Drucksache 17 / 18 939 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 04. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. August 2016) und Antwort »Aber hier leben, nein danke (III)«: Ankunftszentrum für Asylsuchende Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche anderen möglichen Standorte für das künftige Ankunftszentrum für Asylsuchende wurden mit welchem Ergebnis hinsichtlich Herrichtungszeit und –kosten geprüft? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 1.: Das Ankunftszentrum Berlin wird an den Standorten Flughafen Tempelhof und Bundesallee 171 errichtet. Zunächst war vorgesehen, im Hangar 5 des Flughafens Tempelhof die Erstregistrierung beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und die Antragstellung einschließlich der vorgesehenen Sofortentscheidungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchzuführen. Hierfür sollte in den Hangar 5 ein Stahltragewerk für die erforderlichen Büroarbeitsplätze eingebracht werden. Im Laufe der Planungen wurden unter anderem Gutachten zum Schallschutz eingeholt. Dieses Gutachten zeigte auf, dass bislang nicht vorgesehene zusätzliche Schallschutzmaßnahmen erforderlich werden, die die vorgesehenen Baukosten ganz erheblich steigern würden, so dass für das Ankunftszentrum für Asylsuchende zusätzlich die Standorte a) Schmidt-Knobelsdorf Kaserne b) ehemaliges Rathaus Wilmersdorf c) Bundesallee 171 für die Abbildung des Gesamtprozesses betrachtet wurden. Zu a) Die Schmidt-Knobelsdorf Kaserne in Spandau wurde bis 1993 von den britischen Streitkräften genutzt und steht jetzt im Eigentum des Bundes. Einige Gebäudeteile sind gewerblich vermietet, andere werden bereits als Flüchtlingsnotunterkunft genutzt oder stehen noch leer. Die leer stehenden Gebäude wären grundsätzlich als Ankunftszentrum geeignet; sind aber durch den langen Leerstand nicht kurzfristig zu ertüchtigen (für Planung und Baudurchführung müssen mindestens zwei Jahre veranschlagt werden), so dass dieses Objekt möglicherweise im Rahmen einer Zukunftsplanung ab 2019 in Frage kommen könnte. Eine Kostenermittlung wurde noch nicht vorgenommen. Zu b) Das ehemalige Rathaus Wilmersdorf wird in Teilbereichen bereits als Notunterkunft genutzt und wäre grundsätzlich als Ankunftszentrum geeignet. Da es aber nur bis 2018 zur Verfügung steht, wurde auf eine kurzfristige Zwischenlösung und Ermittlung der Kosten verzichtet . Zu c) Der Standort Bundesallee war schon immer als ein Teil des Ankunftszentrums (für die Leistungsgewährung und medizinische Untersuchung) vorgesehen. Da keine besseren, finanziell vertretbaren Alternativen kurzfristig zur Verfügung stehen, wird jetzt das Ankunftszentrum mit dem Unterkunftsbereich im Flughafen Tempelhof und dem kompletten Verwaltungsteil in der Bundesallee 171 untergebracht. Das BAMF hat bisher schon 3 Etagen des Hochhauses angemietet, in einer Etage ist die Ausländerbehörde untergebracht , so dass diese Behörden durch interne Umnutzungen bereits für die Tätigkeit im Ankunftszentrum arbeitsfähig sind. Aus dem Registrierungsstandort Kruppstraße werden die ca. 35 Beschäftigten des LAF und ca. 20 Polizeibeamte zur Bundesallee 171 verlagert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 939 2 2. Welche Gutachten hinsichtlich möglicher Schadstoffe und der Notwendigkeit ihrer Beseitigung wurden wann und mit welchem Ergebnis jeweils für die Standorte Tempelhof (Hangar 5) und Bundesallee 171 eingeholt, um eine Eignung der Standorte als Ankunftszentrum zu prüfen ? Zu 2.: Für den Standort Flughafen Tempelhof wurde ein Gutachten zu den Bodenlasten unter Begleitung des Kampfmittelräumdienstes erstellt. In den untersuchten Bereichen wurden keine Altlasten gefunden. Weitergehende Schadstoffgutachten wurden nicht erstellt. Im Rahmen der Inbetriebnahme der Bundesallee 171 als Erstregistrierungstelle für Flüchtlinge durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) wurde ein Schadstoffgutachten eingeholt. Die weitere Planung und Umsetzung der Maßnahmen zur Herrichtung des Gebäudes als Ankunftszentrum für das LAF wird durch einen Schadstoffgutachter begleitet und mit dem Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) abgestimmt . Alle Vorgaben des Schadstoffgutachters hinsichtlich Einstufung und Bewertung, Ausbau und fachgerechter Entsorgung werden im Zuge der weiteren Planung und Sanierung erfüllt, so dass das Gebäude als Standort für das Ankunftszentrum geeignet ist. 3. Wie hoch belaufen sich im Detail die Herrichtungskosten für die Standorte Tempelhof (Hangar 5) und Bundesallee 171? (Bitte aufschlüsseln nach Standort und Herrichtungsmaßnahme.) Zu 3.: Der Hangar 5 wird bereits als Unterkunft genutzt . Für den Standort Bundesallee 171 müssen unabhängig von der jetzt vorgesehenen Nutzung des Gebäudes als Ankunftszentrum, Baumaßnahmen im Flachbau durchgeführt werden, die von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) bereits seit einiger Zeit geplant werden. Für das Ankunftszentrum werden voraussichtlich noch zwei zusätzliche Nottreppen erforderlich. Abschließende Kalkulationen sind noch in der Abstimmung. 4. Welche Nutzung sieht der Senat nach Eröffnung des Ankunftszentrums in Tempelhof (Hangar 5) und Bundesallee 171 für den bisher mitgenutzten Standort Kruppstraße vor? Zu 4.: Der Standort Kruppstraße ist ein Standort der Polizei, der nur vorübergehend dem LAGeSo für die gemeinsame Erstregistrierung zur Verfügung gestellt wurde. Sobald die Erstregistrierung vom Standort Kruppstraße voraussichtlich im September in die Bundesallee verlegt wird, wird das Gebäude wieder von der Polizei im ursprünglichen Umfang weiter genutzt. Der Standort wird als Reserve für den Fall erheblich ansteigender Flüchtlingszahlen vorgehalten. 5. Welche Aufgaben werden konkret an den jeweiligen Standorten des Ankunftszentrums, Tempelhof (Hangar 5) und Bundesallee 171, übernommen? Zu 5.: Im Hangar 5 erfolgt die Ankunft und ggf. Unterbringung der Asylbewerber. In der Bundesallee erfolgt die - Erstregistrierung und Sicherheitsüberprüfung durch das Land (LAF / Polizei) - Verteilentscheidung nach Bundesvorgaben - ggf. Weiterleitung in andere Bundesländer. Nur für Berlin zugeteilte Asylbewerber: - Antragstellung beim BAMF - ggf. Sofortentscheidungen beim BAMF und daraus resultierende ausländerrechtliche Entscheidungen durch das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO/Ausländerbe-hörde) - medizinische Untersuchung nach § 62 Asylgesetz - Unterbringung in einer Not-/ Gemeinschaftsunterkunft - Berechnung/Auszahlung der Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) - Ausgabe des Berlinpass, Willkommenscard der BVG, elektronische Gesundheitskarte - Beratungsangebot durch die Bundesagentur für Arbeit 6. Inwieweit werden Asylsuchende an den jeweiligen Standorten des Ankunftszentrums ohne vorige Terminvereinbarung vorsprechen können? 7. Wie wird der Senat sicherstellen, dass Geflüchtete, die vom Standort Tempelhof an den Standort Bundesallee 171 weitervermittelt werden, noch am gleichen Bearbeitungstag bei den jeweils zuständigen Sachbearbeiter *innen am Standort Bundesallee 171 vorsprechen können , um ihr jeweiliges Anliegen zeitnah bearbeiten zu lassen? Zu 6. und 7.: Der Standort Flughafen Tempelhof, 12101 Berlin, Tempelhofer Damm 45, Gebäudeteil 5, wird künftig die bisherige zentrale Anlaufstelle „Turmstr. 22“ ablösen. Es ist sichergestellt, dass hier neu anreisende Asylbewerberinnen und Asylbewerber „Rund um die Uhr“ betreut werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 939 3 Der Standort Bundesallee 171 bearbeitet nur Personen , die aus der Unterkunft des Ankunftszentrums mit Shuttlebussen gebracht werden. Die Asylsuchenden werden koordiniert vom Standort Tempelhof zur Bundesallee 171 transportiert. Damit ist automatisch sichergestellt, dass eine zeitnahe Bearbeitung erfolgen kann. 8. Wie viele Sachbearbeiter*innen des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werden jeweils an den beiden genannten Standorten für welche Tätigkeiten im Detail beschäftigt sein? (Bitte aufschlüsseln nach Vollzeitäquivalenten und Standort.) Zu 8.: Am Standort Tempelhof wird das LAF zunächst bis zu drei bisher am Standort Turmstr. 22 Beschäftigte im Schichtdienst einsetzen. Vom BAMF werden keine Beschäftigten präsent sein. Am Standort Bundesallee werden 130 Beschäftigte vom LAF und 97 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom BAMF tätig sein. 9. Inwieweit stellt der Senat sicher, dass bis zur Eröffnung des Ankunftszentrum am 01. September die erforderliche Personalausstattung an beiden Standorten gewährleistet sein wird oder aber plant der Senat einen sukzessiven Aufbau, wie er bereits für den Aufbau des LAF angedacht ist? Welche Zielvorgaben für die Personalaufstockung gibt es? Zu 9.: Die Personalausstattung wird aus dem bereits vorhandenen Personal der Registrierung rekrutiert und bedarfsgerecht eingesetzt. 10. Wie definiert der Senat die Bezeichnung „atmende Behörde“ im Hinblick auf das zu eröffnende LAF? Wie kann im Bedarfsfall das Personal aufgestockt werden , um anders als 2015 auch dann über ausreichend Mitarbeiter*innen zu verfügen, wenn die Zahl der Asylsuchenden rapide ansteigt? (Vgl. Artikel im Tagesspiegel vom 21. Juli 2016.) Zu 10.: Die personelle Ausstattung des LAF wird in Abhängigkeit der Zahl der Asylbegehrenden regelmäßig auf Basis eines Kennzahlenmodells überprüft und ggf. angepasst. Diese Anpassung kann sowohl zu Personalzuwachs als auch zu Personalabbau führen. Für die interne Steuerung gilt: Im LAF wird erstens durch eine Zusammenführung der beiden Leistungsbereiche die Einsatzmöglichkeit der Beschäftigten erweitert. Zweitens wird ein „flexibler“ Bereich mit Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern aufgebaut, der je nach Arbeitsanfall sowohl in der Registrierung als auch Leistungsgewährung bedarfsgerecht eingesetzt werden kann, um so Schwankungen auszugleichen . Der Pool wird sukzessive aufgebaut. Drittens sind durch die Erfahrungen Arbeitsschritte identifiziert, die bei hohen Zugangszahlen durch Unterstützungskräfte oder Externe wie Zeitarbeitskräfte abgefangen werden können. 11. Wie viele Registrierungen können pro Tag im Durchschnitt zum jetzigen Zeitpunkt durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und BAMF) durchgeführt werden? (Bitte Durchschnittswerte für die Monate seit Jahresbeginn angeben.) Zu 11.: Derzeit können ca. 300 Registrierungen erfolgen . Eine Skalierung bis zu 1.000 Registrierungen/Tag ist durch verwaltungsorganisatorische Maßnahmen möglich. 12. An welchem Standort wird mit der Eröffnung des neuen LAF die zentrale Aktenführung der genannten Behörde erfolgen, inwieweit wird diese Aufgabe durch behördeneigene Mitarbeiter*innen erfolgen und wie lange ist eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Firma arvato direct services Wilhelmshaven GmbH geplant, die bereits die Zentralen Registratur (ZR) des LAGeSo am Standort Turmstraße verwaltet? Zu 12.: Die zentrale Aktenführung des Leistungsbereichs im LAF erfolgt am Standort Turmstraße bis zum Umzug in das neue Leistungszentrum in der Darwinstraße 14. Die damit zusammenhängenden Aufgaben werden momentan von der Firma arvato direct services Wilhelmshaven GmbH wahrgenommen. Die vertragliche Beziehung gestaltet sich aus Sicht des LAF zufriedenstellend und wird in den nächsten Monaten unter Beachtung der haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen der fachlichen und organisatorischen Anforderungen fortgesetzt. Berlin, den 24. August 2016 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Aug. 2016)