Drucksache 17 / 18 898 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jutta Matuschek (LINKE) vom 20. Juli 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Juli 2016) und Antwort Endgültiges Aus für traditionsreiches Fachinformationszentrum Chemie (FIZ Chemie) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Unter welchen Bedingungen und mit welchen Zielvorgaben wurde das FIZ Chemie 2012 aus der Leibnitz -Gesellschaft ausgegliedert, obwohl die Evaluierung des Fachinformationszentrums durch den Wissenschaftsrat positiv ausgefallen war? Wer hat diese Entscheidung getroffen? Wie hat sich Berlin in dieser Entscheidung positioniert? Zu 1.: Die FIZ Chemie GmbH war eine gemeinschaftsfinanzierte Infrastruktureinrichtung in der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. (WGL). Ihre Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, Informationen aus wissenschaftlichen Publikationen der Chemie zusammen zu fassen und in eigene oder fremde Datenbanken einzugeben sowie entsprechende Dienstleistungen zu vertreiben. Mehrheitsgesellschafter waren der Bund und das Land Berlin mit Anteilen von jeweils 40 v.H. des Stammkapitals . Die restlichen 20 v.H. entfielen zu gleichen Teilen auf die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), die Deutsche Gesellschaft für Chemisches Apparatewesen, Chemische Technik und Biotechnologie e.V. (Dechema) und die Forschungsgesellschaft Kunststoffe e.V. (FGK). Die Minderheitsgesellschafter sind zwischenzeitlich aus der Gesellschaft ausgeschieden. Die Leistungen der FIZ Chemie GmbH wurden im Jahre 2010 von externen Gutachtern der WGL als nicht mehr förderungswürdig eingeschätzt. Daraufhin empfahl der Senatsausschuss Evaluierung der WGL den Zuwendungsgebern die Einstellung der Förderung. Der Bund und die Länder sind dieser Empfehlung gefolgt . Am 7. 11.2011 beschloss die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder (GWK) die Einstellung der Förderung der FIZ Chemie GmbH zum 31.12.2012. Bereits im Jahre 2009 hatte die American Chemical Society ihre Zusammenarbeit mit der FIZ Chemie GmbH eingestellt und die Erstellung von Zusammenfassungen wissenschaftlicher Publikationen für ihren Chemical Abstracts Service auf eine andere Einrichtung verlagert. Zeitgleich zur Evaluierung kündigte auch der letzte verbliebene Kooperationspartner MDL Information Systems (USA) die Zusammenarbeit auf und stellte seine Zahlungen ein. Nach dem Wegfall dieser Auftraggeber wies die Gesellschaft bereits im Jahre 2011 trotz der öffentlichen Förderung ein betriebliches Defizit in Höhe von 1,5 Mio. € aus, das nur durch eine zusätzliche Liquiditätshilfe des Bundes und der Länder ausgeglichen werden konnte. Angesichts der Entwicklungen im Umfeld der Gesellschaft und der faktisch aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Zahlungsunfähigkeit wäre bereits 2011 der Insolvenztatbestand eingetreten. Für einen Fortbetrieb der GmbH als Infrastruktureinrichtung der WGL gab es weder eine wissenschaftliche noch eine wirtschaftliche Perspektive. Nachdem keine andere deutsche Einrichtung in öffentlicher Trägerschaft zu einer Fortführung der Datenbanken sowie Übernahme der Bestände bereit war, wurde noch im Januar 2012 versucht, durch eine europaweite Ausschreibung Chancen für eine Auffanglösung zur Fortführung der Gesellschaft und ihrer Produkte zu eröffnen. Es fand sich jedoch kein Bieter, der die Bestände der GmbH sowie deren Beschäftigte übernehmen und den Betrieb fortführen wollte. Die Gesellschafter beschlossen daher in Übereinstimmung mit dem von der GWK bereits beschlossenen Abwicklungsplan die Einstellung des aktiven Geschäfts und den Beginn der Liquidation der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Einstellung der öffentlichen Förderung per 1.1.2013. 2. Welche Bedingungen hinsichtlich der Sicherung der Arbeitsplätze wurden mit dem Investor Wiley 2012 getroffen? Wie wurden diese Bedingungen erfüllt? Zu 2.: Das aktive Geschäft der FIZ Chemie GmbH i.L. wurde mit Wirkung des 1.1.2013 eingestellt. Weder die Gesellschaft noch ihr Geschäft wurden an einen Investor verkauft. Sie wird nach Maßgabe des Beschlusses der GWK abgewickelt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 898 2 Mit dem Abwicklungsbeschluss der GWK vom 7.11.2011 wurde vom Bund und den Ländern zugleich ein Abwicklungsplan genehmigt, aus dem ab 1.1.2013 rund 13 Millionen Euro – insbesondere für die soziale Absicherung der Beschäftigten – bereitgestellt wurden. Aus seinen Mitteln wurde ein großzügiger Sozialplan für die Beschäftigten finanziert, der neben Abfindungen vor allem die Abfederung der Beschäftigten durch ihren Übergang auf eine Beschäftigungsgesellschaft und die Einrichtung eines zusätzlichen Härtefonds ermöglichte. Der Abwicklungsplan der GWK sah unter anderem vor, dass die Gesellschaft plan-mäßig zu Beginn des Jahres 2013 still gelegt, ihre Mieträume gekündigt und ihre Inventarien im Rahmen der Liquidation zur Erzielung von Deckungsbeiträgen veräußert werden. Zum Stichtag 1.1.2013 waren von der Abwicklung noch 64 unbefristete Arbeitsverhältnisse betroffen. 10 Beschäftigte wählten danach eine Abfindung, 54 wechselten auf eigenen Wunsch zu einem neuen Arbeitgeber, einer Beschäftigungsgesellschaft . Die Mehrzahl der ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechselte dann von dort auf eigenen Wunsch zu einem neuen Arbeitgeber. Der Inhalt dieser Individualvereinbarungen ist dem Senat nicht bekannt . 3. Wie wurden beim Verkauf des FIZ Chemie das wissenschaftliche Archiv, u.a. des weltweit ersten, 1830 gegründeten, wissenschaftlichen Referateorgans „Pharmaceutisches Central-Blatt“ gesichert sowie die im FIZ Chemie erstellten und gepflegten Produkte, wie z.B. ChemieInform, RxnFinder, Infotherm, Chemisches Zentralblatt , Chemgaroo fortgeführt, und wie wurde die dauerhafte Zugänglichkeit zu diesen Beständen gesichert? Zu 3. Nachdem weder eine deutsche Einrichtung in öffentlicher Trägerschaft (sowohl der universitären wie auch der außeruniversitären) noch die ehemaligen Gesellschafter der FIZ Chemie GmbH i.L. (u.a. GdCH, Dechema ), bereit waren, den Literatur- und Datenbestand der GmbH in eigene Verantwortung zu übernehmen und auch die europaweite Ausschreibung erfolglos blieb, wurden die nach dem Ausscheiden der Beschäftigten und der Einstellung des aktiven Geschäftsbetriebs verbliebenen Bestände der GmbH im Rahmen ihrer Liquidation verkauft . Die von ihr aufbereiteten wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Daten zu chemischen Reaktionen finden sich sowohl in elektronischer wie auch gedruckter Form in öffentlich zugänglichen Archiven. 4. Wie bewertet der Senat die ersatzlose Auflösung und die Entlassung aller Mitarbeiter des FIZ Chemie durch den amerikanischen Verlag Wiley zum Ende des Jahres 2016? Zu 4.: Die FIZ Chemie GmbH i. L. hat bereits seit dem 1.1.2013 kein aktives Geschäft und auch keine Beschäftigten mehr. Unternehmerische Entscheidungen Dritter kann der Senat nicht kommentieren. 5. Sieht der Senat Möglichkeiten, die wissenschaftlichen Bestände zurück zu erwerben, wenn ja, welche? Zu 5.: Nachdem es bereits in der Vergangenheit trotz bundes- und europaweiter Ausschreibungen keine Einrichtung in öffentlicher Trägerschaft gab, die Interesse an einer Übernahme der Bestände der 1982 gegründeten GmbH gezeigt hätte, sieht der Senat keine Veranlassung, diese ganz oder teilweise für das Land Berlin zu erwerben . Die ehedem durch die Infrastruktureinrichtung FIZ Chemie GmbH vorgehaltene wissenschaftliche Information ist heute auf anderen Kanälen für die Forschung verfügbar . Berlin, den 27. Juli 2016 In Vertretung Henner B u n d e ..................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Aug. 2016)