanziellen Aufwendungen für die übernommenen Verhütungsmittel seit 2008 insgesamt (bitte aufschlüsseln nach Art der Verhütungsmittel ) und wo sind die Mittel im Haushalt veranschlagt ? Zu 2.: Die Ausgaben aus Kapitel 3983 (Zentrale Abrechnungen ) - ab 2014: Kapitel 3982-, Titel 63615 (Nichtstationäre Krankenhilfe) Unterkonto 129 (Empfängnisverhütung u. Sterilisation § 49 SGB XII) betrugen: 2008 2.311.568 € 2009 2.578.991 € 2010 2.939.759 € 2011 2.808.134 € 2012 2.453.839 € 2013 2.263.741 € 2014 2.095.005 € 2015 1.800.091 € Eine Aufschlüsselung der Kosten nach Art der Verhütungsmittel ist nicht möglich. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 790 2 3. Auf welche rechtlichen Grundlagen beruht die Kostenübernahme für Verhütungsmittel? Zu 3.: Bis zum Jahr 2004 war die Rechtsgrundlage für die Kostenübernahme der § 36 BSHG und ab 01.01.2005 der § 49 SGB XII. Obwohl das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV - Modernisierungsgesetz - GMG) vom 11. Dezember 2003 im Artikel 28 auch das BSHG änderte und strengere Maßstäbe an den Rahmen der Gewährung anlegte, war es rechtlich umstritten, ob die genannten Regelungen weiterhin als Anspruchsgrundlage dienen können. Das Land Berlin entschied im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dafür. Mit der Rechtsprechung des BSG B 8 SO 6/11 R vom 15.11.2012 kann diese Position rechtlich nicht aufrechterhalten werden. Eine Kostenübernahme soll jedoch aus gesundheits-politischen Gründen weiterhin möglich sein. Das Verfahren zur Änderung der Kostenzuordnung ist noch nicht abgeschlossen. 4. Wer ist leistungsberechtigt und welche Einkommensgrenzen gelten? Zu 4.: Anspruch auf Kostenübernahme für empfängnisregelnde Mittel haben Bürgerinnen und Bürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Berlin, die im Sozialleistungsbezug stehen (SGB II, SGB XII, AsylbLG) oder darüber hinaus einkommensschwach sind, z. B. Empfängerinnen und Empfänger von BAföG. Die Einkommensgrenze liegt seit dem 01.01.2016 bei 808 Euro für die antragstellende Person, zuzüglich Bruttokaltmiete, zuzüglich Fahrtkosten (Monatskarte), zuzüglich Arbeitsmittel. Für jede weitere im Haushalt lebende Person erhöht sich die Grenze um 283 Euro. 5. Wie groß ist der Personenkreis der Leistungsberechtigten (in absoluten Zahlen)? Zu 5.: Vgl. Antwort zu Frage 1. Über den gesamten Personenkreis, insbesondere die Zahl der einkommensschwachen Leistungsberechtigten, liegen keine Angaben vor. 6. Welche Verhütungsmittel werden für Frauen und Männer jeweils übernommen, welche sind von der Kostenübernahme ausgeschlossen und warum? Zu 6.: Es werden Kosten für diejenigen empfängnisregelnden Mittel übernommen, die im Rahmen des SGB V an den dort leistungsberechtigten Personenkreis (Versicherte bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres – vgl. § 24a SGB V) gewährt werden. 7. Werden Kosten für eine Sterilisation übernommen? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Nach § 51 SGB XII werden vom Träger der Sozialhilfe für nicht krankenversicherte Leistungsberechtigte die Kosten für eine Sterilisation übernommen, wenn diese durch Krankheit erforderlich ist. Diese Leistung wird nicht durch die Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung erbracht. Eine Sterilisation allein zur Empfängnisverhütung ist ausgeschlossen. § 51 SGB XII folgt inhaltlich somit der Regelung in § 24 b SGB V und hält dessen Leistungsrahmen ein. 8. Wie werden die Berliner*innen auf die Möglichkeit zur Kostenübernahme für Verhütungsmittel aufmerksam gemacht? Zu 8.: Die erforderlichen Informationen sind dem Internetauftritt der Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung vollständig zu entnehmen. Darüber hinaus werden die niedergelassenen Gynäkologinnen bzw. Gynäkologen, Apotheken, Hebammen, Jobcenter, Jugendamt, andere Ämter, freie Träger, Ausbildungseinrichtungen u. v. a. von den Zentren informiert und dabei vielfältige Instrumente (z. B. Flyer, Veranstaltungen ) genutzt. 9. Wie bewertet der Senat die Erfahrungen mit der Kostenübernahme für Verhütungsmittel in Berlin? Wie steht er einer Ausweitung des Angebots in Berlin und anderen Bundesländern gegenüber? Zu 9.: Die Erfahrung in der Schwangerschaftskonfliktberatung zeigt, dass viele Paare aus finanziellen Gründen keine sicheren Verhütungsmethoden anwenden, solange sie von der Möglichkeit der Kostenübernahme keine Kenntnis haben. Insbesondere Langzeitverhütungsmittel , die unabhängig von der Einnahmezuverlässigkeit der Anwenderin sind und damit eine hohe Sicherheit aufweisen, sind zum Zeitpunkt der Einlage mit einmaligen Kosten verbunden, die von Menschen mit geringem Einkommen in der Regel nicht bestritten werden können. Die Kostenübernahme ist ein wichtiges Instrument , um ungewollte Schwangerschaften und möglicher Weise auch Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Daher hat sich das Verfahren zur Kostenübernahme für empfängnisregelnde Mittel im Land Berlin bewährt und ist beizubehalten. Berlin, den 11. Juli 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juli 2016)