Drucksache 17 / 18 853 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 11. Juli 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juli 2016) und Antwort Quecksilberemissionen aus Berliner Kohlekraftwerken und Abstimmungsverhalten Berlins im Bundesrat Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Aus der Antwort des Senats auf die schriftliche Anfrage DS 17/15113 Teilfragen 1. und 2. zur Pflicht zu kontinuierlichen Messungen von Quecksilberemissionen bei bestehenden Berliner Kohlekraftwerken bzw. zur Möglichkeit von Ausnahmen davon auf Antrag (§§ 20 und 21 (5) der Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen - und Verbrennungsmotoren – 13. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (13. BImSchV) geht hervor, dass wegen der Übergangsregelungen diese Messungen für bestehende Kohlekraftwerken seit 01.01.16 auch in Berlin vorzunehmen sind. 1.1. Für welche Kohlekraftwerke liegen welche Daten der kontinuierlichen Messungen von Quecksilberemissionen vor, wie hoch ist diese jeweils (in mg/m 3 Abgas und absolut sowie hochgerechnet auf das Jahr)? 1.2. Welche Kohlekraftwerke nutzen die Ausnahmeregelung nach § 21 (5) der 13. BImschV und welche Quecksilberemissionen wurden mit welchen Methoden für diese Kraftwerke ermittelt (in mg/m 3 Abgas und absolut sowie hochgerechnet auf das Jahr)? 1.3. Inwieweit wurden die Grenzwerte für Quecksilber nach der 13. BImSchV jeweils eingehalten? 1.4. Welche Berliner Kraftwerke müssen wie nachgerüstet werden, um die Anforderungen an die Quecksilberemissionen gemäß 13. BImSchV, die seit dem 01.01.2016 gelten und spätestens ab 01.01.2019 einzuhalten sind, zu erfüllen? Antwort zu 1, 1.1, 1.2, 1.3 und 1.4: Die Emissionsgrenzwerte für Quecksilber im Abgas der Berliner Kohlekraftwerke Klingenberg, Moabit, Reuter West und Reuter sind in der Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen - und Verbrennungsmotorenanlagen (13. BImSchV 1 ) festgeschrieben. Der Emissionsgrenzwert, angegeben als Tagesmittelwert, beträgt 0,03 mg/m³ und ist für die bestehenden Anlagen seit dem 01.01.2016 einzuhalten. Der Emissionsgrenzwert im Jahresmittel beträgt 0,01 mg/m³ und ist für die bestehenden Anlagen ab 01.01.2019 einzuhalten. Alle diese Heizkraftwerke nutzen die Ausnahmereglung des § 21 Abs. 5 der 13. BImSchV, wonach auf die kontinuierliche Emissionsmessung verzichtet werden kann, wenn sichergestellt ist, dass der Emissionsgrenzwert zu weniger als 50% in Anspruch genommen wird. Hierzu werden zum einen Berechnungen zugrunde gelegt, die auf Basis von Brennstoffanalysen und Reststoffanalysen durchgeführt werden (siehe hierzu auch die Antwort auf die schriftliche Anfrage DS 17/15113), und zum anderen auf jährlich durchzuführende Einzelmessungen zurückgegriffen . Die entsprechenden Einzelmessungen wurden im Februar und März 2016 an allen vier Standorten durchgeführt . Die maximalen Messwerte betragen (einschließlich Messunsicherheit): HKW Reuter West 0,0019 mg/m³, HKW Reuter 0,0034 mg/m³, HKW Klingenberg 0,0024 mg/m³ und HKW Moabit 0,0052 mg/m³. Das heißt, der „50%-Grenzwert von 0,015 mg/m³“ (bezogen auf den Tagesmittelwert) wird deutlich unterschritten . 1 Bundesimmissionsschutzverordnung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 853 2 Auch der ab 01.01.2019 einzuhaltende Jahresmittelwert wird sicher eingehalten werden. Die vier Heizkraftwerke Klingenberg, Moabit, Reuter West und Reuter müssen nicht nachgerüstet werden, um die derzeit geltenden Grenzwerte für Quecksilber einzuhalten . Die Gesamtemissionen an Quecksilber im Abgas betrugen gemäß Quecksilberbilanz des Betreibers: Im Jahr 2012 2013 2014 HKW Reuter West 46 9,6 22,6 kg/Jahr, HKW Reuter 2,4 2,1 2,5 kg/Jahr, HKW Klingenberg 68 62,8 69 kg/Jahr, HKW Moabit 11,8 6,2 11,5 kg/Jahr. Frage 2: Da die Kohleverbrennung eine der Hauptquellen für die Freisetzung von Quecksilber in die Umwelt ist und der Eintrag in die Oberflächengewässer über den Luftpfad und Direkteinleitung von Abwässern aus der Rauchgaswäsche erfolgt, 2.1. welche Erkenntnisse liegen beim Senat über Quecksilbereinträge in Oberflächengewässer durch die Berliner Kohlekraftwerke vor (bitte jeweils Absolutwerte pro Kohlekraftwerk und Jahr angeben)? Antwort zu 2.1: Erkenntnisse über Quecksilbereinträge in Oberflächengewässer durch Berliner Kohlekraftwerke liegen vor. In Berlin leiten zwei Kohlekraftwerke, Reuter West und Klingenberg, Wasser aus der Rauchgasanlage in ein Gewässer ein. Die Überwachung der Quecksilberemissionen erfolgt nach Anhang 47 der Abwasserverordnung (AbwV). In dieser Verordnung wird ein Überwachungswert für Quecksilber bei Einleiten von Abwasser in ein Gewässer definiert. Dieser Wert liegt bei 30 Mikrogramm pro Liter. Im Abwasserabgabengesetz (AbwAG) wird für Quecksilber ein Überwachungswert von 1 Mikrogramm pro Liter (100 Gramm pro Jahr) festgelegt . Seit 2006 erfolgt eine behördliche Überwachung durch qualifizierte Stichprobenahmen nach AbwAG. Für beide Berliner Heizkohlekraftwerke gab es bisher keine Überschreitungen der Überwachungswerte, weder nach der AbwV noch nach dem AbwAG. Sie lagen unter der Bestimmungsgrenze des Analyseverfahrens. Absolutwerte pro Kohlekraftwerk und Jahr können daher nicht genannt werden. 2.2: Inwieweit wird durch die Quecksilbereinträge aus den Kohlekraftwerken die Einhaltung der Qualitätsziele der EU-Richtlinie 2008/105/EG über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik mit zulässigen Höchstkonzentrationen an Quecksilber im Wasser von 0,07 μg/l bzw. von 20 μg/kg Nassgewicht in den im Gewässer befindlichen Biota erschwert bzw. verhindert – zumal die in Berlin 2014 vorgenommenen Messungen für Fische in der Stadtspree hier konkrete Überschreitungen der Umweltqualitätsnorm ergeben haben (siehe auch Antwort auf schriftliche Anfrage DS 17/17520)? Antwort zu 2.2: Die Kohleverbrennung ist sowohl in Deutschland, als auch in Europa und weltweit der größte anthropogene Eintragspfad von Quecksilber in die Umwelt . Der Eintrag erfolgt hauptsächlich in die Luft und gelangt über den Luftpfad in andere Umweltmedien (Wasser, Boden). Unmittelbare Einträge über den Wasserpfad aus industriellen und kommunalen Kläranlagen spielen in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Die Umweltsqualitätsnorm (UQN) für Quecksilber in Biota wird deutschlandweit überschritten. Die aktuell in Gewässerorganismen messbaren Quecksilberkonzentrationen werden durch Emissionen aus aktiven Quellen, durch Depositionen von Quecksilberbelastungen, die sich im globalen Kreislauf befinden, sowie durch bereits in den Gewässern vorhandene Belastungen der Sedimente verursacht. Die Belastung der Gewässersedimente geht vor allem auf historische Einträge aus industriellen Abwassereinleitungen zurück. Der jeweilige Anteil des luftbürtigen Quecksilbers sowie der Quecksilberanreicherungen in den Gewässersedimenten an der Belastung der Biota kann derzeit quantitativ nicht hinreichend beschrieben werden. Hierzu besteht Forschungsbedarf. Für die perspektivische Einhaltung der UQN in Biota sind – dem Verursacherprinzip der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) folgend – Minderungsmaßnahmen an den Quellen des luftbürtigen Quecksilbereintrags ansetzen. Auf Ebene der Flussgebietseinheit sind darüber hinaus Maßnahmen des Sedimentmanagements zu prüfen. Nach derzeitigem Kenntnisstand muss davon ausgegangen werden, dass die Einhaltung der Quecksilber-UQN in Biota nur sehr langfristig erreicht werden kann. 2.3: Da Quecksilber gemäß EU-Wasserrahmen- Richtlinie (WRRL) auch als „prioritär gefährlicher Stoff“ eingestuft ist, dessen Einleitung und Emissionen lt. WRRL „zu beenden oder schrittweise einzustellen ist“ und auch im Bewirtschaftungsplan für den deutschen Teil der Flussgebietseinheit Elbe eine flächendeckende Überschreitung der Umweltqualitätsnorm des prioritären Stoffes Quecksilber in Biota festgestellt wird, wie geht der Senat mit der Tatsache um, dass die Erreichung der verbindlichen Zielvorgabe der WRRL „guter chemischer Zustand“ in allen Berliner Gewässern auf Grund der Quecksilberbelastung verfehlt wird? Antwort zu 2.3: Aufgrund der flächendeckenden Überschreitung der UQN für Quecksilber in Biota hat Berlin an allen Oberflächenwasserkörpern Fristverlängerungen für den chemischen Zustand in Anspruch genommen . Im nunmehr laufenden zweiten Bewirtschaftungszeitraum gemäß WRRL wird durch die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) die Wirksamkeit möglicher Minderungsmaßnahmen, insbesondere der Reduzierung von Einträgen in die Luft sowie Maßnahmen des Sedimentmanagements , untersucht. Auf Grundlage dieser Untersuchungen sowie auf Basis der bis dahin verfügba- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 853 3 ren Monitoringergebnisse ist zu entscheiden, ob für den dritten Bewirtschaftungszyklus weniger strenge Bewirtschaftungsziele unter Berücksichtigung weiterer Reduzierungsmaßnahmen abgleitet werden müssen. Auf europäischer Ebene werden derzeit neue Anforderungen für Großfeuerungsanlagen erarbeitet. Diese umfassen u.a. auch Anforderungen für Quecksilber. Sobald diese Arbeiten abgeschlossen sind, wird das Land Berlin prüfen, inwiefern für Kraftwerke Nachrüstungen erforderlich werden. 2.4: Inwieweit ist der Senat bereit, die wasserrechtlichen Einleitungserlaubnisse für vorhandene Einleitungen von Kohlekraftwerken zu prüfen und ggf. zu ändern bzw. zu widerrufen, um die Quecksilberkonzentration der Oberflächengewässer und die damit verbundene Biotabelastung zu reduzieren, um damit auch die Vorgaben der WRRL einhalten zu können? Antwort zu 2.4: Da die gesetzlich vorgeschriebenen Überwachungswerte für Quecksilber eingehalten werden, ist eine Änderung oder der Widerruf der wasserrechtlichen Einleitungserlaubnisse für die beiden vorhandenen Kohlekraftwerke zurzeit nicht notwendig. Frage 3: Mit welcher Begründung hat sich Berlin auf der Sitzung des Bundesrates am 18.03.16 bei TOP 25 zu den Empfehlungen des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu Ziffer 13 und 14 zum Vorschlag für eine Verordnung des EU-Parlaments und des Rates über Quecksilber und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 enthalten, obwohl der Bundesrat damit zielführend die Bundesregierung auffordert, die Minderung von Quecksilberemissionen aus Großfeuerungsanlagen in den Regelungsbereich aufnehmen zu lassen und dabei die besten verfügbaren Techniken und die unteren Werte der Emissionsbandbreiten für Quecksilber zu berücksichtigen (in der Begründung des Umweltausschusses wird darauf verwiesen, dass die Emissionen von Quecksilber aus der Kohleverbrennung für Europa die wichtigste Quelle darstellen und die Minderung im Regelungstext aufgegriffen werden muss)? Antwort zu 3: Die Enthaltung Berlins basierte ausschließlich darauf, dass sich der zu Grunde liegende Antrag auf den Vorschlag für eine Verordnung des EU- Parlaments und des Rates über Quecksilber und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 bezog, in dem emissionsbegrenzende Anforderungen für Quecksilber aus Kohlefeuerungsanlagen auf dem Luftpfad nicht vorgesehen sind. Im europäischen Immissionsschutzrecht werden entsprechende Anforderungen für Großfeuerungsanlagen und damit auch Kohlefeuerungsanlagen bereits im Rahmen der Industrieemissions-Richtlinie geregelt. Berlin, den 22. Juli 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Aug. 2016)