Drucksache 17 / 19 002 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 17. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. August 2016) und Antwort Gemeinwohlorientierte Vorgaben bei Baurecht nach § 34 BauGB? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwieweit ist es rechtlich zulässig und möglich , in Gebieten mit Baurecht nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB mit dem Ziel abzuschließen, den Bedarf von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu decken (Abs.1 Satz 2 Punkt 2)? Antwort zu 1: In Gebieten mit Baurecht nach § 34 des Baugesetzbuchs (BauGB) sind städtebauliche Verträge, unabhängig von ihrem Inhalt rechtlich unzulässig, weil der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung besitzt, soweit die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der zitierten Vorschrift erfüllt sind. Dies ergibt sich aus dem sogenannten Koppelungsverbot. Das Koppelungsverbot besagt, dass durch einen verwaltungsrechtlichen Vertrag nichts miteinander verknüpft werden darf, was nicht ohnedies schon in einem inneren Zusammenhang steht, und dass hoheitliche Entscheidungen ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung nicht von wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden dürfen, es sei denn, erst die Gegenleistung würde ein der Entscheidung entgegenstehendes rechtliches Hindernis beseitigen. So bestimmt § 11 Absatz 2 Satz 2 BauGB, dass die Vereinbarung einer vom Vertragspartner der Gemeinde zu erbringenden Leistung unzulässig ist, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Frage 2: In wie vielen Fällen haben der Senat oder die Bezirke von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht? Antwort zu 2: Wegen der Unzulässigkeit derartiger Verträge werden diese weder vom Senat noch von den Bezirken abgeschlossen. Frage 3: Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit die Regelungen im städtebaulichen Vertrag angemessen im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind? Antwort zu 3: Angemessen ist eine Gegenleistung, wenn sie dem Übermaßverbot, und zwar dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, entspricht. Die vom Vertragspartner zu erbringende Gegenleistung muss in angemessenem Verhältnis zur Leistung der Behörde und zum Wert des Vorhabens stehen. Die Behördenleistung darf bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs nicht außer Verhältnis zu der von der/vom Bürgerin/Bürger erstrebten Leistung stehen. Maßgebend ist dabei nicht die subjektive Einschätzung der Vertragspartner, sondern eine nach den Gegebenheiten des Einzelfalls festzustellende objektive Ausgewogenheit. Frage 4: Unter welchen Voraussetzungen (etwa Ermessensentscheidungen der Behörde über Abweichungen und Überschreitungen) könnte der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags von einem Investor verlangt werden, weil ohne eine solche Vereinbarung kein Anspruch auf die Gegenleistung – die Baugenehmigung – besteht (Abs. 2 Satz 2)? Antwort zu 4: Im Gegensatz zu gebundenen Entscheidungen (siehe oben zu Frage 1) sind vertragliche Vereinbarungen im Rahmen von Ermessensentscheidungen grundsätzlich zulässig, weil die Behörde die begehrte Entscheidung auch versagen könnte. Voraussetzung ist allerdings, dass die vertraglichen Verpflichtungen nicht gegen das Koppelungsverbot verstoßen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 002 2 Frage 5: Könnte der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags unter der Voraussetzung, der Investor hätte ohne diesen keinen Anspruch auf die Baugenehmigung, an die Inanspruchnahme einer Förderung zur Errichtung mietpreis - und belegungsgebundener Wohnungen geknüpft werden, und wenn ja, welche rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen müssen hierfür vom Land geschaffen werden, wenn nein, welche Rechtsprechung untersagt dies (bitte Urteil oder Kommentar entsprechend angeben)? Antwort zu 5: Solange noch kein festgesetzter Bebauungsplan als Voraussetzung zur Ermöglichung des Bauvorhabens vorliegt, kann grundsätzlich die Aufstellung des Plans vom Abschluss eines Vertrags abhängig gemacht werden, wenn sonst keine Gewähr für die Verwirklichung des Bebauungsplans bestünde, weil die Kommune zur Tragung bestimmter Folgekosten ohne finanzielle Beteiligung des Investors nicht in der Lage ist (siehe Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung). In einem solchen städtebaulichen Vertrag kann, unter Berücksichtigung des Angemessenheitsgebots des § 11 Abs. 2 BauGB, eine Mietpreis- und Belegungsbindung gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB vereinbart werden. Eine Förderung muss auf Grundlage der jeweils geltenden Wohnungsbauförderungsbestimmungen separat beantragt werden. Sowohl in unbeplanten Gebieten nach den §§ 34 und 35 BauGB, als auch in Gebieten mit festgesetzten Bebauungsplänen nach § 30 BauGB kommt der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags mit dem beschriebenen Inhalt nicht in Betracht, weil der Vertrag nicht die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale als rechtliche Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung ersetzen kann (siehe Kommentar Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger BauGB § 11 Rn. 168-168b). Berlin, den 01. September 2016 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Sep. 2016)