Drucksache 17 / 18 929 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 02. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. August 2016) und Antwort Wertstoffsammlung ab 2017 – Altglas im Eimer oder in der Tonne, Nebenentgelte für Kommunen also auch für Berlin angemessen und zielorientiert bereitgestellt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Konsequenzen hat ein Widerruf der Feststellung aller zehn dualen Systeme, der von der Senatsverwaltung mit Mitteilung vom 22.06.2016 in Erwägung gezogen wurde, bezogen auf das Vertragsgebiet BE 104 (Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Marzahn- Hellersdorf) für die Wertstoffsammlung ab 2017 sowie für die anderen drei Vertragsgebiete? Antwort zu 1: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat am 5. Juli 2016 die angekündigten Verfahren zum Widerruf der Systemfeststellungen in Gang gesetzt. Die Systembetreiber haben Gelegenheit zur Stellungnahme zum beabsichtigten Entzug der Feststellung erhalten. Die Stellungnahmefrist ist noch nicht abgelaufen . Konsequenzen werden vom Ausgang der Verwaltungsverfahren sowie der sich ggf. anknüpfenden Gerichtsverfahren abhängen. Grundsätzlich führt der Widerruf der Feststellungen zum Entzug der Berechtigung der dualen Systeme, im Land Berlin gebrauchte Verkaufsverpackungen sammeln zu dürfen. Frage 2: Welche Reaktionen liegen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt von den in Berlin zugelassenen Systembetreibern vor, die laut Pressemitteilung vom 07.07. 2016 aufgefordert wurden, Stellung zum beabsichtigten Entzug der Systemfeststellung zu nehmen? Antwort zu 2: Bisher haben drei Systembetreiber eine Stellungnahme abgegeben, in der sie den angedrohten Widerruf der Feststellung als rechtswidrig bezeichnen. Sieben Systembetreiber haben – teilweise anwaltlich vertreten – eine Verlängerung der Anhörungsfrist erbeten, die bis zum 19.8.2016 gewährt wurde. Frage 3: Wie soll nach Einschätzung des Senates die wohnortnahe Wertstoffsammlung zukünftig in Berlin abgesichert werden? Antwort zu 3: Die Rücknahme der beim privaten Endverbraucher anfallenden Verkaufsverpackungen obliegt den privatwirtschaftlich organisierten dualen Systemen. Falls kein solches Rücknahmesystem eingerichtet ist, sind nach § 6 Absatz 8 Verpackungsverordnung alle Letztvertreiber verpflichtet, vom privaten Endverbraucher gebrauchte , restentleerte Verkaufsverpackungen am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurückzunehmen. Im Falle eines bestehenden Widerrufs aller Systeme im Land Berlin wäre die Einrichtung eines gesonderten, berlinweiten Rücknahmesystems zu prüfen. Frage 4: Welche Position hat der Senat zum Entwurf der „Neukonzeption der Erfassungslogistik von Verkaufsverpackungen aus Altglas in der Bundeshauptstadt Berlin“, die am 13.04.2015 im Runden Tisch Altglaserfassung vorgestellt wurde, bisher entwickelt? Gab es in diesem Zusammenhang zumindest mit den kommunalen Wohnungsunternehmen eine Verständigung zu möglichen verbesserten bürgernahen Lösungen? Antwort zu 4: Die „Neukonzeption der Erfassungslogistik von Verkaufsverpackungen aus Altglas in der Bundeshauptstadt Berlin“ fand beim 5. Runden Tisch am 22. Mai 2015 keine Zustimmung bei den umweltpolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Fraktionen im Abgeordnetenhaus . Im Ergebnis der Diskussion haben die umweltpolitischen Sprecherinnen und Sprecher eine 1:1 Übernahme des Beschlusses des Abgeordnetenhauses (Drs. 17/1536) in die Abstimmung über das künftige Sammelsystem gefordert. Danach ist eine haushaltsnahe Wiederaufstellung der Glassammelbehälter zu erwirken. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 929 2 Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat diesen Beschluss des Abgeordnetenhauses den Abstimmungsverhandlungen mit dem Systembetreiber über die künftige Ausgestaltung des Altglassammelsystems zugrunde gelegt. Eine neue Erfassungslogistik war von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt nicht aktiv zu betreiben. Frage 5: Wer bestimmt über die Verteilung der abgestimmten Nebenentgelte gemäß Verpackungsverordnung § 6 an die einzelnen Kommunen? Welche Rolle spielen die Kommunen und insbesondere ihre unterschiedlichen Strukturen (Einwohnerdichte, Verfügbarkeit von öffentlichen Flächen usw.) bei der Festlegung der Nebenentgelte? Antwort zu 5: Nach § 6 Absatz 4 Verpackungsverordnung sind Systembetreiber verpflichtet, sich anteilig an den Kosten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu beteiligen, die durch Abfallberatung für ihr jeweiliges System und durch die Errichtung, Bereitstellung, Unterhaltung sowie Sauberhaltung von Flächen entstehen, auf denen Sammelgroßbehältnisse aufgestellt werden. Die Höhe der Nebenentgelte wird in Verhandlungen zwischen den dualen Systembetreibern und jedem öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger in Deutschland festgelegt. Die Systembetreiber legen den Verhandlungen eine vorgeblich bundesweit geltende Berechnung zu Grunde, die sich an der Einwohnerdichte je Containerstandplatz orientiert . Die Verhandlungen außerhalb Berlins werden von den Stadtstaaten, den kreisfreien Städten und den Landkreisen geführt. Frage 6: Welche Abstimmungen gibt es zwischen dem Land Berlin und den Dualen Systemen zur Erbringung von Leistungen durch die Kommunen aus den Nebenentgelten ? Antwort zu 6: Die Vereinbarung über die Kostenbeteiligung gemäß § 6 Absatz 4 Verpackungsverordnung zwischen dem Land Berlin und den Systembetreibern über die jährliche Höhe von 1,79 Euro / Einwohnerin und Einwohner haben für den Zeitraum 2016-2018 nur zwei von zehn Systembetreibern unterzeichnet. Frage 7: Welche Erkenntnisse hat der Senat zur Berechnung der Nebenentgelte pro Einwohner für Berlin? Frage 8: Ist es zutreffend, dass das Land Berlin nur noch 0,52 Euro/Bürger erhalten soll und wie begründen die Dualen Systeme diese Maßnahme gegenüber Berlin? Welche Auswirkungen hätte diese Reduzierung (bisher 1,79 Euro/Bürger) inhaltlich und organisatorisch bei „TrenntStadt“ in Berlin? Antwort zu 7 und 8: Unter Berufung auf vorgeblich bundesweit geltende, systeminterne Bemessungswerte haben die Systembetreiber eine jährliche Kostenbeteiligung in Höhe von 0,52 Euro / Einwohnerin und Einwohner angeboten. Der Senat lehnt die Anwendung dieser Werte als Grundlage für die Berechnung der Höhe der Nebenentgelte ab. Nach Abzug der notwendigen Kosten, die für die Errichtung , Bereitstellung, Unterhaltung sowie Sauberhaltung von Flächen, auf denen Sammelgroßbehältnisse aufgestellt werden, aus den Nebenentgelten zu finanzieren sind, steht für die Abfallberatung bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben gegenüber dem Betrag im Jahr 2015 in Höhe von 1.842.763,89 Euro nur noch ein Betrag in Höhe von ca. 120.000 Euro zur Verfügung. Die bisher durchgeführten Drittbeauftragungen zur Abfallberatung mussten wegen der Zahlungsverweigerung der dualen Systeme in 2016 eingestellt werden. Frage 9: Wie nutzt der Senat seine Mitgliedschaften in verschiedenen länderübergreifenden Verbänden und Gemeinschaften (auch im Deutschen Städtetag), um gemeinsam mit anderen Kommunen bürgernahe, soziale und ökologische Lösungen in der Wertstoffsammlung zu erzielen? Antwort zu 9: Berlin ist aktiv im Deutschen Städtetag eingebunden. Der Deutsche Städtetag dient als Plattform für den Austausch relevanter Fragen auch im Hinblick auf die Wertstofferfassung. Er vertritt die Interessen der Städte gegenüber der Politik und wirkt an Gesetzesänderungen mit. In diesem Rahmen wirkt er auf die Schaffung stärkerer kommunaler Einflussmöglichkeiten bei der Wertstofferfassung aus privaten Haushalten hin. Eine Einflussnahme des Deutschen Städtetages und anderer kommunaler Interessenverbände auf die Systembetreiber besteht somit nur mittelbar. Frage 10: Wie bewertet der Senat die Leistungen der Dualen Systeme bei der Organisation einer ökologischen und bürgernahen Sammlung von Wertstoffen, insbesondere dann, wenn sie Verpackungsglas in Berlin nicht mehr flächendeckend im Holsystem (Standorte auf Abfallsammelplätzen der Wohnungsunternehmen genauso wie die Wertstofftonnen bzw. Gelber Sack), sondern überwiegend im Bringsystem (Standorte im öffentlichen Straßenland) sammeln wollen? Antwort zu 10: Der Senat lehnt eine Altglaserfassung überwiegend im Bringsystem ab, weil sie zu einem deutlichen Rückgang der Erfassungsmengen geführt hat. In der Weigerung zur Rückkehr zum bewährten Holsystem für die Glaserfassung in den drei Berliner Bezirken Lichtenberg , Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick (Vertragsgebiet BE 104) sieht der Senat die Anforderungen der Verpackungsverordnung an duale Systeme als nicht mehr gegeben. Vor diesem Hintergrund hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Anfang Juli 2016 die angekündigten Verfahren zum Widerruf der Systemfeststellungen in Gang gesetzt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 929 3 Frage 11: Unter welchen Umständen kann das Land Berlin die Altglassammlung besser als die Dualen Systeme organisieren? Antwort zu 11: Unter der geltenden Rechtslage liegt die Rücknahme von gebrauchten Verkaufsverpackungen, so auch gebrauchte Glasbehälter, bundesweit in der Produktverantwortung der Privatwirtschaft. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Berlin, den 15. August 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Aug. 2016)