Drucksache 17 / 18 808 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Carsten Schatz (LINKE) vom 24. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2016) und Antwort Auswirkungen des Referendums im Vereinigten Königreich auf Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat den Ausgang des Referendums im Vereinigten Königreich? Zu 1.: Der Senat bedauert die Entscheidung für den Brexit, denn die Europäische Union (EU) ist nicht nur Wirtschaftsgemeinschaft sondern auch Wertegemeinschaft . Deutschland verliert mit dem Austritt Großbritanniens einen starken Partner, der innerhalb der Europäischen Union für Frieden, Freiheit und Marktwirtschaft eingetreten ist. Gerade ein exportorientiertes Land wie Deutschland muss ein hohes Interesse an einem starken europäischem Wirtschaftsraum haben, der sich im globalen Wettbewerb gegenüber anderen Wirtschaftsregionen behaupten kann. Das gilt gerade auch für Berlin mit seiner wachsenden Zahl technologiestarker und exportorientierter Unternehmen. 2. Wie hoch waren die Exporte der Berliner Wirtschaft ins Vereinigte Königreich in den letzten Jahren, ab 2005? Zu 2.: Die Berliner Wirtschaft exportierte im letzten Jahr Waren im Wert von rund 550 Millionen Euro nach Großbritannien, das damit auf Platz 7 der wichtigsten Zielländer für Produkte Made in Berlin stand. Dies entspricht einem Anteil von 3,9 % an den Berliner Exporten, was deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Allerdings sind einzelne Branchen überproportional betroffen. Dies gilt für Krafträder und Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung. Umso wichtiger ist es jetzt trotz der Brexit-Entscheidung den Dialog mit den britischen Partnern fortzusetzen. Insgesamt ergeben sich seit 2005 die folgenden Werte: Ausfuhr: Wert Tsd. EUR 2005 729.689 2006 587.374 2007 506.822 2008 407.030 2009 396.977 2010 519.600 2011 509.126 2012 522.389 2013 547.236 2014 533.327 2015 551.289 3. Welche Auswirkungen wird der nun eingeleitete Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU für diese Exporte haben? Welche Folgen für Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung in Berlin sind zu erwarten ? Zu 3.: Die Effekte eines Brexits auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Berlin sind nicht einheitlich. Ein Brexit würde durch den Wegfall des EU-Binnenmarktes gleichzeitig zu stärkeren Handelshemmnissen führen, was sich dämpfend auf die Berliner Exporte nach Großbritannien auswirken dürfte. Daneben würde eine Abwertung des Pfund die Reise britischer Touristinnen und Touristen nach Berlin verteuern. Auf der anderen Seite sind britische Unternehmen, die nach einem Austritt weiter in Europa aktiv sein wollen, stärker als bislang auf Niederlassungen auf europäischem Boden angewiesen. Berlin mit seiner Verankerung im größten europäischen Markt und den Sprachkompetenzen einer Weltstadt ist hierfür eine erste Adresse. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 808 2 Startup-Unternehmen aus London, die ihr Geschäftsmodell in Europa ausrollen und skalieren wollen, werden dies nicht mehr ohne weiteres von ihrem Heimatstandort aus können. Sie werden Zweitstandorte in Europa suchen oder ihre Aktivitäten sogar ganz verlagern. Auch für diese Unternehmen ist Berlin aufgrund seiner lebendigen Startup -Szene und der bestehenden Kontakte eine natürliche Anlaufstelle. Internationale Firmen aus Asien und Amerika mit europäischen Headquartern in London werden sich veranlasst sehen, ihren Standort zu überdenken, wenn Großbritannien aus der EU austritt. Auch hier ist Deutschland und damit Berlin als Hauptstadt des größten Mitgliedlandes der EU automatisch im Fokus. 4. Wie wird der Senat diesen Auswirkungen entgegenwirken ? Zu 4.: Die Ansprache von Unternehmen, Investorinnen und Investoren, Startups und internationalen Headquarters in London und Großbritannien wird ab sofort intensiviert. Geplant ist ein Auslandsbüro zur Unterstützung der Wirtschaftsförderpräsenz. Aktivitäten des Standortmarketings sollen kurzfristig auf Großbritannien fokussiert werden. Es ist vorgesehen auch Aktivitäten der be Berlin-Kampagne aktuell auf Großbritannien auszuweiten , um den Auftritt Berlins zu stärken. 5. Wie werden die Länder an den anstehenden Austrittsverhandlungen beteiligt? Zu 5.: Derzeit liegt noch keine Austrittserklärung des Vereinigten Königreichs vor. Historisch handelt es sich um einen Präzedenzfall. Gemäß Art. 23 Abs. 2 Grundgesetz wirken die Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union durch den Bundesrat mit. 6. Welche Strategie verfolgt der Senat, um die Interessen Berlins und der Berliner Wirtschaft in den Austrittsverhandlungen zu sichern? Zu 6.: Es ist noch zu früh, eine Strategie für die Austrittsverhandlungen zu entwickeln. Zu gegebener Zeit wird sich Berlin gemeinsam mit den Bundesländern im Bundesrat und in den Fachministerkonferenzen positionieren . Berlin, den 14. Juli 2016 In Vertretung Dr. Hans R e c k e r s ........................................................ Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juli 2016)