Drucksache 17 / 18 940 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto (GRÜNE) vom 04. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. August 2016) und Antwort Wird man bei rot-schwarz leichter Bausenator als Mitglied eines Mieterrates? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Auf welcher Rechtsgrundlage hat der Senat die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften beauftragt, externe Wahlkommissionen zu bilden, die eine „Gewissensprüfung “ der KandidatInnen für die Mieterräte der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vornehmen sollen? Antwort zu 1: Nach Artikel 2 § 6 Abs. 4 Satz 3 Berliner Wohnraumversorgungsgesetz (WoVG Bln) erlässt der Aufsichtsrat der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft die Wahlordnung. In § 2 der jeweiligen Wahlordnung sind die Bildung der Wahlkommission und ihre Aufgaben geregelt. „Gewissensprüfung“ fällt weder in die Zuständigkeit des Senats noch in die Zuständigkeit der landeseigenen Wohnungsgesellschaften oder in die Zuständigkeit von Wahlkommissionen. Frage 2: Ergibt sich nach Auslegung des Senates aus dem „Gesetz zur sozialen Ausrichtung und Stärkung der landeseigenen Wohnungsunternehmen für eine langfristig gesicherte Wohnraumversorgung“ eine Möglichkeit oder gar Verpflichtung, Personen zu überprüfen und ihnen das passive Wahlrecht für den Mieterrat einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft abzusprechen? Frage 3: Ist dem Senat bekannt, dass sich aus dem „Gesetz zur sozialen Ausrichtung und Stärkung der landeseigenen Wohnungsunternehmen für eine langfristig gesicherte Wohnraumversorgung“ (§ 6, Mieterräte) als einziges Kriterium für die Wählbarkeit die Zugehörigkeit zur „jeweiligen Mieterschaft“ ableiten lässt? Antwort zu 2 und 3: In Artikel 2 § 6 Abs. 4 WoVG Bln ist festgelegt, dass der Aufsichtsrat die Anzahl der Mitglieder des Mieterrats festlegt und die Wahlordnung erlässt. In § 3 Abs. 3 der jeweiligen Wahlordnung ist bestimmt: Die Wahlkommission wird durch Beschluss Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl zum Mieterrat ablehnen, sofern in der Person schwerwiegende Verstöße gegen das friedliche Zusammenleben oder gegen die Hausordnung oder nachhaltige Verletzungen der mietvertraglichen Pflichten vorliegen. Weiterhin ist geregelt , dass die Prüfung aus Gründen des Datenschutzes ausschließlich durch das landeseigene Wohnungsunternehmen erfolgt Frage 4: Wie viele der laut Beantwortung der Anfrage 17/18841 abgelehnten 108 BewerberInnen hatten zum Zeitpunkt der Ablehnung durch die Wahlkommissionen Mietschulden, wie viele hatten sich gewalttätiger Übergriffe gegenüber Nachbarn schuldig gemacht? Antwort zu 4: Nach Angaben der Wohnungsbaugesellschaften wurden 41 Mieterinnen und Mieter wegen Mietschulden nicht als Kandidatinnen oder Kandidaten zur Wahl des Mieterrates zugelassen. Es gab keine Nichtzulassung wegen gewalttätiger Übergriffe. Frage 5: Auf welcher Rechtsgrundlage haben die Wohnungsbaugesellschaften Dossiers mit personenbezogenen Daten über die einzelnen BewerberInnen für die Mieterräte angelegt und auf welcher Rechtsgrundlage wurden diese Dossiers an die Wahlkommissionen übergeben ? Antwort zu 5: Die Zusammenstellung von Datenmaterial zu Personen in Form von Dossiers ist nicht Angelegenheit der Wohnungsbaugesellschaften. Wohnungsbaugesellschaften führen Mieterakten, die Information zur Wohnung, Mietvertragsinhaber, mietvertragliche Rechte und Pflichten sowie ggfs. deren Verletzungen und deren monatliche und jährliche Umsetzung und Erfüllung enthalten . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 940 2 Frage 6: In welcher Weise wurde die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit bzgl. der Rechtmäßigkeit der Erhebung und Weitergabe personenbezogener Daten durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften an Dritte (die Mitglieder der externen Wahlkommissionen) konsultiert oder einbezogen? Antwort zu 6: Informationen zu den Kandidatinnen und Kandidaten aus den Mieterakten erfolgten gemäß § 3 Abs. 3 der jeweiligen Wahlordnung aus Datenschutzgründen bei der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft. Die Namen der Kandidatinnen und Kandidaten waren für die Wahlkommission in Verbindung mit den Informationen zum Vertragsverhältnis nicht einsehbar. Wegen der gewährleisteten Anonymisierung ist die Beteiligung der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit nicht erfolgt. Frage 7: Ist dem Senat bewusst, dass er durch die Praxis der Beschneidung des passiven Wahlrechts für die Mieterräte wesentlich höhere Hürden für demokratische Wahlen aufgebaut hat, als sie z.B. für Betriebs- und Personalratswahlen oder die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus gelten? Welche Begründung gibt es dafür? Antwort zu 7: Die mit dem WoVG Bln neu eingeführten Mieterräte sollen die gemeinsamen Interessenslagen der Mieterinnen und Mieter auch über die Tätigkeit der Mieterbeiräte hinaus gegenüber den landeseigenen Wohnungsunternehmen bündeln, vertreten und zu einem Ausgleich bringen. Für diese Zielsetzung wurden gemäß Artikel 2 § 6 Abs. 4 WoVG Bln die Wahlordnungen für den Mieterrat erlassen. Einschlägig ist hier in § 3 der jeweiligen Wahlordnung „Wahlberechtigung und Wählbarkeit“ festgehalten . Frage 8: Ist dem Senat bewusst, dass er durch die Praxis der Beschneidung des passiven Wahlrechts einen gravierenden Vertrauensverlust in die regelgerechte Umsetzung des Wohnraumversorgungsgesetzes erzeugt hat? Antwort zu 8: Dem Senat ist bewusst, dass es bei diesem neuen institutionell verankerten Mitbestimmungsrecht der breiten Basis der Mieterschaft bedarf. Das Engagement der Mieterinnen und Mieter in den Wahlkommissionen als auch derer, die sich für die Wahl zum Mieterrat zur Verfügung gestellt haben, zeigt insbesondere, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften die neuen Mitbestimmungsmöglichkeiten aktiv für sich nutzen werden. Der Senat geht davon aus, dass die unabhängigen Wahlkommissionen sachgerechte Entscheidungen getroffen haben. Einen Vertrauensverlust kann der Senat nicht erkennen. Vielmehr ist festzustellen, dass sich eine erfreulich hohe Anzahl der Mieterinnen und Mieter von städtischen Wohnungsunternehmen an der Einführung des neuen Mitbestimmungsrechts beteiligten. 1.742 Mieterinnen und Mieter haben sich beworben, um verantwortungsbewusst an den ersten Unternehmensmieterräten in Berlin mitzuwirken . Berlin, den 18. August 2016 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Lütke Daldrup ............................................. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Aug. 2016)