Drucksache 17 / 18 791 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jasenka Villbrandt (GRÜNE) vom 23. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2016) und Antwort Bekämpfung von Leistungsmissbrauch in der ambulanten Hilfe zur Pflege – Stand in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Bezirke haben bis zum 15.06.2016 wie viele Strafanzeigen wegen Abrechnungsbetrugs oder möglichen anderen Delikten im Zusammenhang mit der ambulanten Hilfe zur Pflege gegen Pflegedienste oder Privatpersonen gestellt? Wie viele dieser Strafanzeigen wurden inzwischen durch die Ermittlungsbehörden der Staatsanwaltschaft übergeben? In wie vielen Fällen wurde Anklage erhoben? Zu 1.: Das Landeskriminalamt (LKA) 344 hat die zentrale Bearbeitung der Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen durch ambulante Pflegedienste am 01.01.2012 zentral für Berlin übernommen. Strafanzeigen wurden seitdem durch Bezirksämter wie folgt erstattet: Bezirk 2012 2013 2014 2015 bis 15.06. 2016 Summe Charlottenburg Wilmersdorf 2 4 2 5 2 15 Friedrichshain-Kreuzberg 1 1 3 5 1 11 Mitte 5 15 10 16 1 47 Neukölln 1 0 3 0 1 5 Pankow 1 2 3 1 0 7 Reinickendorf 2 0 0 1 2 5 Spandau 1 1 1 0 0 3 Tempelhof-Schöneberg 1 1 2 1 0 5 Steglitz-Zehlendorf 0 1 2 2 0 5 Lichtenberg 0 0 1 11 2 14 Marzahn-Hellersdorf 0 0 2 0 0 2 Treptow-Köpenick 0 0 0 1 0 1 Summe 14 25 29 43 9 120 Die Verfahren der Jahre 2012 bis 2014 wurden zwischenzeitlich an die Staatsanwaltschaft Berlin übergeben, wobei die Ermittlungen nicht in allen Fällen abgeschlossen sind. Aus dem Jahr 2015 wurden bis auf sechs Verfahren ebenfalls alle Verfahren an die Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben. Die Verfahren aus dem Jahr 2016 sind noch beim LKA 344 in Bearbeitung. In sieben Fällen wurde bislang Anklage erhoben. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 791 2 2. In wie vielen Fällen a) kam es zur Kündigung des Versorgungsvertrages durch die Pflegekassen? b) wurde den Pflegediensten der Betrieb untersagt? c) kam es nach der Anklage zur Verurteilung der Angeklagten ? d) kam es zu Geld- oder Freiheitsstrafen? Zu 2 a): Zuständig für die Kündigung von Versorgungsverträgen gemäß § 72 Abs. 1 SGB XI sind nach § 74 Abs. 1 und 2 SGB XI sowohl für die fristgemäße als auch die fristlose Kündigung die Landesverbände der Pflegekassen. Vor Kündigung durch die Landesverbände der Pflegekassen ist das Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe (§ 72 Abs. 2 Satz 1 SGB XI), vorliegend der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, herzustellen. Der Vertragsbereich führt bislang keine explizite Statistik zu Versorgungsvertragskündigungen. Seit Februar 2016 sind bereits zwei Kündigungen von Versorgungsverträgen seitens der Landesverbände der Pflegekassen erfolgt, zu denen die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vor Ausspruch ihr Einvernehmen erteilte. Es gab in diesem Zusammenhang aber auch Fälle, in denen ambulante Pflegedienste nach Einleitung von Vertragsmaßnahmen (z. B. Anhörung zur fristlosen, hilfsweise fristgemäßen, Kündigung) noch im Verfahren selbst den Versorgungsvertrag vor Ausspruch der Kündigung zurückgaben , d. h. gegenüber den Pflegekassen beendeten. Zu 2 b): Gemäß § 72 Abs. 1 SGB XI dürfen die Pflegekassen ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtung). Im Falle des Ausspruches einer fristlosen Kündigung des Versorgungsvertrages gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI, wenn die Einrichtung nachweislich ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern (zu denen auch der Sozialhilfeträger gehört) derart gröblich verletzt, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist, gilt die Kündigung mit deren Zustellung und entfaltet damit ihre sofortige Wirksamkeit. Demnach entfällt bei einer fristlosen Kündigung mit deren Zustellung die Zulassung. Einer separaten ausdrücklich erklärten Untersagung des Betriebes bedarf es nicht. In der Praxis gewähren die Landesverbände der Pflegekassen im Falle der fristlosen Kündigung aufgrund der sofortigen Wirksamkeit mit Zustellung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände noch eine mehrwöchige Frist zur Abwicklung sämtlicher Rechtsbeziehungen und zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung der bisherigen Patientinnen und Patienten der Kostenträger (siehe auch § 24 Abs. 2 des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung). Zu 2.c): In drei Verfahren (aus 2011, 2012 und 2013) kam es nach Anklageerhebung zu einer Verurteilung. Zu 2.d): In zwei Verfahren kam es zu einer Verurteilung , zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung, in einem Verfahren erfolgte eine Verurteilung zu einer Geldstrafe. 3. Welche Aktivitäten unternimmt das Land Berlin insgesamt, um den Leistungsmissbrauch in der ambulanten Pflege zu vermeiden und im Rahmen welcher Maßnahmen werden die Bezirke dabei unterstützt? Welche Maßnahmen sind für die nächsten Jahre geplant? 7. Welche Arbeitsgruppen, Gesprächskreise, Runden Tische tagen noch regelmäßig rund um die ambulante Hilfe zur Pflege und welche konkreten Ergebnisse haben sie insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung von Missbrauch in der ambulanten Hilfe zur Pflege bisher erzielt? Zu 3. und 7.: In Berlin wurde bereits ab Ende 2011 damit begonnen, den Leistungsmissbrauch in der Pflege systematisch sowie ressortübergreifend zu bekämpfen. Neben dem rechtsstaatlichen Mandat waren dafür die Erfahrungen ausschlaggebend, die aus dem 2010 begonnenen Organisationsentwicklungsprojekt für die Hilfe zur Pflege gewonnen wurden und die die Notwendigkeit eines gezielten Vorgehens gegen unseriöse Pflegedienste verdeutlichten . Grundlage der Entscheidung war darüber hinaus die Erkenntnis, dass eine wirksame Steuerung sowohl der Leistungsqualität als auch der Transferausgaben in der Pflege ohne die konsequente Bekämpfung von Abrechnungsbetrug nicht realisierbar ist. Eine generelle Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs ist die Etablierung eines engen Kooperations- und Kommunikationssystems der im Pflegesektor agierenden wichtigsten Institutionen . Hierzu gehören neben dem Sozialhilfeträger und den Pflegekassen, der Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MdK), das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft, die Pflegeverbände sowie die pflegebedürftigen Personen und deren soziales Umfeld. Ab 2011 wurde der Aufbau dieses Netzwerkes zügig umgesetzt , um mit den Beteiligten gemeinsame Strategien und Maßnahmen abzustimmen. Aus dieser Vorgehensweise ist dann eine hocheffiziente Gremienstruktur innerhalb des Sozialhilfeträgers mit Beteiligung der Senatsverwaltung für Finanzen (AG TS 1), zwischen Sozialhilfeträger und Pflegekassen (AG 47 a) und mit weiteren fachlich beteiligten Behörden und Vertretern anderer Instanzen („Runder Tisch zur Bekämpfung des Leistungsmissbrauch in der Pflege“) entstanden. Die dort initiierten wichtigsten Ergebnisse sind: erfolgreiche Initiative auf Bundesebene zur Änderung des § 47 a SGB XI und diverse Beteiligungsverfahren zur Anpassung an Gesetzesvorhaben (s. Antwort zu Frage 11.) Entwicklung von Vorgehenskonzepten, Handlungsempfehlungen und standardisierten Musterformularen zur Vereinheitlichung der Verfahrensweisen in den Bezirken gemeinsam abgestimmte Vorgehensweisen und Beweisabsicherung gegen auffällige Pflegedienste mit der Konsequenz gezielter strafrechtlicher Maßnahmen (z. B. polizeilicher Durchsuchungen) und mehrerer fristloser Kündigungsverfahren Abschluss einer Zielvereinbarung u. a. zur Verbesserung der personellen Ausstattung in den Bezirksämtern Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 791 3 Absicherung einer externen juristischen Unterstützung für die Bezirksämter bei rechtlichen Spezialfragen und vor Gericht Abschirmung etwaiger bezirklicher Prozesskostenrisiken durch die Senatsverwaltung für Finanzen Verhandlungen mit der Generalstaatsanwaltschaft über die Einrichtung eines Schwerpunktbereiches „Pflege“ bei der Staatsanwaltschaft Berlin Setzung von finanziellen Anreizen für die Bezirke bei erfolgreicher Steuerung der Fallzahlen und Kosten in der Pflegestufe 0 Da die Zielvereinbarung vorerst über einen Zeitraum von zwei Jahren abgeschlossen wurde, sind die wesentlichen perspektivischen Ziele, die erreichten Standards auszubauen und zu verfestigen sowie die notwendige personelle Ausstattung für diese Aufgabe in der Hauptverwaltung und in den Bezirksämtern bei Erfolg der Pilotphase dauerhaft abzusichern. 4. Wie haben sich die Ausgaben der Bezirke im Rahmen der ambulanten Hilfe zur Pflege entwickelt, seitdem erste Maßnahmen zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch in der ambulanten Pflege in Berlin ergriffen wurden (bitte nach Bezirken)? Zu 4.: Das folgende Schaubild zeigt die Entwicklung der Transferausgaben im Bereich Hilfe zur Pflege (SGB XII). Neben den positiven Ausgabeentwicklungen in den meisten Bezirken sind die Veränderungsraten in den Jahren 2013 - 2015 in Relation zum Jahr 2012 für Berlin insgesamt besonders hervorzuheben (s. letzten beiden Tabellenzeilen). Demnach konnten allein in diesen drei Jahren in der Hilfe zur Pflege die Ausgaben kumuliert um rd. 27,6 Mio. € abgesenkt werden. Dieser Erfolg kann aber nicht ausschließlich der Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs zugerechnet werden, sondern resultiert auch aus weiteren wirkungsvollen Steuerungsaktivitäten auf der Bezirks- und Senatsebene (z. B. der Standardisierung der individuellen Bedarfsfeststellungen , der Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , der Optimierung der Geschäftsprozesse u. ä. m.) sowie Änderungen bei vorrangigen Gesetzen dieses Sozialhilfebereiches . Entwicklung der Transferausgaben im Bereich ambulante Hilfe zur Pflege seit 2012 Bezirke 2012 2013 2014 2015 MI 26.022.623 24.775.664 23.361.881 21.852.981 -5,7% FK 20.805.232 19.689.200 19.839.702 17.966.212 -4,8% PA 19.126.193 16.813.898 17.341.296 17.156.653 -3,6% CW 25.097.410 22.756.703 23.769.785 25.582.898 0,6% SP 17.278.735 16.438.040 17.369.744 17.471.716 0,4% SZ 12.118.371 11.866.304 12.834.061 13.608.646 3,9% TS 21.744.577 22.237.748 21.569.973 19.601.969 -3,4% NK 20.272.683 19.618.912 19.735.114 19.781.817 -0,8% TK 9.133.434 8.607.631 9.552.137 10.047.702 3,2% MH 12.928.376 12.983.505 13.951.883 14.746.498 4,5% LI 15.187.760 14.003.158 13.762.993 14.585.941 -1,3% RD 10.372.516 9.450.221 9.489.058 8.430.321 -6,7% Berlin 210.087.910 199.240.983 202.577.628 200.833.355 -1,5% absolut -10.846.926 3.336.644 -1.744.273 prozentual -5% 2% -1% absolut -10.846.926 -7.510.282 -9.254.555 prozentual 100 -5% -4% -4% Euro Veränderung ggü. Vorjahr Veränderung ggü. 2012 Jährl. % Entwicklg. 2012 - 2015 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 791 4 5. Wie viele der zusätzlichen Stellen entsprechend der Zielvereinbarung zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch in der ambulanten Hilfe zur Pflege sind in den Bezirken inzwischen besetzt, wie viele unbesetzt (bitte nach Bezirken)? Zu 5.: In zehn Bezirksämtern sind die über die am 01.01.2016 in Kraft getretene Zielvereinbarung abgesicherten zwei Beschäftigungspositionen für die Leistungsmissbrauchsbekämpfung besetzt. In Marzahn- Hellersdorf und Charlottenburg Wilmersdorf sind die Personalvakanzen noch nicht oder noch nicht vollständig ausgefüllt. Die Verfahren laufen, so dass eine kurzfristige Besetzung erwartet werden kann. 6. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Maßnahmen in den Bezirken zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch in der ambulanten Hilfe zur Pflege weiter zu vereinheitlichen? Zu 6.: Für die grundlegenden methodischen und rechtlichen Verfahrensfragen wurden inzwischen die wesentlichen Empfehlungen, Muster und Vorlagen zur Standardisierung der Vorgehensweisen entwickelt und befinden sich bei den Bezirken in der Anwendung. Außerdem wurde ein optimiertes Geschäftsprozessmodell entwickelt, das zügig und unter qualitätsorientierten Maßstäben in den Bezirken umgesetzt werden soll. Der Prozess der Leistungsmissbrauchsbekämpfung hat in Berlin inzwischen ein Stadium erreicht, in dem der Sozialhilfeträger einheitliche und rechtlich belastbare Rückforderungsschritte für die zu Unrecht geleisteten Hilfen eingeleitet hat. Diesen (nicht ganz trivialen) Prozess berlinweit zu vereinheitlichen, ohne die sozialhilferechtlich vorgegebenen einzelfallbezogenen Anforderungen zu vernachlässigen, stellt zurzeit eine große fachliche Herausforderung dar. 8. Wie viele Dienstkräfte sind bei Polizei und Justiz inzwischen vorrangig mit der Bekämpfung von Leistungsmissbrauch in der ambulanten Hilfe zur Pflege befasst ? Gibt es eine spezialisierte Abteilung oder feste Ansprechpartner bei Polizei und Staatsanwaltschaft? Zu 8.: Die Bearbeitung der Verfahren wegen Verdachts des Abrechnungsbetruges im Gesundheitswesen durch ambulante Pflegedienste erfolgt seit dem 01.08.2014 im Rahmen einer beim LKA 344 angegliederten „Ermittlungsgruppe Pflegedienste“ mit einem Personalansatz von insgesamt sieben Dienstkräften und einer Tarifbeschäftigten. Aufgrund der Auslastung des LKA 344 „Ermittlungsgruppe Pflegedienste“ erfolgt derzeit eine temporäre Unterstützung mit zwei weiteren Dienstkräften . Bei der Staatsanwaltschaft Berlin ist bislang in der Abteilung 243 eine Dezernentin vorrangig mit der Bearbeitung von Umfangsverfahren aus dem Bereich des Leistungsmissbrauches befasst. Zum 15. Juli 2016 erfolgt nun eine Konzentration dieser Verfahren bei der Staats-anwaltschaft Berlin in der Abteilung 243, in der insoweit ein Schwerpunktbereich Pflege gebildet wird. Es ist eine Besetzung vorerst mit 2,75 Arbeitskraftanteile (AKAs) vorgesehen, die ausschließlich diesem Fachgebiet gewidmet werden. 9. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Pflegekassen zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch in der ambulanten Pflege in Berlin inzwischen geregelt? Nach welchem Verfahren prüfen die Kassen Betrugsvorwürfe, wie viele Prüfungsanfragen gab es und was waren die Ergebnisse ? Zu 9.: Gesetzliche Grundlage für die Zusammenarbeit bildet vor allem der § 47a SGB XI. Nach § 47a Abs. 1 Satz 2 SGB XI sind die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen die organisatorischen Einheiten (nach § 197a Abs. 1 SGB V) bei den Pflegekassen . Gemäß § 47a Abs. 2 Satz 2 SGB XI sind diese Bekämpfungsstellen berechtigt, personenbezogene Daten an die nach Landesrecht bestimmten Träger der Sozialhilfe zu übermitteln, die für die Hilfe zur Pflege im Sinne des Siebten Kapitels des SGB XII zuständig sind und umgekehrt . Zur strategischen Abstimmung zwischen dem Sozialhilfeträger und den Pflegekassen kommt es durch regelmäßige Besprechungsrunden im Rahmen der AG 47 a (siehe Antworten zu 3. und 7.). Eine weitere Zusammenarbeit zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales findet im Rahmen der Herstellung des Einvernehmens bei Versorgungsvertragsmaßnahmen nach § 74 Abs. 1 und 2 SGB XI statt (s. Antworten zu 2 a) und b)). Prüfanfragen zwischen dem Vertragsbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und den Pflegekassen werden nicht explizit statistisch erfasst. Die Anzahl liegt nach hiesiger Schätzung seit 2015 im unteren zweistelligen Bereich. Ergebnisse sind fallbezogene Sachverhaltsaufklärungen, ggf. Anhörungen und Kündigungen , wenn sich ein erhebliches nachweisbares Fehlverhalten bzw. ein schwerer Leistungsmissbrauch bei der Prüfung herausstellt - durch die Landesverbände der Pflegekassen im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (s. Antworten zu 2 a) und b)). Zu direkten Prüfanfragen zwischen Bezirksämtern und den Pflegekassen ist keine Auskunft durch den Vertragsbereich möglich. 10. Welche Ergebnisse der Arbeitsgruppe „AG Teilstrategie 1“ sind in die Neufassung des Berliner Rahmenvertrages vom 13. Oktober 2015 eingeflossen, die der Bekämpfung von Leistungsmissbrauch in der ambulanten Hilfe zur Pflege in Berlin dienen sollen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 791 5 Zu 10.: Die Vertragsverhandlungen zur Aktualisierung des Regelungsbereiches ambulante Pflege im Berliner Rahmenvertrag Soziales (BRV) wurden im November 2014 ausgesetzt und seitdem nicht wieder aufgenommen. In der Neufassung des Berliner Rahmenvertrages vom 13.10.2015 sind keine neuen Regelungen zur ambulanten Pflege enthalten. 11. Was unternimmt das Land Berlin, um auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die im Rahmen des Pflegestärkungsgesetze II notwendige Verabschiedung einer Qualitätsprüfungsrichtlinie dazu beiträgt, Leistungsmissbrauch in der ambulanten Hilfe zu Pflege zu vermeiden? Zu 11.: Auch in den aktuellen Gesetzesinitiativen der Bundesregierung wird weiterhin die Selbstverwaltung in der Pflege präjudiziert. Im § 114 a Abs. 7 SGB XI ist nicht erst seit dem PSG II geregelt, dass den Ländern im Rahmen der Entwicklung der Qualitätsprüfrichtlinien keine gesetzlichen Einflussmöglichkeiten zugewiesen werden. Nichtdestotrotz hat der Senat bereits sehr frühzeitig den zuständigen Bundesminister und den Bevollmächtigten der Bundesregierung für Patientinnen bzw. Patienten und Pflege über die in Berlin gemachten Erfahrungen bei der Leistungsmissbrauchsbekämpfung informiert und auf entsprechende Anpassungserfordernisse bei der Gesetzesnovellierung hingewiesen. So hat das Land Berlin beispielweise im Gesetzgebungsverfahren zum PSG II - von allen Bundesländern unterstützt - die für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs notwendige gesetzliche Verankerung der Anfangs- und Endzeiten der Pflegeeinsätze eingebracht (siehe Anlage: BR-Antrag Berlin vom 02.09.2015). Weiterhin wurde u. a. vorgeschlagen, den § 75 Absatz 2 SGB XI um eine Ermächtigung zur vertraglichen Regelung von Qualitätsstandards in Wohngemeinschaften zu ergänzen. Die Auswirkungen dieser und weiterer Initiativen bleiben abzuwarten. 12. Hat der Senat inzwischen den Bezirken eine umfassende , praxisorientierte und verständliche Zusammenfassung ihrer Rechte und Kontrollmöglichkeiten im Bereich der Hilfe zur Pflege zur Verfügung gestellt und welche Sanktionsmöglichkeiten ergeben sich derzeit aus den vertraglichen Regelungen bei Verstößen durch die Pflegedienste? Zu 12.: Ja. Seit mehreren Monaten findet ein umfangreiches Schulungs- und Qualifizierungs-programm für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksämter mit dem Ziel statt, die bereits entwickelten Instrumente und Verfahrensweisen kennenzulernen, einheitlich anzuwenden und weiterzuentwickeln. Hinsichtlich der Sanktionsmöglichkeiten wird neben der Kündigungsvorschrift in § 74 SGB XI auf die Bestimmungen des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung hingewiesen . Zur erforderlichen Klärung im Rahmen des Abrechnungsverfahrens fordern die Kostenträger bestimmte Unterlagen vom Pflegedienst an, sofern ein Verdacht auf nicht vertragskonforme Abrechnung besteht (§ 17 Abs. 12 des Rahmenvertrages SGB XI). Weitere Vertragsmaßnahmen ergeben sich aus §§ 22 und 23 des Rahmenvertrages SGB XI (z. B. Anhörung, Kündigung) bei vorliegenden Verstößen. Nach § 22 Abs. 4 des Rahmenvertrages entscheiden die Pflegekassen bei nachgewiesenen Vertragsverstößen unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit über geeignete Maßnahmen (Verweis, Abmahnung oder Kündigung ). Berlin, den 13. Juli 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2016)