Drucksache 17 / 18 945 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Dr. Gabriele Hiller (LINKE) vom 08. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. August 2016) und Antwort Missstände in der Flüchtlingsunterkunft der privaten Betreiberfirma PeWoBe in Hellersdorf Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche einrichtungsbezogenen Beschwerden gab es seit Eröffnung der Flüchtlingsunterkunft der privaten Betreiberfirma PeWoBe am 19. August 2013 in der Maxie -Wander-Straße/Carola-Neher-Straße in Hellersdorf und bei welchen dieser Beschwerden kam es infolgedessen zu einer anlassbezogenen Kontrolle/Begehung durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LA- GeSo)/Landesamt für Flüchtlinge (LAF)? (Bitte nach Art und Datum der Beschwerde sowie Art und Datum der Begehung aufschlüsseln.) 2. Welche einrichtungsbezogenen Mängel wurden bei den oben genannten Kontrollen/Begehungen durch das LAGeSo/LAF jeweils festgestellt? 3. Welche einrichtungsbezogenen Mängel wurden trotz Beanstandung durch das LAGeSo/LAF nicht behoben ? 4. Welche Konsequenzen hat der Senat aus den nicht behobenen Mängeln gegenüber der PeWoBe jeweils gezogen ? 5. Liegen dem Senat Erkenntnisse bzw. Vermerke darüber vor, inwieweit die Zahl des tatsächlich vorgehaltenen Personals in der Flüchtlingsunterkunft vom Soll abweicht (bitte Soll/Ist angeben) und/oder Qualifikationsnachweise nicht (vollständig) erbrachte wurden? Wenn ja, seit wann hat das LAGeSo/LAF Kenntnis davon und welche Konsequenzen hat es daraus gezogen? 6. Liegen dem Senat Erkenntnisse bzw. Vermerke darüber vor, dass Gemeinschaftsräume geschlossen wurden ? Wenn ja, wann und warum wurden diese geschlossen , seit wann hat das LAGeSo/LAF Kenntnis davon und welche Konsequenzen hat es daraus gezogen? 7. Liegen dem Senat Erkenntnisse bzw. Vermerke darüber vor, dass die Kinderbetreuung eingeschränkt bzw. nicht im erforderlichen Umfang angeboten wurde (bitte Soll/Ist angeben)? Wenn ja, seit wann hat das LA- GeSo/LAF Kenntnis davon und welche Konsequenzen hat es daraus gezogen? 8. Liegen dem Senat Erkenntnisse bzw. Vermerke darüber vor, dass Abstellräume für Kinderwagen in der Unterkunft geschlossen und Kinderwagen ohne Nachfrage entsorgt wurden? Wenn ja, seit wann hat das LA- GeSo/LAF Kenntnis davon und welche Konsequenzen hat es daraus gezogen? 14. Trifft es zu, dass das angebotene WLAN für die Bewohner*innen der Unterkunft Anfang Juni 2016 im Auftrag der neuen Heimleitung abgeschaltet wurde, wie bewertet der Senat dies und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Zu 1. bis 8. und 14.: Die Fragen können nur auf der Grundlage der im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten - LAF (bzw. bis zum 31.07.2016 im Landesamt für Gesundheit und Soziales – LAGeSo) statistisch dokumentierten Erkenntnisse beantwortet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Beschwerdepunkte amtsintern statistisch erfasst werden. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass durch die im LAGeSo (bzw. nunmehr LAF) für Qualitätssicherung zuständige Arbeitsgruppe im Zeitraum vom 24.06.2014 bis zum 17.08.2016 in der benannten Einrichtung drei Routinebegehungen sowie eine (auf zwei Tage aufgeteilte) Beschwerdebegehung vorgenommen wurden. Darüber hinaus wurden auf Grund von zwei weiteren Beschwerden (im Mai 2015 sowie im Juli 2016) umfangreiche Prüfungen hinsichtlich der geltend gemachten Mängel veranlasst. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 945 2 Die im Rahmen der Routine- bzw. Beschwerdebegehungen sowie sonstigen Prüfungen festgestellten Mängel betrafen im Wesentlichen folgende Sachverhalte: • Tatsächlich vorhandene Personalausstattung weicht vom Soll ab (mit Auswirkungen auch auf die Kinderbetreuung) • Fehlendes Mobiliar in den Wohnräumen • Unkorrekte Führung der Dienstpläne • Fehlende Unterlagen z. B. über Qualifizierung der Beschäftigten, Einrichtungskonzept u. a. • Fehlerhafte Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben beim Einsatz von Videoüberwachungsanlagen • Nicht ausgebesserte Schäden an Wänden • Unzureichende Reinigung des Kücheninventars • Fehlende W-LAN-Bereitstellung (nur LAN- Anschluss im Computerzimmer) Die dokumentierten Beschwerden bezogen sich auf eine unzureichende Personalausstattung sowie mangelhafte Kooperation mit ehrenamtlichen Initiativen. Die Betreiberin wurde über die festgestellten Mängel informiert; soweit möglich, wurden zudem die erforderlichen Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Mängelbehebung mitgeteilt und deren Umsetzung überwacht. Von den insgesamt 24 Prüfposten, die im Ergebnis der vorgenannten Qualitätssicherung vermerkt worden sind, wurden von der Betreiberin mit Stand 17.08.2016 zehn im Sinne der aufgegebenen Mängelbeseitigungsmaßnahmen erledigt; in 13 Fällen verblieb der Mängelbeseitigungsstatus dagegen offen. Die im Zuge der zuletzt durchgeführten Beschwerdebegehung (am 25.07.2016) festgestellten Mängel gelangten , wegen der zwischenzeitlich ausgesprochenen Kündigung, nicht mehr zur abschließenden Abklärung mit der Betreiberin. 9. Wie viele einrichtungsbezogenen Hausverbote sind seit Eröffnung durch die PeWoBe ausgesprochen worden und welcher Art waren sie? 10. Trifft es zu, dass diese Hausverbote stets mit dem LAGeSo/LAF abgestimmt wurden? Zu 9. und 10.: Eine statistische Erfassung von erteilten Hausverboten erfolgt bisher nicht. Nach Kenntnis des LAF sind bisher Hausverbote gegen zwei Personen aktenkundig dokumentiert. Im Regelfall wird die Erteilung von Hausverboten mit dem LAGeSo bzw. LAF abgestimmt . 11. Trifft es zu, dass in PeWoBe-Wohnheimen „erzieherisch -disziplinierende“ Hausverbote für eine oder mehrere Nächte verhängt und Bewohner*innen damit wissentlich der Obdachlosigkeit ausgesetzt werden? Wenn ja, wie bewertet der Senat diese Praxis der PeWoBe? 12. Liegen dem Senat Erkenntnisse bzw. Vermerke über unterlassene Hilfeleistung gegenüber Bewohner *innen sowie Mobbing gegen Mitarbeiter*innen vor? Wenn ja, seit wann hat das LAGeSo/LAF Kenntnis davon ? 13. Liegen dem Senat Erkenntnisse bzw. Vermerke darüber vor, dass die Anforderung von ärztlicher Hilfe und Opferschutz für geflüchtete Frauen den Sozialarbeiter *innen durch die Heimleitung untersagt wurde? Wenn ja, seit wann hat das LAGeSo/LAF Kenntnis davon und welche Konsequenzen hat es daraus gezogen? Zu 11. bis 13.: Zu diesen Sachverhalten liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass entsprechende Beschwerden jederzeit schriftlich, mit elektronischer Post oder fernmündlich an die im LAGeSo hierfür zuständige Stelle gerichtet werden konnten. 15. Wie bewertet der Senat die Praxis der privaten Betreiberfirma PeWoBe, ehrenamtliche Flüchtlingsinitiativen und Medienredaktionen anwaltlich abmahnen zu lassen, sobald sich diese kritisch über Missstände in der Flüchtlingsunterkunft in Hellersdorf äußern? 16. Beabsichtigt der Senat, den Betreibervertrag mit der PeWoBe zur Flüchtlingsunterkunft in Hellersdorf aufzulösen bzw. auslaufen zu lassen? Wenn ja, zu wann? Wenn nein, warum nicht? 17. Hält der Senat Personen, die in extrem rechten und rassistischen Parteien aktiv waren, für grundsätzlich geeignet , um in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten? Zu 15. bis 17.: Bei einer Abmahnung mit dem Ziel der Abgabe einer Unterlassungserklärung handelt es sich um ein etabliertes Instrument der bundesdeutschen Rechtsordnung , das sowohl natürlichen als auch juristischen Personen zur Wahrung ihrer rechtlich geschützten Interessen offensteht. Den Adressaten bleibt es vorbehalten zu entscheiden, ob sie unter Berücksichtigung der aufgeführten Gründe die geforderte Erklärung abgeben oder dies ablehnen und ihre Rechtsposition ggf. in einem Rechtsstreitverfahren geltend machen. Es ist daher nicht Aufgabe des Senats zu bewerten, ob der Rückgriff auf verbriefte rechtliche Optionen durch Vertragspartnerinnen und Vertragspartner des Landes Berlin angemessen ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 945 3 Dessen ungeachtet ist im Betreibervertrag geregelt, dass zu den Aufgaben der Betreiberin/ des Betreibers die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen und freiwilligen Initiativen und den örtlichen Stadtteilzentren zählt sowie deren Koordination und Unterstützung. Der Senat erwartet von allen Betreiberinnen und Betreibern von Flüchtlingsunterkünften die Bereitschaft zu einer konstruktiven und partnerschaftlichen Kooperation mit ehrenamtlich tätigen Initiativen oder Einzelpersonen, da diese vielfach einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner leisten. Hierzu gehört nach Auffassung des Senats auch, bei auftretenden Konflikten zwischen Ehrenamtlichen und der Heimleitung bzw. der Betreiberin/dem Betreiber vor einer zivilrechtlichen Eskalation zunächst eine einvernehmliche Lösung, ggf. unter Beteiligung des LAGeSo bzw. LAF und der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens anzustreben und den formalen Rechtsweg allenfalls dann zu beschreiten, wenn alle niedrigschwelligen Ansätze einer Konfliktbereinigung zwischen den beteiligten Akteurinnen/Akteuren gescheitert sind. Hinsichtlich eines möglichen Konflikts zwischen der Tätigkeit in einer Gemeinschaftsunterkunft und der Nähe zu rassistischen und/oder flüchtlingsfeindlichen Parteien /Organisationen hat der Senat bereits in seiner Antwort vom 15.12.2014 auf Frage 12 der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/15046 vom 26.11.2014 Stellung genommen. Für Personen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, gelten im Grundsatz die gleichen Kriterien, so dass insoweit auf diese Antwort verwiesen werden kann. Bei in der Vergangenheit liegenden, auf eine derartige Gesinnung schließenden Tatbeständen bedarf es einer sorgfältigen Prüfung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls insbesondere dahingehend, ob sich die/der Betroffene zwischenzeitlich glaubwürdig von der ursprünglichen Einstellung distanziert hat und durch ihr/sein Gesamtverhalten und konkretes Tun überzeugend darlegen kann, nunmehr die Voraussetzungen für eine Arbeit mit Geflüchteten zu erfüllen. Einer vertieften Prüfung zu den die Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft (PeWoBe) betreffenden Fragestellungen bedarf es in der vorliegenden Angelegenheit indessen nicht mehr, da alle Betreiberverträge der PeWoBe fristlos sowie fristgemäß gekündigt wurden. Zu den Einzelheiten wird auf die im Internet unter der Adresse https://www.berlin.de/sen/gessoz/presse/pressemitteilunge n/2016/pressemitteilung.508596.php veröffentlichte Presseerklärung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vom 14.08.2016 verwiesen. Das LAF bemüht sich derzeit intensiv um eine Sicherung der Standorte und die Beauftragung neuer Betreiberinnen und Betreiber, um nachteilige Auswirkungen der beendeten Zusammenarbeit mit der bisherigen Betreiberin für die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Unterkünfte einen reibungslosen Betriebsübergang zu gewährleisten . Zuvor hatte das LAGeSo der PeWoBe bereits mit Schreiben vom 28.07.2016 mitgeteilt, dass der zum 31.03.2016 ausgelaufene Betreibervertrag für die in der Überschrift genannte Flüchtlingsunterkunft nicht verlängert wird. Berlin, den 27. August 2016 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Aug. 2016)