Drucksache 17 / 18 950 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 09. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. August 2016) und Antwort Ehrenamtliches Engagement - Menschen mit Behinderung außen vor? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage zielt auf vergleichbare Inhalte ab wie der auf Antrag der Piratenfraktion (Drs.17/2911) erteilte Berichtsauftrag (Drs. 17/3018) bis zum 31.08.2016, der nach dem Senatsbeschluss vom 17.08.2016 termingerecht vorverlegt wird. Sie wird daher mit Verweisen auf den parallel dem Abgeordnetenhaus zugehenden Bericht kursorisch beantwortet. 1. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat, um ehrenamtliches Engagement von Menschen mit Behinderungen in Berlin zu fördern und welche Mittel stehen für die Förderung des ehrenamtlichen Engagements von Menschen mit Behinderung zur Verfügung? 2. In welcher Form werden Menschen mit Behinderung an der Erarbeitung und Durchführung der Maßnahmen aus Frage 1 beteiligt? Zu 1. und 2.: Wie im Bericht „Barrierefreie Wege ins ehrenamtliche Engagement ebnen“ dargelegt, stellt das Infrastrukturprogramm Stadtteilzentren (IFP STZ) die gesamtstädtische infrastrukturelle Grundversorgung zur Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements für alle Bürgerinnen und Bürger (mit und ohne Handicap) sowie des sozialen Zusammenhalts im Land Berlin dar. An dessen Umsetzung sind Menschen mit Behinderung mittelbar beteiligt. 3. Inwieweit wurden „Transparente Informationsangebote “ und Angebote zur „Weiterbildung/Qualifizierung “, die im Rahmen der „Festlegung der Grundlagen und Arbeitsschwerpunkte 2014“ (Anlage 2 zum Beschlussprotokoll BuergEn 17/6) Erwähnung finden, barrierefrei gestaltet und fanden Menschen mit Behinderungen bei der Ausgestaltung vorgenannter Angebote explizit Berücksichtigung und in welcher Form? 4. Hält der Senat Informationsangebote zum ehrenamtlichen Engagement in leichter Sprache vor und wo sind diese zu finden? 11. Welche konkreten Erkenntnisse hinsichtlich der allgemeinen Zugänglichkeit zum ehrenamtlichen Engagement in Bezug auf barrierefreie Informationsgewinnung , barrierefreie Beratung und Vermittlung sowie barrierefreie Durchführung der ehrenamtlichen Tätigkeit erhofft sich der Senat durch die Beschlussempfehlung Dr. 17/3018 und wie sollen diese Erkenntnisse konkret in die barrierefreie Gestaltung des ehrenamtlichen Engagements einfließen? Zu 3., 4. und 11.: Wie im o. a. Bericht ausgeführt, müssen alle Veröffentlichungen der Senatsverwaltungen im Internet seit 2011 barrierefrei sein. Ein großer Teil der Informationsangebote des Senats zum Bürgerschaftlichen Engagement erfolgt über die Plattform „bürgeraktiv“, die dementsprechend auch barrierefrei gestaltet ist. Am 30. März 2016 wurde ein Relaunch-Prozess für die auf dem Stadtportal Berlin.de vertretenen Behörden und Einrichtungen der Berliner Verwaltung abgeschlossen. Durch den Relaunch wurden die erforderlichen Voraussetzungen zur Abbildung von Inhalten in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache geschaffen. Vor diesem Hintergrund werden die Internet- und Intranet-Auftritte der Berliner Verwaltung nach einheitlichen Standards um Inhalte in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache gemäß den Anforderungen der BITV 2.0 bereitgestellt . Handlungsbedarfe bestehen noch hinsichtlich der Erstellung von Printmedien in Leichter Sprache. Da sich das Abgeordnetenhaus noch mit dem o. a. Bericht befassen wird, werden seitens des Senats vorab keine Erkenntnisse konkretisiert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 950 2 5. Welche Maßnahmen trifft der Senat, um Freiwilligenzentren und -agenturen für das ehrenamtliche Engagement von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren und diese im Rahmen der barrierefreien Gestaltung ihres Beratungs- und Vermittlungsangebotes zu unterstützen und welche Mittel stehen dafür zur Verfügung? 6. Welche Maßnahmen trifft der Senat um Organisationen , die Einsatzstellen für ehrenamtliches Engagement bereithalten, für den ehrenamtlichen Einsatz von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren und welche Mittel stehen dafür zur Verfügung? Zu 5. und 6.: Wie im o. a. Bericht ausgeführt, war und ist die Mehrzahl der Einrichtungen für Nachbarschaftsarbeit und Bürgerschaftliches Engagement nicht barrierefrei zugänglich. Zurückzuführen ist dies auf die historische Entwicklung der Nachbarschaftsarbeit im Land Berlin. Da im Landesprogramm keine Mittel für bauliche Maßnahmen zur Verfügung stehen, wurde und wird demzufolge immer wieder nach alternativen Finanzierungsquellen Ausschau gehalten werden. Insgesamt wurden seit dem Jahr 2007 mehr als 3,5 Mio. Euro zur Verbesserung der Barrierefreiheit investiert (z. B. mit Mitteln des Konjunkturpakets II, des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), dem PS-Sparen der Sparkasse und dem Sonderfonds Parteivermögen Ost). Dadurch wurden insbesondere kleinere Baumaßnahmen wie z. B. Treppenlifte , Rampen und Aufzüge finanziert. Mit Unterstützung durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales konnte beim Verband für sozialkulturelle Arbeit in den vergangenen Jahren ein "Kompetenzzentrum zur inklusiven Öffnung der Nachbarschaftszentren " geschaffen werden. Mit Hilfe des EFRE- Projektes "ABBa- Analysieren, Beraten, Barrieren abbauen ", des Projektes des Europäischen Sozialfonds (ESF) "Inklusion konkret" und seit Dezember 2015 bis zum Dezember 2018 des Stiftung Mensch-Projektes: "Stadt inklusive! Kompetenzzentrum Inklusive Stadtteilarbeit des VskA e. V.“ entstanden Beratungs- und Begleitungsstellen mit kompetenten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern , welche Informationen und Hilfestellungen zur barrierefreien Gestaltung von Räumlichkeiten und baulichen Zugängen sowie Informations-, Beratungs- und Vermittlungsangeboten vermitteln. 7. Welche finanziellen und personellen Unterstützungsleistungen gibt es für Menschen mit Behinderung (beispielsweise im Rahmen der Eingliederungshilfe, der Pflegeversicherung etc.), die im Kontext der Ausübung von ehrenamtlichen Tätigkeiten Anspruch auf Maßnahmen der Begleitung, Anleitung und/oder Assistenz haben (bitte alle möglichen Leistungen aufführen)? 8. In welcher Form werden Menschen mit Behinderung über mögliche Ansprüche auf Begleitung, Anleitung und/oder Assistenz im Rahmen der Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit informiert? 9. Sind die entsprechenden Kostenträger über die möglichen Unterstützungsleistungen aus Frage 7 informiert ? 10. In wie vielen Fällen wurde zwischen 2010 und 2015 eine Begleitung im Rahmen der Ausübung eines ehrenamtlichen Engagements über die Eingliederungshilfe gewährt (bitte nach Jahren und Bezirk aufschlüsseln)? Zu 7.- 10.: Wie im o. a. Bericht ausgeführt, gibt es vier Rehabilitationsträger, die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbringen: • Träger der gesetzlichen Unfallversicherung • Träger der Kriegsopferfürsorge /Kriegsopferversorgung (KOF/KOV) • Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe und • Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Ansprüche auf Leistungen der Teilhabe nach §§ 53 ff SGB XII werden bei den Ämtern für Soziales – Bereich Eingliederungshilfe – geltend gemacht. Seit dem Jahr 2006 erfolgt die Leistungsgewährung dort auf der Basis eines Fallmanagementprozesses. Dieser verfolgt eine personenzentrierte, auf die individuellen Wünsche und Ziele der Leistungssuchenden ausgerichtete Gesamtplanung . Dazu gehört, dass im Rahmen eines Assessments und der sich daran anschließenden Ziel- und Leistungsplanung der Mensch mit Behinderung über die Möglichkeiten der Eingliederungshilfe von der Fallmanagerin bzw. dem Fallmanager beraten wird und gemeinsam mit ihm geeignete und auf ihn zugeschnittene Unterstützungsmaßnahmen herausgearbeitet und initiiert werden. Teil dieser Beratung ist auch die Abwägung der Form der Leistung als Sach- oder Geldleistung (Persönliches Budget nach § 17 SGB IX). Nach § 53 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ist Personen, die gemäß § 53 Absatz 1 Satz 1 SGB XII wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, Maßnahmen der Eingliederungshilfe zu gewähren, die insbesondere die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen. Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit gehört in besonderer Weise zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dies verdeutlicht § 11 Absatz 2 Satz 2 SGB XII; danach umfasst die aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auch ein gesellschaftliches Engagement (s.a. BSG, Urteil vom 23. 8. 2013 – B 8 SO 24/11 R). Ausdrücklich führt auch die aktuelle Rechtsprechung aus, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit gerade für behinderte Personen eine Möglichkeit ist, ihre Fähigkeiten sinnvoll und gewinnbringend einzusetzen. Maßnahmen der Eingliederungshilfe können hierbei individuelle, auf die Bedürfnisse des betroffenen Menschen mit Behinderung zugeschnittene Hilfsmittel oder Dienstleistungen sein, die als Sachleistungen oder in Form eines Persönlichen Budgets nach § 17 SGB IX erbracht werden können. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 950 3 In Frage kommen insbesondere Assistenzleistungen in Form von Begleitung im Rahmen der Einzelfallhilfe oder des trägergestützten Betreuten Einzelwohnens, Mobilitätshilfen (Beförderungsdienste) oder Hör- und/ oder Sprachunterstützende Hilfen (z.B. Gebärdensprachdolmetscher ) Menschen mit Behinderung, die sich als ehrenamtliche Helferin oder ehrenamtlichen Helfer in einem niedrigschwelligen Angebot (§ 45c SGB XI) engagieren, erhalten, genauso wie Menschen ohne Behinderung, eine Aufwandsentschädigung. Da die Leistungen nicht unter dem Aspekt der Unterstützung des Ehrenamtes gesondert erhoben werden und dem Senat deshalb keine Erkenntnisse vorliegen, kann hierzu derzeit keine weitergehende Aussage erfolgen. Der aktuelle Entwurf des Bundesteilhabegesetzes sieht zukünftig gesonderte Assistenzleistungen in Form eines Aufwendungsersatzes zur Förderung der Ausübung eines Ehrenamtes durch Menschen mit Behinderung vor. Berlin, den 27. August 2016 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Aug. 2016)