Drucksache 17 / 18 986 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 16. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. August 2016) und Antwort Rassismus bei der Polizei – nur ein US-Problem? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat die ARD-Sendung „Monitor“ vom 14.07.2016 mit dem Titel „Rassismus bei der Polizei – nur ein US-Problem?“ bekannt? Zu 1.: Dem Senat ist die Sendung bekannt. 2. Ist dem Senat die Kritik der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015, es gebe in Deutschland „rassistisch diskriminierende Handlungen von Beamten der Strafverfolgungsbehörden “, bekannt und wenn ja, wie steht der Senat zu dieser Kritik? Zu 2.: Dem Senat ist bekannt, dass der Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikens in der oben genannten ARD-Sendung „Monitor“ eine solche Kritik der Vereinten Nationen angeführt hat. Werden dem Polizeipräsidenten in Berlin strafrechtlich relevante, rassistisch diskriminierende Handlungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt, nimmt dieser gemäß seinem gesetzlichen Auftrag die Strafverfolgung auf. Auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegende rassistisch diskriminierende Handlungen werden nicht geduldet und mit allen in Betracht kommenden dienstrechtlichen, disziplinarrechtlichen und ggf. arbeitsrechtlichen Mitteln verfolgt und geahndet. 3. Wie steht der Senat zu der Äußerung von Alexander Bosch, Polizeiexperte bei Amnesty International: „Es sind keine bedauerlichen Einzelfälle, sondern wir sehen deutliche Anzeichen dafür, dass es in der Polizei einen strukturellen , also sogenannten institutionellen Rassismus gibt“? Zu 3.: Der Senat sieht bei der Polizei Berlin keine Anzeichen für einen strukturellen Rassismus. 4. Ist dem Senat der 5. Bericht der „Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI)“ des Europarates zu Deutschland (veröffentlicht am 25.2.2014) bekannt, in dem es u.a. heißt: „Weitere Informationen legen nahe, dass rassistische Gedanken und Sympathien für rechtsextreme Organisationen bei der Polizei weit verbreitet sind“? Zu 4.: Der Bericht ist dem Senat bekannt. Das o.g. Zitat befindet sich auf Seite 25 des Berichts und wird in der dortigen Fußnote 69 erläutert. Dabei werden unter anderem konkrete Sachverhalte aus Dessau und München angeführt. Darüber hinaus wird auf einen 2010 veröffentlichten Bericht von Amnesty International über Polizeigewalt hingewiesen. Hierzu ist zu sagen, dass Amnesty International in seinem o.g. Bericht auf Seite 60 f. unter der Überschrift „Menschenrechtsbildung für Polizeibeamte in Deutschland “ zu Berlin folgende Feststellungen getroffen hat: „In Berlin sind Kurse zum Thema Menschenrechte bei der Ausbildung von Polizisten unterer Dienstgrade explizit vorgeschrieben…In der deutschlandweit zentralisierten Ausbildung für den höheren Dienst in der Polizei werden Menschenrechte aus Sicht der Grundrechte des Grundgesetzes sowie aus der Sicht des Europäischen Rechts behandelt , und es wird auf die völkerrechtlichen Pflichten eingegangen. Darüber hinaus ist ein Modul zu internationalen und interkulturellen Herausforderungen in der Polizeiarbeit vorgesehen, welches Menschenrechtsthemen mit Fragen verbindet, die aus der Migration und der zunehmenden kulturellen Vielfalt erwachsen…Allerdings ist festzuhalten, dass alle elf Länder (Anmerkung: Darunter Berlin) auf die Bedeutung der Menschenrechtsproblematik für verschiedene Bereiche der Fortbildung, wie beispielsweise interkulturelle Verständigung, Umgang zu Rassismus, Vernehmungstechniken oder Bewertung der Verhältnismäßigkeit hingewiesen haben.“ Im Übrigen wird auf die Beantwortung zu Frage 7 verwiesen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 986 2 5. Welche eigenen Erkenntnisse liegen dem Senat über rassistische Einstellungen, Handlungen oder Unterstützung entsprechender Organisationen vor? Zu 5.: Hierzu wird für den Bereich des Polizeipräsidenten in Berlin auf die Beantwortung Ihrer Schriftlichen Anfrage vom 30. Mai 2016 über „Symbole der Grauen Wölfe bei der Berliner Polizei?“ (Drucksache 17/18629) und die Beantwortung folgender Schriftlicher Anfragen verwiesen: a) Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (GRÜNE) vom 24. November 2015 über „Rechte Vorfälle im öffentlichen Dienst“ (Drucksache 17/17447), b) Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 27. Oktober 2015 über „Einsätze eines rechtsextremen Polizisten im Zusammenhang mit Flüchtlingen?“ (Drucksache 17/17277) und vom 26. März 2015 über „Rassistische, rechtsextreme und ausländerfeindliche Einstellungsmuster bei der Berliner Polizei?“ (Drucksache 17/15913), c) Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 24. September 2015 über „Nazigrüße von E.H. – wie geht die Polizei mit rechten Parolen im eigenen Haus um?“ (Drucksache 17/17082) und d) Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ülker Radziwill (SPD) vom 23. März 2015 über „Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages“ (Drucksache 17/15891). 6. Wie viele Beschwerden hat es seit dem 01.01.2012 von Bürgerinnen und Bürgern gegen die Polizei wegen rassistischer Gewalt und wie viele Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung gegeben? In wie vielen Fällen wurde daraufhin ein Verfahren eingeleitet? Zu welchem Ergebnis führten die jeweiligen Verfahren? Zu 6.: Derartige Beschwerden werden beim Polizeipräsidenten in Berlin nicht statistisch erfasst. Im Übrigen wird auf die Beantwortung zu Frage 5 verwiesen. 7. Sieht der Senat eine Notwendigkeit – auch wenn die ganz überwiegende Zahl der Polizistinnen und Polizisten sich an Recht und Gesetz hält –, rassistische Verhaltensmuster aufzuspüren und gegenzusteuern und wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Die interkulturelle Kompetenz und Offenheit zu fördern, stellt einen permanenten Prozess dar. Dieser Prozess ist bei dem Polizeipräsidenten in Berlin fest implementiert und Bestandteil der Aus- und Fortbildung, der Netzwerkarbeit, der Prävention und des täglichen Dienstes . Als eine wichtige Maßnahme wurden im Jahr 2011 behördenweit zuständige Ansprechpersonen für interkulturelle Aufgaben bei der Zentralstelle für Prävention im Landeskriminalamt eingerichtet. Die Zuständigkeiten der Ansprechpersonen für interkulturelle Aufgaben liegen unter anderem darin, aktuelle und zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen mit Einfluss auf das polizeiliche Handeln und diesbezüglichen Bedarf an Aus- und Fortbildungsinhalten zu erkennen und neue Angebote zu generieren . Vorwürfen rassistischen Vorgehens von Polizeiangehörigen wird seitens des Polizeipräsidenten in Berlin konsequent nachgegangen. Besteht dabei der Verdacht einer Straftat, wird ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Konfliktfälle ohne strafrechtliche Relevanz werden von der Beschwerdestelle der Berliner Polizei bearbeitet. Im Übrigen wird auf die Beantwortung zu Frage 2 verwiesen. Diese Strukturen ermöglichen es, Vorurteilen und Fehlentwicklungen entgegenzuwirken sowie den Anforderungen und Bedürfnissen unterschiedlichster Gruppen der Berliner Bevölkerung im täglichen Dienst und Einsatzgeschehen gerecht zu werden. 8. Wären unabhängige Beschwerdestellen, die solchen Vorwürfen nachgehen, ein geeignetes Mittel, insbesondere vor dem Hintergrund, dass aktuell bei entsprechenden Anzeigen und Beschwerden die Polizei gegen sich selbst ermittelt? Zu 8.: Mit dem Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin existiert bereits eine unabhängige Beschwerdestelle . Bürgerinnen und Bürger können sich an den Ausschuss wenden; ihm stehen alle Mittel des Parlaments zur Aufklärung von Vorwürfen zur Verfügung. Außerdem ist polizeiliches Handeln in jeder Ausprägung der Kontrolle durch unabhängige Gerichte unterworfen. Das Zentrale Beschwerdemanagement beim Polizeipräsidenten in Berlin besteht bereits seit 2003 und ist seit 2009 bei der Internen Revision angesiedelt, die direkt dem Polizeipräsidenten untersteht. An die Zentrale Beschwerdestelle können sich sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Dienstkräfte der Polizei wenden. Das Beschwerdemanagement der Polizei hat sich aus Sicht des Senats bewährt. Bereits im Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2008 zur Analyse des Beschwerdemanagements durch die Freie Universität Berlin wurde festgestellt, dass das Beschwerdemanagement des Polizeipräsidenten in Berlin sehr gut aufgestellt ist. Die seinerzeit festgestellten Optimierungspotentiale wurden umgesetzt. Berlin, den 29. August 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Sep. 2016)