Drucksache 17 / 19 006 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE) vom 19. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. August 2016) und Antwort PeWoBe-Mail-Affäre (I): Interne E-Mail-Korrespondenz mit menschenverachtendem Inhalt Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann genau hat die Sozialverwaltung Auszüge aus der internen E-Mail-Korrespondenz von leitenden PeWo- Be-Mitarbeiter*innen erhalten, in denen in menschenverachtender Weise über Geflüchtete kommuniziert wird? 2. Wann und durch wen hat die politische Leitung und wann hat Senator Czaja vom Inhalt dieser E-Mail- Korrespondenz erstmals erfahren? 3. Wann hat der Senat die Auszüge aus der internen E- Mail-Korrespondenz von leitenden PeWoBe-Mitarbeiter *innen dem Verfassungsschutz und der Staatsanwalt jeweils übergeben? 4. Wann genau hat der Senat die PeWoBe zu einer Stellungnahme bezüglich der internen E-Mail-Korrespondenz aufgefordert, in der in menschenverachtender Weise über Geflüchtete kommuniziert wird? 5. Wann fand das Gespräch mit der PeWoBe bezüglich des menschenverachtenden Inhalts der internen E- Mail-Korrespondenz statt? 6. Wann und wo haben Mitarbeiter*innen des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) die E-Mail- Korrespondenz in erweitertem Umfang eingesehen und warum haben sie daraus die Konsequenz gezogen, von der Absicht, hierauf eine außerordentliche Kündigung zu stützen, Abstand zu nehmen? 7. Wann genau soll die Boulevardzeitung „B.Z.“ Sozialsenator Czaja mit weiteren E-Mails von leitenden Pe- WoBe-Mitarbeiter*innen konfrontiert haben? 8. Welche Aussagen in dem E-Mail-Verkehr der leitenden PeWoBe-Mitarbeiter*innen, die die B.Z. veröffentlichte , lagen Sozialsenator zunächst nicht vor und waren ausschlaggebend für die Kündigung der Betreiberverträge mit der PeWoBe? Vorbemerkung: Als Folge der hohen Zuzugszahlen im Jahr 2015 sowie in den ersten Monaten des Jahres 2016 bestand – und besteht weiterhin - ein dringlicher Bedarf an Plätzen in Flüchtlingsunterkünften. Hinzu kommt die Absicht des Senats, die als Notunterkünfte genutzten Sporthallen schnellstmöglich wieder ihrem originären Zweck zuzuführen , was die Bereitstellung ausreichender Ersatzkapazitäten vorzugsweise in regulären Gemeinschaftsunterkünften erfordert. Bei der Entscheidung, ob bestehende Vertragsverhältnisse über Flüchtlingsunterkünfte vorzeitig aufzulösen sind, muss neben der Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen daher stets auch die Verantwortung berücksichtigt werden, für eine menschenwürdige und bedarfsgerechte Unterbringung aller in Berlin aufgenommenen Geflüchteten Sorge zu tragen und Obdachlosigkeit zu vermeiden, so dass auch die möglichen Folgen einer Vertragskündigung in die Entscheidungsfindung einzubeziehen sind. Dies gilt insbesondere bei einer außerordentlichen Kündigung mit sofortiger Wirkung im Hinblick auf die Gewährleistung einer angemessenen Anschlussversorgung der betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner mit einer sachgerechten Unterkunft. Vor diesem Hintergrund wäre es nach Auffassung des Senats nicht im Interesse der zu versorgenden Menschen gewesen, allein schon auf Grund von Mängeln, die im Rahmen der Qualitätssicherung durch Begehungen oder anderweitige Prüfungen festgestellt worden sind, Gemeinschaftsunterkünfte durch eine Vertragskündigung aufzugeben . Derartige Mängel wurden zudem in nahezu allen begangenen Einrichtungen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, festgestellt. Vielmehr bemühte sich das bis zum 30.07.2016 zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in jedem konkreten Fall zunächst darum, sich mit der Betreiberin bzw. dem Betreiber über die Beseitigung der festgestellten Mängel zu verständigen . Wie die entsprechenden Auswertungen belegen, waren diese Bemühungen vielfach erfolgreich. Auch bei nicht kurzfristig behobenen Mängeln musste und muss Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 006 2 geprüft werden, ob sich eine Vertragskündigung im Sinne einer angemessenen Zweck-Mittel-Reaktion als sachgerechte Reaktion darstellt oder die Zielsetzung eines vertragskonformen Betriebs der Einrichtung auf andere, weniger folgenschwere Weise sichergestellt werden kann. Zu 1. bis 8.: Der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales wurde Ende Juli 2016 ein Ausschnitt aus einer internen E-Mail-Kommunikation der Geschäftsführerin der PeWoBe (Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft mbH), einer weiteren leitenden Mitarbeiterin und einem von der PeWoBe beauftragten Architekturbüro durch eine anonyme Quelle zugespielt. Diese E-Mail- Kommunikation erweckte den Anschein, dass sich die Beschäftigten in menschenverachtender Art und Weise über die untergebrachten Personen geäußert haben. Das zuständige Landesamt hat die PeWoBe daraufhin am 29. Juli 2016 zu einer Stellungnahme aufgefordert. Parallel hierzu wurden die Unterlagen dem Verfassungsschutz und Anfang August auch der Staatsanwaltschaft zur Prüfung übergeben. Im Rahmen der Stellungnahme der PeWoBe fand am 04.08.2016 eine Einsichtnahme in der Anwaltskanzlei des Rechtsbeistandes der PeWoBe statt. Im Rahmen dieser Einsichtnahme wurden den Beschäftigten des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sowie der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales zusätzliche Ausschnitte aus der internen E-Mail-Kommunikation vorgelegt. Die Beschäftigten kamen nach Einsichtnahme in den weitergehenden E-Mail-Verlauf zu dem vorläufigen Ergebnis , dass die nun vorliegende Kommunikation eine außerordentliche Kündigung sämtlicher Betreiberverträge nicht rechtfertigen würde. Eine außerordentliche Kündigung wäre rechtlich nur möglich gewesen, wenn Tatsachen vorgelegen hätten, auf Grund derer dem LAF unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung der Dienstverhältnisse nicht zugemutet hätte werden können . Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Die in dem E-Mail-Verlauf verwendeten Wörter, welche den Anschein der menschenverachtenden Äußerungen gegenüber den untergebrachten Personen begründet hatten, bezogen sich nach den ergänzend vorgelegten Unterlagen nicht auf diese. Der Vergleich der E-Mail-Kommunikation machte deutlich, dass die anonyme Quelle nur einen von ihr gefilterten Ausschnitt an die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales übergeben hatte, während weitergehende Ausschnitte nicht übermittelt wurden. Nachdem der Senatsverwaltung Mitte August bisher unbekannte weitere Auszüge aus der E-Mail-Kommunikation durch Pressevertreter vorgelegt wurden, erfolgte eine nochmalige Prüfung der Sach- und Rechtslage, welche im Ergebnis zur außerordentlichen Kündigung der Betreiberverträge führte. Die Kommunikation zeigte nunmehr – gegenteilig zu den bis dahin bekannten Auszügen unter Berücksichtigung der anwaltlichen Ergänzungen – eine menschenverachtende Geisteshaltung gegenüber den Flüchtlingen, welche auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung der Dienstverhältnisse bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machten. Berlin, den 05. September 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Sep. 2016)