Drucksache 17 / 18 794 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Carola Bluhm und Elke Breitenbach (LINKE) vom 23. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2016) und Antwort Wohnungen für Flüchtlinge (V): Mietsachgebiet im LAGeSo Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Nach § 53 Absatz 1 Asylgesetz (AsylG) sollen Ausländerinnen und Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch Belange der Ausländerin/des Ausländers zu berücksichtigen . Bundesgesetzlich ist somit auch die Unterbringung außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften, etwa in Wohnungen zulässig. In Auslegung dieser Vorschrift strebt der Senat an, die Vermittlung von Wohnungen an Asylsuchende zu intensivieren, da die Ermöglichung einer selbständigen Haushalts- und Lebensführung neben dem Spracherwerb und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu den wesentlichen Voraussetzungen für eine gesellschaftliche Teilhabe der geflüchteten Menschen gehört. Der Erfolg dieser Bemühungen wird etwa daran deutlich, dass seit Beginn der Legislaturperiode die Zahl der in Wohnungen vermittelten Asylsuchenden jährlich gesteigert werden konnte, von rund 550 Personen im Jahr 2012 auf rund 2.100 Personen im Jahr 2015. Von Januar bis Mai 2016 konnten bereits rund 1.500 Asylbegehrende in eine Mietwohnung vermittelt werden, was mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum bedeutet. Dazu beigetragen haben auch die erfolgreichen Anstrengungen der Senatoren für Gesundheit und Soziales sowie für Stadtentwicklung und Umwelt um eine faktische Verdoppelung der von den sechs städtischen Wohnungsunternehmen an Geflüchtete vermieteten Wohnungen. 1. Wie viele Mitarbeiter*innen mit welchen Stellenanteilen und welchen Aufgabenbereichen sind derzeit für den Bereich „Wohnungsanmietung und Mietübernahme für Asylsuchende“ (Mietsachgebiet) in der Zentralen Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) zuständig? Wie viele davon sind bis wann aus welchen anderen Behörden abgeordnet? Zu 1.: Im Mietsachgebiet sind Stand 30.06.2016 sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, der Personalansatz entspricht sechs Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Des Weiteren ist bis zum 31.12.2016 eine von der Bundesagentur für Arbeit abgeordnete Mitarbeiterin im Mietsachgebiet tätig (1 VZÄ). 2. Wie viele Mitarbeiter*innen im Mietsachgebiet (in Vollzeitäquivalenten) prüfen die Mietangebote? Zu 2.: Die Prüfung der eingehenden Wohnungsangebote erfolgt derzeit über einen Personalansatz von zwei VZÄ. 3. Wie hoch ist der durchschnittliche Krankenstand im Mietsachgebiet in den Jahren von 2013 bis 2016? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.) Zu 3.: Eine gesonderte statistische Erfassung des Krankenstandes im Mietsachgebiet erfolgt nicht. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wäre dies auch nicht zulässig. 4. Wie ist die Urlaubs- und Krankheitsvertretung für die Mitarbeiter*innen im Mietsachgebiet geregelt? (Bitte aufschlüsseln nach Aufgabengebiet.) Zu 4.: Im Rahmen der Urlaubsvertretung vertreten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenseitig. Im Krankheitsfalle erfolgt die Verteilung der Aufgaben sachund situationsgerecht innerhalb des Mietsachgebietes, so dass die Wahrnehmung der vereinbarten Termine der Asylbegehrenden sichergestellt werden kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 794 2 5. Wie viele Vorsprachen fanden in den Jahren von 2013 bis 2016 durchschnittlich pro Tag im Mietsachgebiet statt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.) Zu 5.: Die Anzahl der terminierten Vorsprachen im Mietsachgebiet wird wie folgt dargestellt: im Jahr 2013: 3 Termine/Tag im Jahr 2014: 6 Termine/Tag im Jahr 2015: 7,5 Termine/Tag im Jahr 2016: 15 Termine/Tag. Hinzu kommen unterminierte Vorsprachen im Mietsachgebiet , die jedoch nicht statistisch erhoben werden. 6. Wie viele Mietangebote werden derzeit täglich im Mietsachgebiet zur Prüfung eingereicht und wie viele können derzeit pro Tag bearbeitet werden? 7. Wie viele Anträge auf Mietkostenübernahme sind in den Jahren von 2013 bis 2016 im Mietsachgebiet abgegeben worden? Wie vielen wurde zugestimmt und wie viele wurden aus welchen Gründen abgelehnt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.) 8. Wie lange dauert derzeit im Durchschnitt die Prüfung der Mietkostenübernahme für Asylsuchende, die selbst oder mit Hilfe der Beratungsstelle „Wohnungen für Flüchtlinge“ des EJF der ZLA ein Wohnungsangebot mit allen erforderlichen Angaben vorlegen? Welcher durchschnittliche Bewilligungszeitraum wird angestrebt? (Bitte tatsächliche und angestrebte Prüfungsdauer differenziert ausweisen.) Zu 6. bis 8.: Eine Erhebung der Fallzahlen aller eingehenden Anträge auf Zusicherung der Anmietung einer eigenen Wohnung sowie deren Erledigungsart erfolgt erst seit Mai 2016. Eine erste Auswertung ist abschließend noch nicht erfolgt. Die Fallzahlen der bewilligten Mietangebote sowie die Bearbeitungsdauer werden für das Jahr 2016 wie folgt dargestellt: In den letzten drei Wochen wurden insgesamt 388 Wohnungsangebote im Mietsachgebiet eingereicht. Am Tag werden durchschnittlich 20 Angebote bearbeitet. Derzeit eingereichte Angebote benötigen für die Bearbeitung im Regelfall von der Abgabe (einschließlich Mietberatung ) bis zur Mietkostenzusage durch das Mietsachgebiet im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LA- GeSo) 26 Tage. Die Bearbeitungsdauer bei eilbedürftigen Vorgängen (wie etwa besonderen Härtefällen, schutzbedürftigen Wohnungsuchenden, Beschwerden) liegt zwischen zwei und acht Tagen; dies betrifft etwa 25 Prozent aller Vorgänge. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die sehr hohen Zuzugszahlen im letzten Quartal des Jahres 2015 auf die Bearbeitung der Wohnungsgesuche insoweit auswirken , als nach Ablauf der gesetzlichen Verpflichtung zum Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung nunmehr vermehrt Personen bei der Beratungsstelle des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) vorsprechen. Gleichwohl wird eine taggleiche Bearbeitung der Wohnungsangebote angestrebt. Die Fallzahlen der Bewilligungen lassen sich für das Jahr 2016 wie folgt darstellen (Stand 07.06.2016): Monat Anzahl der Fälle* Personen insgesamt davon Familien Dauer der Wohnungssuche in Wochen (Ø) Januar 2016 63 152 30 35 Februar 2016 86 205 45 30 März 2016 125 278 65 30 April 2016 201 426 90 25 Mai 2016 199 433 96 22 Insgesamt 674 1.494 326 142 *Die Zahl der Fälle ist nicht mit der Zahl der Wohnungen gleichzusetzen. Volljährige Familienangehörige (außer Ehegatten) werden als eigener Fall erfasst. 9. Wie sind bei der ZLA derzeit die genauen Abläufe, wenn Asylsuchende eine Wohnung anmieten möchten und a. noch kein konkretes Wohnungsangebot vorlegen können oder b. ein konkretes Wohnungsangebot vorlegen? Zu 9a. und 9b.: Es ist zu unterscheiden, ob die/der Asylbegehrende bereits mit oder ohne ein konkretes Wohnungsangebot vorspricht. In beiden Fällen erfolgt auf Grundlage des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem EJF die Vorsprache bei der Beratungsstelle des EJF. In den Fällen, in denen die/der Asylbegehrende ohne ein konkretes Wohnungsangebot vorspricht, erfolgt in der Beratungsstelle des EJF eine Registrierung der Kundin /des Kunden sowie eine erste Mietberatung. In der ersten Mietberatung werden allgemeine Informationen über den Berliner Wohnungsmarkt vermittelt sowie erste Hinweise gegeben, wie beispielsweise eine Wohnungsbesichtigung abläuft und was alles zu beachten ist bei der Wohnungssuche. Die Richtwerte der angemessenen Miethöhe anhand der Ausführungsvorschrift zur Gewährung zur Gewährung von Leistungen nach § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und §§ 36, 36 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) (AV-Wohnen), die analog Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 794 3 bei der Ermittlung der angemessen Unterkunftskosten im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) anzuwenden ist, werden der/dem Asylbegehrenden mitgeteilt . Sie/Er wird somit in die Lage versetzt, für sich und seine Bedarfsgemeinschaft angemessenen Wohnraum zu suchen. Die Berechtigung zur Wohnungssuche wurde zu dem Zeitpunkt bereits schriftlich bei der Entlassung aus der Erstaufnahmeeinrichtung ausgehändigt. Legt die/der Asylbegehrende bereits ein konkretes Angebot vor, muss ebenfalls die persönliche Vorsprache beim EJF erfolgen. Die erste Mietberatung entfällt und das Prüfverfahren beginnt unmittelbar. Die Prüfunterlagen werden dann an das Mietsachgebiet des LAGeSo weitergegeben . Hier erfolgt die Entscheidung, ob eine Zusicherung zur Anmietung des begehrten Wohnraumes erfolgen kann. Im Falle der Zusicherung kann der Mietvertrag durch den Flüchtling mit der Vermieterin oder dem Vermieter abgeschlossen werden. Im Anschluss erfolgt eine zweite Mietberatung durch das EJF mit dem Fokus auf den Umgang mit Energiekosten und weiteren wichtigen Hinweisen zum Leben in einer Wohnung. 10. Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen erhalten Asylsuchende durch die ZLA die schriftliche Erlaubnis zur Wohnungssuche? 11. Unter welchen Voraussetzungen erhalten Asylsuchende derzeit die Genehmigung auf das private Wohnen von Anfang unter vollständigem Verzicht auf die Einweisung in eine Aufnahmeeinrichtung nach § 47 Asylgesetz (AsylG)? Zu 10. und 11.: Nach § 47 AsylG sind Asylsuchende verpflichtet, bis zu sechs Wochen, längstens bis zu sechs Monaten, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Für Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten im Sinne des § 26a AsylG gilt die Wohnverpflichtung in der Erstaufnahmeeinrichtung mindestens bis zum Abschluss des Asylverfahrens. Eine generelle Ausnahme von der Wohnverpflichtung ist im Asylgesetz nicht vorgesehen . Die Wohnverpflichtung wird, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt werden, durch die Zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAA) förmlich aufgehoben. In diesen Fällen wird zugleich die allgemeine Zusage für eine Übernahme von Mietkosten ausgehändigt. 12. Wie viele Widersprüche gegen Entscheidungen des LAGeSo im Bereich des AsylbLG sind in den Jahren von 2013 bis 2016 eingelegt worden und wie wurden diese Widersprüche erledigt? (Bitte nach Jahr, Erledigungen und Erledigungsart aufschlüsseln.) 13. Wie lange war in den Jahren von 2013 bis 2016 die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Widersprüchen gegen ablehnende Entscheidungen von Mietkostenübernahmen ? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.) Zu 12. und 13.: Soweit im Servicebereich Recht beim LAGeSo in den Jahren 2013 bis 2016 Widersprüche nach dem AsylbLG eingegangen sind, können die Informationen zur Anzahl, der Art der Erledigung und der Bearbeitungsdauer der nachfolgenden Tabelle entnommen werden (Stand 29.02.2016): Die Anzahl der Widersprüche sowie deren Bearbeitungsdauer für das Mietsachgebiet wurden nicht gesondert statistisch erfasst. Auf Anfrage teilte das Mietsachgebiet selbst mit, dass im Jahr 2016 keine Widersprüche in ihrem Sachgebiet eingegangen sind. 14. Trifft es zu, dass das LAGeSo rechtsmittelfähige begründete schriftliche ablehnende Bescheide verweigert und stattdessen Ablehnungen den Antragsteller*innen über das EJF mündlich, telefonisch oder per E-Mail übermitteln lässt? Wenn ja, warum und wie begründet das LAGeSo diese Verwaltungspraxis? Zu 14.: Nach dem AsylbLG haben Asylbegehrende Anspruch auf Deckung des Bedarfes an Unterkunft. Die Bedarfsdeckung erfolgt durch Sach- oder Geldleistung. Ein Rechtsanspruch auf Anmietung eigenen Wohnraumes lässt sich aus dem AsylbLG nicht ableiten. In Folge dessen kann von einer grundsätzlichen Erteilung eines ablehnenden Bescheides in den Fällen abgesehen werden, in dem der Bedarf an Unterkunft durch die anderweitige Unterbringung in einer Not- oder Gemeinschaftsunterkunft gedeckt ist. 15. Wie viele Klagen und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind in den Jahren von 2013 bis 2016 beim Sozialgericht Berlin eingegangen, um Ansprüche im Bereich der Unterbringung nach dem AsylbLG gegenüber dem LAGeSo durchzusetzen und inwiefern sind diese erledigt worden? (Bitte nach Jahr, Eingängen, Untätigkeitsklagen , Erledigungen und Erledigungsarten aufschlüsseln .) 16. Wie viele Verfahren im Bereich der Unterbringung nach AsylbLG beim LAGeSo sind derzeit beim Sozialgericht Berlin anhängig? Jahr Widersprüche Zurückweisungen anderweitige Erledigung Stattgaben noch in Bearbeitung Bearbeitungsdauer, durchschn. 2013 194 178 16 0 0 28,95 Tage 2014 48 34 13 1 0 34,25 Tage 2015 20 18 1 0 1 40,80 Tage 2016 0 - - - - - Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 794 4 Zu 15. und 16.: In den Jahren 2013 bis 2015 erfolgte keine gesonderte Erfassung der sozialgerichtlichen Verfahren nach Klagegegenstand. Insofern kann keine gesonderte Auswertung für das Mietsachgebiet erfolgen. Im 2016 gab es bis dato fünf Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, die in die Zuständigkeit des Mietsachgebietes fallen. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es kein offenes Klageverfahren, das eine Entscheidung des Mietsachgebietes zum Klagegegenstand hat. 17. Ist dem Senat bekannt, dass potenzielle Vermieter *innen (darunter auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften ) häufig Geflüchtete auf Wohnungssuche mit der Begründung abweisen, dass sie erst als Mieter*innen in Betracht kommen, wenn ihr Asylverfahren abgeschlossen ist und sie einem Jobcenter zugeordnet sind, weil das LAGeSo im Gegensatz zu den Jobcentern derart langsam und unzuverlässig bei der Prüfung und Übernahme von Anträgen auf Mietkosten(-übernahme), Kaution, Genossenschaftsanteilen sowie Heiz- und Betriebskosten ist? Welche Konsequenzen zieht der Senat daraus? Zu 17.: Dem Mietsachgebiet des LAGeSo ist bis dato nur ein Fall bekannt geworden. Hier konnte der Mietvertrag aufgrund der Gültigkeit der Aufenthaltsgestattung nicht abgeschlossen werden. Eine Vermittlung seitens des LAGeSo mit dem Vermieter ist gescheitert. Berlin, den 08. Juli 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juli 2016)