Drucksache 17 / 18 956 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 10. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. August 2016) und Antwort Die ambulante medizinische Versorgung in der Fläche. Des Senators neue Kleider – Czajas Märchenstunde II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass im Zeitraum vom Juli 2013 bis zum Juli 2015 der Versorgungsgrad mit Hausärzten in Marzahn-Hellersdorf von 109,8 auf 107,1 Prozent sank? 2. Trifft es zu, dass im gleichen Zeitraum in Lichtenberg der Versorgungsgrad mit Hausärzten von 97,4 auf 92,3 Prozent sank? 3. Trifft es zu, dass die Veränderung des Versorgungsgrads mit Hausärzten im gleichen Zeitraum in Neukölln gerade einmal 1 Prozent betrug und er damit von 99,1 auf 100,1 Prozent angestiegen ist? 4. Trifft es zu, dass der Versorgungsgrad im 2013 mit 95,9 Prozent am schlechtesten versorgten Bezirk Treptow -Köpenick im gleichen Zeitraum auf 93,1 Prozent weiter absank? 5. Trifft es zu, dass im gleichen Zeitraum im Wahlbezirk des Senators, in Marzahn-Hellersdorf, der Versorgungsgrad mit Psychotherapeuten auf beachtenswerte 47 Prozent »angestiegen« ist, während er Anfang 2013 bei 45,1 Prozent lag? 6. Trifft es ebenfalls zu, dass im gleichen Zeitraum der Versorgungsgrad mit Psychotherapeuten in Neukölln von 83,7 auf ganze 89,4 Prozent gestiegen ist? 7. Ist es richtig, dass dagegen die massive Überversorgung mit Psychotherapeuten in Charlottenburg- Wilmersdorf im gleichen Zeitraum weiterhin und auf unabsehbare Zeit Bestand hat und durch die behaupteten »steuernden« Maßnahmen des Senators lediglich von 558,3 auf nunmehr 525 Prozent gesenkt werden konnte? Zu 1. bis 7.: Durch steigende Bevölkerungszahlen sind im Betrachtungszeitraum 2013 bis 2015 die Versorgungsgrade in Berlin insgesamt leicht gesunken, z. B. für die Hausärztinnen und Hausärzte von 119,7 % auf 116,9 %, für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten von 194,7 % auf 192,6 %. Dies ist auch der Internetseite des Gemeinsamen Landesgremiums gemäß § 90a SGB V in Berlin als Anhang des Letter of Intent (LOI) zur Versorgungssteuerung vom Oktober 2013 bzw. als Fortschreibung gemäß Protokollnotiz zum LOI mit Stand 1.7.2015 zu entnehmen (http://www.berlin.de/sen/gesundheit/themen/ambulantev ersorgung/landesgremium/#Ambulante_Bedarfsplanung). Diese Veröffentlichung enthält auch die Zahlen Ihrer Fragen 1. bis 7. Diese Angaben allein spiegeln jedoch nicht die Verbesserung oder Verschlechterung der Versorgungssituation wider, da die in den letzten zwei Jahren stattgefundenen Arztsitzverlagerungen geholfen haben, in den Bezirken mit den geringsten Versorgungsgraden spürbare Verbesserungen zu erzielen. So konnte z. B. die Anzahl der Psychotherapeutensitze in Neukölln im genannten Zeitraum um 6,9 % gesteigert werden, die der Orthopädinnen und Orthopäden in Marzahn-Hellersdorf um 5,9 %. Zudem fanden aufgrund genauerer Betrachtung der tatsächlich geleisteten Versorgungsbeiträge Marktbereinigungen statt, die das Versorgungsgeschehen nicht beeinträchtigen , aber Arztsitze frei machen für frühere Entsperrungen und damit Neuzulassungen, mit denen in einigen Arztgruppen in naher Zukunft zu rechnen ist. Die mit den Partnern der Selbstverwaltung im Gemeinsamen Landesgremium getroffene Vereinbarung, dass künftig bei Neuund Nachbesetzungen eine Verlegung in einen der drei rechnerisch am geringsten versorgten Bezirke anzustreben ist, wird die Entwicklung hin zu einer gleichmäßigen wohnortnahen Verteilung weiter befördern. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 956 2 Die im Jahr 2003 getroffene Entscheidung, dass Berlin nur ein Planungsbezirk ist, hatte dazu geführt, dass sich immer mehr Ärztinnen und Ärzte in den zentralen und den sozial besser gestellten Regionen Berlins niedergelassen haben, vor allem in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo der Versorgungsgrad in fast allen Arztgruppen des LOI der höchste in ganz Berlin ist, oder in Steglitz-Zehlendorf mit einer sehr günstigen Sozialstruktur. Eine Versorgungssteuerung ist wegen der Sperrung aufgrund von Überversorgung nur durch Arztsitzverlagerungen innerhalb dieser einheitlichen Planungsregion möglich. Als räumliche Ebene wurde im LOI die Bezirksebene gewählt . Für sechs Arztgruppen der hausärztlichen und allgemeinen fachärztlichen Versorgung wurde zusätzlich eine sozialindikative Steuerungskomponente eingeführt, indem Bezirke mit ungünstiger Sozialstruktur entsprechend des höheren Versorgungsbedarfs einen Zuschlag bei den Verhältniszahlen erhalten, Bezirke mit günstiger Sozialstruktur dagegen einen Abschlag. Innerhalb von nunmehr knapp zwei Jahren Laufzeit konnte durch die bezirkliche Versorgungssteuerung mittels LOI die über ein Jahrzehnt andauernde bezirkliche Kumulation von Arztsitzen und insbesondere von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in einzelnen Bezirken , allen voran Charlottenburg-Wilmersdorf, nicht nur gestoppt, sondern der Trend sogar umgekehrt werden. Die Versorgungssteuerung im Rahmen des LOI ist eine behutsame , aber nachhaltige Umsteuerung in Richtung auf eine gleichmäßigere und damit bedarfsgerechtere Verteilung der Arztsitze in der Stadt. Durch die mit dem LOI eingeführte Versorgungssteuerung ist es uns gelungen 22,5 Arztsitze nach Neukölln, 17,25 Arztsitze nach Marzahn-Hellersdorf und 9,5 Arztsitze nach Treptow-Köpenick zu verlagern, um nur drei Bezirke zu nennen, die aufgrund der bisherigen Politik immer weniger Ärzte hatten. 8. Wie will der Senat belegen, dass der Fortzug von 18 Psychotherapeuten aus diesem Versorgungsbezirk nicht betriebswirtschaftlich zu begründen ist und eher mit der durch die Überversorgung mit Psychotherapeuten in diesem Bezirk schlechteren wirtschaftlichen Lage mancher Praxis zusammenhängt als mit der steuernden Einflussnahme des Gesundheitssenators und seines Landesgremiums ? Zu 8.: Durch die Anwendung des LOI konnte eine Trendwende weg von einer zunehmenden Konzentration von Arztpraxen und insbesondere psychotherapeutischen Praxen in einzelnen Stadtteilen hin zu einer gleichmäßigeren Verteilung auch in sozialstrukturell benachteiligte Bezirke und somit eine Steuerung in Richtung auf eine flächendeckend wohnortnahe und damit auch bedarfsgerechtere ärztliche und psychotherapeutische Versorgung bewirkt werden. Zu den Gründen für eine Praxissitzverlegung wurden die Antragstellerinnen und Antragsteller nicht befragt. Die Zulassungsgremien entscheiden nach Versorgungsaspekten und nicht nach wirtschaftlichen Interessen der Praxisinhaberin bzw. des Praxisinhabers. Berlin, den 25. August 2016 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Aug. 2016)