Drucksache 17 / 18 803 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanne Graf und Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 23. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2016) und Antwort Kita-Entwicklungsplanung I: Wie wird der Senat den gesetzlichen Ansprüchen der geflüchteten Kinder und ihrer Familien gerecht? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Kinder von 0 bis 2 Jahren und wie viele Kinder von 3 bis 7 Jahren leben aktuell in vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte)? 2. Wie viele der Kinder von 0 bis 2 Jahren und wie viele Kinder von 3 bis 7 Jahren, die in vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte) wohnen, besuchen eine Kindertagesstätte und wie viele eine Tagespflege ? 3. Wie viele geflüchtete Kinder von 0 bis 2 Jahren und wie viele Kinder von 3 bis 7 Jahren, die in vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte) wohnen, warten aktuell trotz Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz und wie viele auf einen Platz in der Tagespflege ? 4. Insofern die Senatsverwaltung für Jugend die Fragen zu 1. bis 3. nicht beantworten kann: Wann gedenkt der Senat das vom Abgeordnetenhaus am 9. Mai 2016 beschlossene „Haushaltsumsetzungsgesetz“, hier: die Änderung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VOKitaFöG zu vollziehen, um den ausländerrechtlichen Status der Kinder von 0 bis 7 Jahren erheben zu können? Zu 1., 2., 3. und 4.: Nach Auskunft des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) lebten im Mai 2016 in Berlin insgesamt 5.054 Kinder im Alter von null bis unter sechs Jahren sowie 4.222 Kinder im Alter von sechs bis unter zwölf Jahren in vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte). Darüber hinaus liegen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (SenBildJugWiss) keine Informationen zur Anzahl der Kinder in den angefragten Altersstufen null bis zwei Jahre bzw. drei bis sieben Jahre insgesamt bzw. zur Anzahl der betreuten Kinder aus vertragsgebundenen Einrichtungen vor. Mit der Änderung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zum Kindertagesförderungsgesetz (VOKitaFöG) sind nunmehr die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erhebung des ausländerrechtlichen Status innerhalb der Integrierten Software Berliner Jugendhilfe (ISBJ), hier im Fachverfahren Kindertagesbetreuung, geschaffen worden. Die IT-technische Umsetzung wird voraussichtlich bis zum 4. Quartal 2016 erfolgen. 5. Auf der Grundlage welcher Erhebung oder welcher Statistik nimmt die Senatsjugendverwaltung an, dass bei einem vermeintlich zu berücksichtigenden Rückgang des Zuzugs von Geflüchteten insgesamt (von 49.655 in 2015 auf 24.000 in 2016 und 2017, 12.500 in 2018 und 2019 bzw. auf 10.000 in 2020) der Anteil der Kinder von 0 bis 7 Jahren von 2016 bis 2020 jährlich konstant bei 15% liegt (vgl. S. 23 in der Roten Nr. 2317 G)? a) Warum vermeidet die Senatsjugendverwaltung verschiedene Szenarien zum Zuzug geflüchteter Kinder von 0 bis 7 Jahren in der Kita-Entwicklungsplanung (Rote Nr. 2317) für die folgenden Jahre zu entwerfen, wenn sie in der bei der Entwicklung der Fallzahlen und Platzkosten bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen insgesamt vier Szenarien beschreibt (vgl. Rote Nr. 2750 A, S.3)? b) Wie will der Senat den gesetzlichen Ansprüchen der geflüchteten Familien auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung gerecht werden, wenn der Anteil der geflüchteten Kinder von 0 bis 7 Jahren an der Gesamtanzahl der geflüchteten Menschen in den Folgejahren 15% übersteigen wird? Zu 5.: Die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) Anfang 2016 bereitgestellte neue Bevölkerungsprognose bildet die Entwicklung der Flüchtlingszahlen nicht ausreichend ab. Deshalb hat die SenBildJugWiss die steigenden Flüchtlingszahlen im Rahmen der Aktualisierung der Kita-Entwicklungs- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 803 2 planung mit Hilfe eines Modells in Anrechnung gebracht. Ausgangspunkt dieser Modellrechnung ist die von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (SenGes- Soz) bereitgestellte „Monatliche Statistik zu den Empfängern und Empfängerinnen und Bedarfsgemeinschaften von Regelleistungen gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Berlin“, die zum Stichtag 31.12.2015 einen relativen Anteil der null bis unter siebenjährigen Empfängerinnen und Empfänger von Regelleistungen gemäß AsylbLG in Höhe von 15 Prozent auswies. Dieser Wert wird im Sinne eines Modellparameters fortgeschrieben und anhand der künftigen Entwicklung in den Folgejahren im Rahmen der laufenden Evaluation der Planung bewertet. Im Unterschied zur Planung der Entwicklung der Fallzahlen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF; siehe Rote Nummer 2750 A) setzt die Kita- Entwicklungsplanung auf der zwischenzeitlich landesweit abgestimmten Annahme über die Zugangszahlen geflüchteter Menschen auf, sodass eine Szenarienbetrachtung nicht erforderlich ist. 6. Auf der Grundlage welcher Erhebung oder welcher Statistik nimmt die Senatsjugendverwaltung an, dass von Ende 2016 bis 2020 jährlich konstant nur 20 bis 25% der 0 bis 4,5jährigen und der 6-7jährigen geflüchteten Kinder einen Kita-Platz beanspruchen werden, wenn im Jahr 2015 insgesamt eine Betreuungsquote bei den 0-3jährigen Kindern von 69,6% und bei den 3-6jährigen von 93,4% zu verzeichnen ist? a) Insofern die Grundlage für die genannte Annahme das IST aus dem Jahr 2015 ist, warum hat der Senat keine politische Absicht, mehr als 20 bis 25% der geflüchteten Kinder von 0 bis 4,5 bzw. von 6 bis 7 Jahren (bzw. deren Sorgeberechtigen) zum Kita-Besuch (ihrer Kinder) zu motivieren bzw. den Anteil jährlich zu steigern? b) Stimmt der Senat der Argumentation zu, dass die Annahme in der Kita-Entwicklungsplanung (Rote Nr. 2750, S. 23), dass von Ende 2016 bis 2020 jährlich konstant nur 20 bis 25% der 0 bis 4,5jährigen und der 6-7-jährigen geflüchteten Kinder einen Kita-Platz beanspruchen werden , sich mit der Forderung des Abgeordnetenhauses vom 03. April 2014, „Flüchtlingsfamilien stärker über die Möglichkeiten und Chancen einer Betreuung ihrer Kinder in einer Kindertageseinrichtung zu informieren“ (vgl. Drs. 17/1921) widerspricht, weil eine regelmäßiges Werben für den Besuch einer Kita zu höheren und nicht zu konstanten Betreuungsquoten führt und daher in der Kita- Entwicklungsplanung bis 2020 mit einer regelmäßigen Erhöhung der Anzahl der in Kitas betreuten geflüchteten Kinder gerechnet und geplant werden müsse? Wenn nein, warum nicht? 7. Kann der Senat mit Sicherheit bestätigen, dass gemäß der Tabelle auf der S. 23 in 2015 100% der 4,5 bis 6jährigen geflüchteten Kinder im Rahmen der vorschulischen verpflichtenden Sprachförderung gemäß § 55 SchulG eine Kita besucht haben? a) Wenn ja, auf der Grundlage welcher Erhebung oder welcher Statistik? b) Wenn nein, wie viele geflüchtete Kinder haben in 2015 trotz Einladung an die Sorgeberechtigten nicht an der verpflichtenden Sprachförderung teilgenommen? Zu 6. und 7.: Unter Beachtung der Regelungen des Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) hat jedes Flüchtlingskind einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung, der bei Bedarf erfüllt wird. Ziel der Kita-Entwicklungsplanung ist in diesem Zusammenhang die Ermittlung eines bedarfsgerechten Umfangs des Platzangebots. Da aktuell keine belastbaren Daten zur Anzahl der betreuten Flüchtlingskinder vorliegen, nutzt die SenBildJugWiss im Rahmen der Kita-Entwicklungsplanung eine Modellrechnung zur Ermittlung des voraussichtlichen Platzbedarfs. Die im Modell verwendeten jahrgangsspezifischen Betreuungsquoten von 20, 25 bzw. 100 Prozent sind Setzungen, die teilweise über bzw. unter dem Landesdurchschnitt (Betreuungsquoten für die Altersstufe null bis unter drei Jahre zum 31.12.2015: 46,7 Prozent) liegen. Insofern geht die SenBildJugWiss davon aus, dass die Kita-Entwicklungsplanung in der Gesamtschau einen angemessenen Platzbedarf unter Berücksichtigung der Flüchtlingssituation ausweist. Mit der vorgesehenen Erhebung des „ausländerrechtlichen Status“ wird die Voraussetzung für eine künftig belastbare Bewertung der zu Grunde liegenden Annahmen geschaffen. Berlin, den 05. Juli 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juli 2016)