Drucksache 17 / 18 842 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 05. Juli 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juli 2016) und Antwort Tierversuche an der Freien Universität Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Antwort wurde auf Grundlage der Stellungnahmen der Freien Universität Berlin (FU Berlin) und des Fachbereichs Veterinär- und Lebensmittelaufsicht des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf erstellt. 1. In welchen Studiengängen bzw. Fachrichtungen an der FU werden Tierversuche durchgeführt? Zu 1.: Es werden im Masterstudiengang Biologie und im Staatsexamensstudiengang Veterinärmedizin geringbelastende Tierversuche nach Genehmigung durch die zuständige Behörde durchgeführt. Wo immer möglich werden Alternativen zum Tierversuch eingesetzt. Die Ausbildung von Tierärztinnen und Tierärzten ist ohne Tiere nicht möglich. Nach dem neuen Tierschutzgesetz gelten alle Eingriffe zu Lehrzwecken als Tierversuch. 2. Welche Versuche sind das im Einzelnen? Zu 2.: Nach Auskunft der FU Berlin werden genehmigte Versuche entsprechend den gesetzlichen Vorgaben in den Bereichen Grundlagenforschung sowie Forschung zum Vorbeugen, Erkennen oder Behandeln von Krankheiten , Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden , Erkennen oder Beeinflussen physiologischer Zustände und Funktionen bei Mensch oder Tier, Förderung des Wohlergehens von Tieren oder Verbesserung der Haltungsbedingungen von landwirtschaftlichen Nutztieren, Entwicklung und Herstellung sowie Prüfung von Arzneimitteln , Lebensmitteln, Futtermitteln oder anderen Stoffen oder Produkten und zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung durchgeführt. 3. Welche Tierarten und wie viele Tiere werden jährlich für diese Tierversuche getötet (bitte für die letzten 5 Jahre aufgeschlüsselt angeben)? Zu 3.: Die Versuchstiermeldung wird von den Projektleiterinnen und Projektleitern entsprechend der Versuchstiermeldeverordnung zum 31. März des Folgejahres an das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) abgegeben. Nicht alle in genehmigten Tierversuchen eingesetzten Tiere werden am Versuchsende getötet. Die Anzahl der getöteten Tiere wird ebenfalls mit der Versuchstiermeldung erfasst. Bezüglich des projektbezogenen Meldeverfahrens an das LAGeSo liegen die konkreten Zahlen für die letzten fünf Jahre nicht vor. 4. Sind Standarduntersuchungen zur Feststellung einer Trächtigkeit von Versuchstieren vorgesehen, wenn ja, welche und wenn nein, warum nicht? Zu 4.: Die Trächtigkeitsuntersuchung eines Versuchstieres stellt nach dem Tierschutzgesetz einen Eingriff dar, der entsprechend genehmigt werden muss. Die routinemäßige Untersuchung auf Trächtigkeit ist nicht unerlässlich und nicht verhältnismäßig. Dies muss im Einzelfall nach Sachlage entschieden, beantragt und genehmigt werden. Versuchstiere werden an der FU Berlin so gehalten , dass der Eintritt einer Trächtigkeit nicht möglich ist. 5. Woher bezieht die FU ihre Versuchstiere (bitte für die letzten 5 Jahre aufgeschlüsselt angeben)? Zu 5.: Die Versuchstiere werden zum Teil selbst gezüchtet oder von zugelassenen Versuchstierzüchtern gekauft . Im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztiere werden diese von landwirtschaftlichen Betrieben gekauft. Das Institut für Veterinär-Anatomie des Fachbereichs Veterinärmedizin hat für die Präparierkurse und Situsseminare der Großtiere (Pferd und Wiederkäuer) das bereits für Kleintiere bestehende Spenderprogramm weiter ausgebaut . Es basiert auf Tierkörper-Spenden, so dass auf Zukauf vom Schlachthof weitestgehend verzichtet wird. Ein effektives Organisationssystem, eine aufwändige Logistik und ausreichend große Gefrier- und Kühlzellen sind dafür aufgebaut worden. Darüber hinaus wird der eingerichtete virtuelle Präpariersaal mit dem bereits bestehenden Sys- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 842 2 tem ,,CanisPraep“ für Hunde und Katzen, um ,,UnguPraep“ für Großtiere (Wiederkäuer, Pferde und Schweine) erweitert. Ebenso wird der praktische Unterricht an zahlreichen Plastinaten durchgeführt. Eine aufgeschlüsselte Angabe für die letzten fünf Jahre liegt nicht vor. 6. Kommt es häufiger vor, dass die FU Versuchstiere in schlechtem Gesundheitszustand vom Schlachttierhändler bezieht? Wenn ja, wer geht den Ursachen für den schlechten Zustand der Tiere auf den Grund? Zu 6.: Nach Auskunft der FU Berlin hat diese bis auf diese Ausnahme bisher keine Tiere in tierschutzrelevantem Allgemeinzustand vom Schlachttierhändler bezogen. In Deutschland sind für die Überwachung von Tierhaltungen die Amtstierärzte zuständig, diese haben die Aufgabe , den Ursachen von tierschutzwidrigen Zuständen nachzugehen und diese zu ahnden. 7. Werden auch Tierversuche an graviden Tieren durchgeführt, wenn ja welche und bedürfen diese einer besonderen Antragspflicht? Zu 7.: Siehe Antwort zu Frage 4. Tierversuche an graviden Tieren unterliegen der Genehmigungspflicht entsprechend den gleich hohen Genehmigungsanforderungen wie alle Tierversuche. 8. Gibt es eine Meldepflicht seitens des Schlachttierhändlers , bzw. der Hochschule für den Fall, dass auf Grund des schlechten Gesundheitszustandes eines Versuchstieres ein Verdacht auf eine tierquälerische Tierhaltung vorliegt? Zu 8.: Es gibt im Bereich Tierschutz keine Verpflichtung zur Meldung oder Anzeige wie im Bereich Tierseuchen . Natürlich haben sowohl der Schlachttierhändler als auch die Hochschule die Möglichkeit, bei Verdacht auf tierquälerische Handlungen beim zuständigen Veterinäramt Anzeige zu erstatten. Die Beurteilung des Gesundheitszustandes ist unabhängig davon, ob es ein Nutztier oder Versuchstier ist. Ein Schlachttierhändler transportiert keine Versuchstiere, sondern Schlachttiere. Entsprechend der Lebensmittelketteninformation gibt der zuständige amtliche Tierarzt am Schlachthof Rückmeldung an die Tierbesitzerin/den Tierbesitzer und das zuständige Veterinäramt. 9. Wenn ein Tier in einem so schlechten Allgemeinzustand ist, dass es eine Tierquälerei wäre, es länger am Leben zu halten, wäre dann nicht die Tötung vor Ort angebracht, um dem Tier die Leiden des Tiertransportes zu ersparen? Zu 9.: Ja. 10. In welche Schlachthöfe werden Pferde aus Berliner Tierhaltungen üblicherweise transportiert? Zu 10.: Aus den Versuchstierhaltungen der FU Berlin werden keine Tiere zu Schlachthöfen transportiert. Angaben zu anderen Berliner Tierhaltungen liegen nicht vor. 11. Auf welche Weise ist die trächtige Pony-Stute am 19.05. im Rahmen der anatomischen Situsübungen getötet worden (bitte Medikament angeben)? Zu 11.: Das Tier wurde nach Auskunft der FU Berlin mit den im Antrag auf Genehmigung des Tierversuchsvorhabens nach § 8 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes im Einzelnen angegebenen Medikamenten eingeschläfert. Zur Prämedikation kam Xylazin zum Einsatz, bis das Pony in tiefer Sedation war. Die Narkoseeinleitung wurde mit Diazepam und Ketamin durchgeführt. Nachdem das Tier in tiefer Narkose war, wurde es mit T61 eingeschläfert . Der Tod trat innerhalb von einer Minute nach Gabe des T61 ein. 12. Vor dem Hintergrund der Antwort des Senats auf die Drucksache 17/18628, „die Tötung des Muttertieres hätte auf keinen Fall vorgenommen werden dürfen“, frage ich, welche Konsequenzen hat dieser Vorgang für die Verantwortlichen an der FU? Zu 12.: Der Senat ist der Auffassung, dass die Tötung des Muttertieres bei Kenntnis der Trächtigkeit nicht hätte vorgenommen werden dürfen, ohne die Möglichkeit zu prüfen, den Fetus zu retten. Der Vorgang sollte nach Auffassung des Senats Anlass dafür sein, gemeinsam mit den Beteiligten Methoden, Möglichkeiten und Grenzen der Feststellung der Trächtigkeit zu erörtern. Unabhängig davon ist festzustellen, dass nach Auskunft der zuständigen Amtstierärztin des Fachbereichs Veterinär- und Lebensmittelaufsicht von dem Fachbereich Veterinärmedizin der FU Berlin nicht gegen tierschutzrechtliche Regelungen verstoßen wurde. Die Amtstierärztin hat bestätigt, dass sich der Fachbereich tierschutzgerecht verhalten hat. 13. Aus welchem Landkreis stammt die trächtige Pony -Stute, die am 19.05. für die anatomische Situsübung getötet worden ist? Zu 13.: Das Tier stammt aus Mecklenburg- Vorpommern. Der Fachbereich Veterinär- und Lebensmittelaufsicht des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf hat die dortige Veterinäraufsicht informiert. 14. Ist der Halter/die Halterin der trächtigen Pony- Stute bekannt und wenn ja, hat man ihn/sie bezüglich des haltungsbedingt schlechten Gesundheitszustandes belangt ? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 842 3 Zu 14.: Der Halter ist bekannt. Der Fachbereich Veterinär - und Lebensmittelaufsicht des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf hat angekündigt, Strafanzeige zu stellen. 15. Welche Stellungnahme hat die Tierschutzbeauftragte der FU zu diesem Vorfall abgegeben? Zu 15.: Die zuständige Tierschutzbeauftragte wurde beratend hinzugezogen und ist an der Klärung des Sachverhaltes beteiligt. Die Stellungnahme der Tierschutzbeauftragten liegt nicht vor. 16. Wurde die für Tierversuche zuständige Genehmigungsbehörde über diesen Vorfall unterrichtet und wird sie ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten? Wenn nein, warum nicht? Zu 16.: Hier wurde nicht im Rahmen der Tierversuchsgesetzgebung gesetzeswidrig gehandelt und damit liegt der Vorgang nicht im Zuständigkeitsbereich der Genehmigungsbehörde, sondern beim zuständigen Veterinäramt , welches die Ermittlungen bereits übernommen hat. Diese richten sich nicht gegen die FU Berlin. Auf die Antwort auf Frage Nr. 14 wird verwiesen. Berlin, den 20. Juli 2016 In Vertretung Steffen Krach Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juli 2016)