Drucksache 17 / 18 994 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Rainer-Michael Lehmann (SPD) vom 17. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. August 2016) und Antwort Vollzugsdefizit bei der Umsetzung des § 8 WTG - Umsetzung des Wohnteilhabegesetzes verbessern - Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Der Senat von Berlin sieht kein Vollzugsdefizit bei der Umsetzung des § 8 des Wohnteilhabegesetzes (WTG). Die gestellten Fragen werden im Einzelnen wie folgt beantwortet: 1. Das WTG ist seit 2010 in Kraft. Nach §8 (1) Satz 1 Teil 2 WTG müssen Leistungserbringer „im Abstand von bis zu 2 Jahren Befragungen über die Zufriedenheit mit der Leistungserbringung“ durchführen. Haben sich alle Leistungserbringer stationären Wohnens im Sinne des §2 WTG im Land Berlin bereits 2 bis 3 Mal evaluieren lassen ? Wenn nicht, wie viele Träger haben eine Evaluation /Zufriedenheitsbefragung durchgeführt? Zu 1.: Ob sämtliche Leistungserbringer stationären Wohnens (Einrichtungsträger) im Land Berlin seit 2010 bereits 2 bis 3 Mal Befragungen über die Zufriedenheit mit der Leistungserbringung durchgeführt haben, lässt sich wegen fehlender statistischer Erhebungen nicht ermitteln . Erst seit Einführung der WTG-Prüfrichtlinien und der Prüffragenkataloge zum 01.07.2012 wird die Durchführung des § 8 Abs. 1 WTG von der zuständigen Aufsichtsbehörde (Heimaufsicht) geprüft und erfasst. Da das den § 8 Abs. 1 WTG betreffende Prüfkapitel „Beschwerdemanagement / Vorschlagswesen/ Zufriedenheitsbefragung “ wegen des großen Umfangs der Prüffragenkataloge nur unregelmäßig in größeren Zeitabständen geprüft werden kann, kann erst im Nachhinein ermittelt werden, ob die Einrichtungsträger Zufriedenheitsbefragungen im vorgeschriebenen Turnus durchführten. Nach den Feststellungen der Heimaufsicht haben inzwischen alle Einrichtungsträger zumindest eine Zufriedenheitsbefragung durchgeführt. 2. Welche Maßnahmen werden von der Aufsichtsbehörde ergriffen, wenn ein Träger nicht bzw. wiederholt nicht bzw. nicht korrekt evaluiert hat/wurde? Zu 2.: Sofern bei einer Prüfung des entsprechenden Prüfkapitels festgestellt wurde, dass ein Einrichtungsträger eine Zufriedenheitsbefragung nicht durchführte, wurde dieser durch die Heimaufsicht umfassend beraten und aufgefordert, die Zufriedenheitsbefragung zeitnah durchzuführen und diese nachzuweisen. Im Falle der Missachtung einer Aufforderung könnte die Heimaufsicht auch Anordnungen nach den §§ 22 bis 25 WTG treffen. Dies war bislang nicht notwendig. 3. Nach welchen Qualitätskriterien definiert die Aufsichtsbehörde , ob eine Zufriedenheitsbefragung im Sinne der WTG §8 ausreicht oder nicht? 4. Wird von der Aufsichtsbehörde kontrolliert, ob eine Befragung nutzerorientiert durchgeführt (z.B. in Leichter Sprache) wurde, d.h. ob die Befragten die Fragen auch verstanden haben? Wie kontrolliert die Aufsichtsbehörde, dass die Bewohner*innen und Nutzer*innen durch den Leistungserbringer „über die Art der Erledigung und die Ergebnisse der Befragung informiert“ (WTG §8 (1) Satz 2) wurden? Zu 3. und 4.: Qualitätskriterien, ob eine Zufriedenheitsbefragung im Sinne des § 8 Abs. 1 WTG ausreicht oder nicht, sind nicht festgelegt. Eine inhaltliche Prüfung der Zufriedenheitsbefragungen durch die Heimaufsicht findet nicht statt. Die Heimaufsicht geht davon aus, dass Zufriedenheitsbefragungen von den Leistungserbringern zielorientiert und adressatengerecht durchgeführt und ausgewertet sowie in stationären Einrichtungen von den Bewohnerbeiräten bzw. Fürsprecherinnen und Fürsprechern nach § 9 WTG inhaltlich begleitet werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 994 2 Gleichwohl hat die Heimaufsicht zur Durchführung von Regelprüfungen in stationären Einrichtungen in dem § 8 Abs. 1 WTG betreffenden Prüfkapitel der Prüffragenkataloge Anforderungen für ihre Prüfung festgelegt. Danach prüft die Heimaufsicht, ob klare Regelungen zur Durchführung einer strukturierten Zufriedenheitsbefragung bestehen, ob Zufriedenheitsbefragungen regelmäßig durchgeführt und dokumentiert worden sind, die Ergebnisse auswertet und diese den Bewohnerinnen und Bewohnern bekannt gegeben worden sind. Ferner prüft die Heimaufsicht, ob die Ergebnisse bei der Gestaltung der pflegerischen/ betreuerischen Prozesse bzw. der Einrichtung Berücksichtigung gefunden haben. 5. Nach Satz 3 des WTG §8 können Zufriedenheitsbefragungen auch durch entsprechend geschulte Bewohner *innen und Nutzer*innen durchgeführt werden. Daher die fünfte Frage: Prüft die Aufsichtsbehörde die Qualifikation der Befrager*innen? Wird auch die Qualifikation der Befrager*innen geprüft, die nicht zugleich Bewohner *innen bzw. Nutzer*innen sind? Zu 5.: Nein. Die Heimaufsicht prüft diese Aspekte nicht. 6. Wird auch die Existenz eines Beschwerdemanagements und eines Vorschlagswesens bei jedem Leistungserbringer (WTG §8 (1) Satz 1 1.Teil) durch die Aufsichtsbehörde geprüft? Lässt sich die Aufsichtsbehörde auch einzelne Beschwerden und Vorschläge von den Bewohner*innen und Nutzer*innen vorlegen und prüft, ob diesen abgeholfen wurde? Zu 6.: Ja, Existenz und Handhabung eines Beschwerdemanagements und eines Vorschlagswesens werden von der Heimaufsicht geprüft. Das § 8 Abs. 1 WTG betreffende Prüfkapitel der Prüffragenkataloge sieht bei Regelprüfungen stationärer Einrichtungen entsprechende Fragen vor. Die Heimaufsicht wertet stichprobenweise Beschwerden und Vorschläge aus und überprüft deren Erledigung. 7. Gemäß §8 WTG (2) können sich Bewohner*innen und Nutzer*innen jederzeit mit Beschwerden an die Aufsichtsbehörde wenden. Wie viele Beschwerden sind seit Juni 2010 von Bewohner*innen und Nutzer*innen bei der Aufsichtsbehörde eingegangen? Wurden diese ausgewertet ? Wurden auch bereits Beschwerden von Menschen mit Lernschwierigkeiten eingereicht? Wie werden Beschwerden verfolgt? Werden auch die Beschwerdeführer*innen eingebunden und werden sie über die Ergebnisse informiert ? Zu 7.: Seit Juni 2010 gingen 111 Beschwerden von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Nutzerinnen und Nutzern betreuter gemeinschaftlicher Wohnformen (stationäre Einrichtungen und Wohngemeinschaften) bei der Heimaufsicht ein. Bei 1129 Beschwerden insgesamt entspricht das einem Anteil von 9,8 % an den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern. Von den 111 Beschwerden waren 25 berechtigt. Ob unter den Beschwerdeführern Menschen mit Lernschwierigkeiten sind, wird von der Heimaufsicht statistisch nicht erfasst. Alle Beschwerden werden von der Heimaufsicht auf ihre Berechtigung hin überprüft. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer erhalten von der Heimaufsicht eine Benachrichtigung über den Umgang mit der Beschwerde. In den meisten Fällen findet eine Begehung der betreuten gemeinschaftlichen Wohnform statt, bei der die Beschwerdepunkte überprüft und mit dem Leistungserbringer erörtert werden. Können die Beschwerdegründe nicht hinreichend geklärt werden, werden bei Bedarf die beschwerdeführenden Bewohnerinnen und Bewohner sowie Nutzerinnen und Nutzer aufgesucht und eingehend befragt. Mitunter werden bei stationären Einrichtungen auch die Bewohnerbeiräte bzw. die Fürsprecherinnen und Fürsprecher hinzugezogen. Stellt die Heimaufsicht Mängel fest, wird der Leistungserbringer umfassend beraten und aufgefordert, die Mängel umgehend zu beseitigen. Käme der Leistungserbringer der Beseitigung nicht nach, könnte die Heimaufsicht auch Anordnungen nach den §§ 22 bis 25 WTG erlassen. Über die Ergebnisse der Prüfung fertigt die Heimaufsicht einen Prüfbericht. Soweit das WTG es vorsieht, übersendet die Heimaufsicht dem Leistungserbringer ihren Prüfbericht und veröffentlicht ihn im Internet auf ihrer Internetseite. Bei stationären Einrichtungen erhalten auch der Bewohnerbeirat bzw. die Fürsprecherinnen und Fürsprecher den Prüfbericht. Der Prüfbericht kann von den Bewohnerinnen und Bewohnern in der Einrichtung eingesehen werden. Berlin, den 29. August 2016 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Sep. 2016)