Drucksache 17 / 18 823 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (GRÜNE) vom 30. Juni 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juli 2016) und Antwort Demonstration der Identitären Bewegung am 17.06.2016 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Kenntnisse besitzt der Senat über die Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg? Zu 1.: Der Senat beobachtet extremistische Bestrebungen und gibt darüber u.a. in dem jährlichen Berliner Verfassungsschutzbericht Auskunft. Seit dem Berichtsjahr 2014 findet die „Identitäre Bewegung Berlin- Brandenburg“ (IB Berlin-Brandenburg) dort Erwähnung. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Lageanalyse „Rechtsextremistische Aktivitäten gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte in Berlin“ des Berliner Verfassungsschutzes verwiesen. 2. Arbeitet die Identitäre Bewegung Berlin- Brandenburg mit den Ablegern der anderen Bundesländern und anderen Ländern wie Österreich und Frankreich zusammen? Wenn ja, in welcher Form? Zu 2.: Die IB Berlin-Brandenburg ist international vernetzt und hält zu anderen „Identitären“-Gruppen im europäischen Ausland Kontakt. Berliner IB-Angehörige nahmen beispielsweise an einer Demonstration am 11. Juni 2016 in Wien teil, in Berlin sprach bei der IB- Demonstration am 17. Juni 2016 der Co-Leiter der IB Österreich. Als Vorbild hinsichtlich der Aktionsformen oder der politischen Zielsetzung dient der IB Deutschland und auch der IB Berlin-Brandenburg der rechtsextremistische französische „Bloc Identitaire“. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat über Überschneidungen (Mitgliedschaft, Zusammenarbeit, Teilnahme an Veranstaltungen) des Berliner Landesverbands der NPD (oder der JN) oder dessen Mitglieder mit der Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg? Zu 3.: Kooperationen zwischen dem Berliner Landesverband der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands “ (NPD), den Berliner „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) und der IB Berlin-Brandenburg sind dem Senat bislang nicht bekannt. 4. Welche Kenntnisse hat der Senat über Überschneidungen (Mitgliedschaft, Zusammenarbeit, Teilnahme an Veranstaltungen) des Berliner Landesverbands der AfD (oder der Jungen Alternative Berlin) oder dessen Mitglieder mit der Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg? Zu 4.: Der Berliner Verfassungsschutz beobachtet Bestrebungen gem. § 5 Abs. 2 Verfassungsschutzgesetz Berlin (VSG Berlin) und kann auch nur über derartige Bestrebungen Auskunft geben. Auch im Internet ist jedoch veröffentlicht worden, dass ein Aktivist der IB Berlin-Brandenburg zugleich auch Angehöriger der „Jungen Alternative“ ist. 5. Welche Kenntnisse hat der Senat über Überschneidungen (Mitgliedschaft, Zusammenarbeit, Teilnahme an Veranstaltungen) weiterer rechtspopulistischer und rechtsextremer Gruppen, Parteien, Organisationen in Berlin oder deren Mitglieder mit der Identitären Bewegung Berlin -Brandenburg? Zu 5.: Einzelne Aktivisten der IB Berlin-Brandenburg nehmen, wie Mitglieder anderer rechtsextremistischer Bestrebungen auch, regelmäßig an den wöchentlichen Bärgida-Märschen teil. Kontakte bestehen zur „Bürgerbewegung Pro Deutschland“. Im Übrigen gibt es keine allgemeingültige und von den Sicherheitsbehörden verwendete Definition des Begriffs „Rechtspopulismus“, daher kann zur Frage nach Kontakten zu Rechtspopulisten keine Aussage getroffen werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 823 2 6. Welche Kenntnisse hat der Senat über Überschneidungen (Mitgliedschaft, Zusammenarbeit, Teilnahme an Veranstaltungen) weiterer rechtspopulistischer und rechtsextremer Gruppen, Parteien, Organisationen aus dem Ausland mit der Identitären Bewegung Berlin- Brandenburg? Zu 6.: Siehe Antwort zu Frage 2. 7. Welche Treffpunkte/-orte der Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg sind dem Senat bekannt? Zu 7.: Die IB Berlin-Brandenburg war ursprünglich ein rein virtuelles Netzwerk, das zunehmend in der Realwelt agiert. Dem Senat sind bislang keine regelmäßig genutzten Trefforte der IB Berlin-Brandenburg bekannt. 8. Wie viele Demonstrationen/ Aktionen/ Veranstaltungen hat die Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg schon in Berlin veranstaltet? (Bitte nach Teilnehmer *innenanzahl, Thema der Veranstaltung, Ort und Datum aufschlüsseln) Zu 8.: Über die in der Antwort zu Frage 5 der Drucksache 17/18661 genannten Veranstaltungen hinaus sind folgende bekannt geworden: Datum Ort / Route Thema Teilnehmende 14.05.2016 Tiergartenstraße in Höhe der türkischen Botschaft "Kritik am Türkei-Deal der Bundesregierung “ 21 17.06.2016 Dorothea-Schlegel-Platz - Neustädtische Kirchstraße - Glinkastraße - Mauerstraße - Leipziger Straße - Ecke Wilhelmstraße - Potsdamer Platz "Gedenken an den Volksaufstand des 17. Juni 1953 in Verbindung mit Kritik an der aktuellen Asyl- und Einwanderungspolitik der Bundesregierung " 175 9. Was war die konkrete Route der Demonstration am 17.06.2016? Wie oft wurde die Route von den Veranstaltern geändert? Hat der Senat Kenntnisse darüber, warum die Route verändert wurde? Wenn ja, welche? Zu 9.: Nach Anmeldung der Versammlung äußerte der Versammlungsanmelder den Wunsch einer Änderung der Aufzugsstrecke. Im Rahmen der durchgeführten Kooperationsgespräche zwischen der Polizei Berlin und dem Versammlungsanmelder sowie nach erfolgter Inaugenscheinnahme der Wegstrecke wurde einvernehmlich folgende Aufzugstrecke festgelegt: Antreteplatz: Dorothea-Schlegel-Platz – Neustädtische -Kirchstr. – Glinkastr. – Mauerstr. – Leipziger Str. – Zwischenkundgebung: Wilhelm/Leipziger Str. – Leipziger Str. – Endplatz: Potsdamer Platz. Weitere Streckenänderungen sind nicht vorgenommen worden. 10. Wie viele Teilnehmer*innen nahmen an der Demonstration der Identitären Bewegung am 17.06.2016 in Berlin teil? Wie viele Teilnehmer*innen sind aus dem Ausland für diese Demonstration angereist? Zu 10.: An der Versammlung nahmen circa 175 Personen teil. Wie viele davon aus dem Ausland (z.B. Österreich ) angereist waren, ist dem Senat nicht bekannt. 11. Welche Akteur*innen (Redner*innen, Bands, etc.) traten auf der genannten Veranstaltung auf? Zu 11.: Als Redner traten u.a. der Co-Leiter der IB Österreich und ein Aktivist der IB Berlin-Brandenburg sowie der IB Mecklenburg-Vorpommern auf. Die Polizei Berlin führte mangels Rechtsgrundlage keine Identitätsfeststellungen durch. 12. Beteiligten sich weitere rechtsextreme oder rechtspopulistische Gruppen/ Parteien/ Organisationen an der Demonstration? Wenn ja, welche? Zu 12.: Die Teilnahme von Mitgliedern anderer rechtsextremistischer Gruppierungen oder Parteien an der Demonstration ist nicht bekannt. Rückschlüsse auf weitere Gruppenbeteiligungen an der Versammlung wären nur aufgrund von Fahnen, Symbolen , Transparenten oder durch veröffentlichte Berichte über die eigenen Teilnahmen möglich. Aus den öffentlich zugänglichen Quellen liegen dem Senat keine Hinweise vor, dass sich an der Versammlung andere Gruppierungen als die „Identitäre Bewegung“ beteiligt haben. Ein Rückschluss auf weitere Gruppierungen anhand der an der Versammlung beteiligten Einzelpersonen ist nicht möglich . Die Polizei Berlin speichert keine weitergehenden Erkenntnisse über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldeter Versammlungen mit friedlichem Verlauf. 13. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Mobilisierung in der rechten Szene für die genannte Veranstaltung ? Mit welchem Medieneinsatz wurde geworben? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 823 3 Zu 13.: Die IB Berlin-Brandenburg mobilisierte maßgeblich über die Profile der IB-Ortsgruppen sowie die Profile „Widerstand Berlin“ (Mobilisierungsplattform für IB Berlin-Brandenburg-Veranstaltungen bei Facebook), „Wir für Deutschland“ (Mobilisierungsplattform islamfeindlicher Rechtsextremisten bei Facebook), einem Facebook -Eventprofil, dem russischen sozialen Netzwerk Vk.com und dem Kurznachrichtendienst Twitter. 14. Nahmen an der Veranstaltung polizeilich bekannte Rechtsextremisten teil? Wenn ja, wie viele? Zu 14.: Eine Identitätsfeststellung von Versammlungsteilnehmenden erfolgte nicht. 15. Kam es im Vorfeld und während der Demonstration zu Straftaten? (Bitte nach Anzahl, Art des Delikts, Ermittlungsstand) aufschlüsseln) Zu 15.: Gegen Teilnehmende der Versammlung der „Identitären Bewegung“ wurden keine Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Im Zusammenhang mit Gegenaktionen wurden neun Strafermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Straftaten durch die Polizei Berlin eingeleitet: - 3x Verstoß gegen das Versammlungsgesetz - 3x Strafanzeigen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte - 2x Strafanzeigen wegen Landfriedenbruchs - 1x Strafanzeige wegen Beleidigung Bei den genannten Ermittlungsverfahren sind die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. 16. Warum verhinderte die Einsatzleitung der Polizei Berlin die Aufstellung des aufblasbaren Bären mit der Aufschrift „Berlin gegen Nazis“ und dem Slogan „wir sind viele“ der Mobilisierungsplattform Berlin gegen Nazis auf dem Gelände der Komischen Oper, das an der Route der Demonstration der Identitären Bewegung am 17.06.2016 lag? 17. Wie konnte die Einsatzleitung der Polizei das Aufblasen des genannten Bären blockieren, obwohl der Intendant der Komischen Oper sein Einverständnis für diese Aktion gegeben hat? War die Verhinderung dieser Aktion der Mobilisierungsplattform Berlin gegen Nazis und der Komischen Oper von Seiten der Polizei rechtmäßig? Zu 16. und 17.: An der Absperrung Behrenstr ./Glinkastr. wurde durch zwei Personen die Aufstellung des oben genannten aufblasbaren Bären im öffentlichen Straßenland auf Höhe der Komischen Oper begehrt. Eine Sondernutzungserlaubnis für das öffentliche Straßenland lag nicht vor. Ein Aufbau auf dem Privatgelände der Komischen Oper wurde durch die Polizei Berlin nicht untersagt. 18. Hätte die vorher genannte Aktion im Vorfeld mit der Einsatzleitung der Polizei abgesprochen werden müssen , obwohl die Aktion auf Privatgelände und mit Einverständnis des Intendanten durchgeführt werden sollte und deshalb kein Antrag auf Sondernutzung benötigt wurde? Zu 18.: Das Aufstellen des Bären auf dem Privatgelände der Komischen Oper hätte im Vorfeld nicht mit der Polizei Berlin abgesprochen werden müssen. Berlin, den 11. Juli 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juli 2016)