Drucksache 17 / 19 022 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 14. Juli 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. August 2016) und Antwort Übergriffe auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welcher Art von Angriffen waren die Mitarbeiter des Ordnungsamtes in den letzten 5 Jahren ausgesetzt? (Bitte nach Jahren aufgeschlüsselt und zur Differenzierung die üblichen Einstufungen, welche auch in der Kriminalstatistik aufgeführt sind, angeben) Zu 1.: Die Angriffe auf die Beschäftigten in den Ordnungsämtern sind in dem Zeitraum seit 2011 kontinuierlich angestiegen. Dabei waren nicht nur die uniformierten Außendienstkräfte, die mit der Kontrolle der Parkraumbewirtschaftungsgebiete und der Einhaltung der Normen zur Sicherheit und Ordnung betraut sind, von Angriffen betroffen. Auch die Beschäftigten der Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter (Veterinärinnen und Veterinäre , Lebensmittel- und Handelsklassenkontrolleurinnen und Lebensmittel- und Handelsklassenkontrolleure), die seit der 17. Wahlperiode ebenfalls zum Ordnungsamt gehören, wurden in Ausübung ihrer Aufgaben von Bürgerinnen und Bürgern angegriffen. Neben Beleidigungen gab es wiederholt Körperverletzungen, versuchte Körperverletzungen , Nötigungen, Bedrohungen und sogar gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr. Alle erfolgten Straftaten gegen Ordnungsamtsbeschäftigte wurden von den jeweiligen Ordnungsamtsleitungen angezeigt und von Amtswegen strafrechtlich verfolgt. In den bezirklichen Ordnungsämtern werden keine an den üblichen Einstufungen der Kriminalstatistik angelehnten Übersichten über die Angriffe auf die Beschäftigten geführt. 2. a) Wie viele Mitarbeiter waren in diesem Zeitraum wie lange arbeitsunfähig? (Bitte nach der Menge der ausgefallenen Arbeitsstunden pro Jahr aufschlüsseln) b) Wie viele Mitarbeiter sind in diesem Zeitraum durch Übergriffe dauerhaft arbeitsunfähig geworden? (Bitte auch Frühverrentung beachten) Zu 2.: Es werden von den bezirklichen Ordnungsämtern keine entsprechenden Statistiken geführt. 3. a) Was wurde getan, um den Schutz der Mitarbeiter getan und was ist geplant? b) Welchen Erfolg hatten die bisher ergriffenen Maßnahmen in den letzten 5 Jahren? Zu 3.: Die Dienstkräfte des Allgemeinen Ordnungsdienstes (AOD) werden im Außendienst grundsätzlich nur als Doppelstreifen eingesetzt, um sich gegenseitig zu sichern und ggf. in strittigen Fällen den Sachverhalt bezeugen zu können. Die in der Parkraumüberwachung eingesetzten Dienstkräfte (PRK) nehmen insbesondere in den Abendstunden ihren Kontrolldienst so wahr, dass sie sich mit jeweils einem anderen Beschäftigten in Ruf- und Sichtweite befinden, um in kritischen Situationen sich gegenseitig unterstützen und sichern zu können. Bereits während der Grundqualifizierung an der Verwaltungsakademie Berlin (VAk) vor Aufnahme des Außendienstes werden den Dienstkräften Strategien zur Deeskalation vermittelt und sie erhalten ein Eigensicherungstraining . Im Rahmen der jährlichen 5-tägigen Ergänzungsfortbildung , die jede Außendienstkraft an der Verwaltungsakademie Berlin (VAk) absolvieren kann, besteht das Kursangebot zur Teilnahme an entsprechenden Auffrischungskursen, Fortbildungen zu Deeskalationsstrategien und Konfliktgesprächen sowie weiteren Sicherheitsmaßnahmen. Die bezirklichen Ordnungsämter legen nach Analyse der bezirksspezifischen Anforderungen an die Aufgabenwahrnehmung in ihrem jeweiligen Bezirk die Sicherheitsmaßnahmen fest, mit denen ihre Beschäftigten am wirkungsvollsten vor Übergriffen geschützt werden können . In einzelnen Bezirken gibt es über diese allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen, die in allen Bezirken Standard sind, hinaus noch weitere zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 022 2 Senator Henkel hat 2013 mit der Initiierung der „Respekt ? Ja. Bitte“-Kampagne der Sicherheit der Beschäftigten von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsämtern eine große Bedeutung beigemessen, um die Ursachen für die verbalen oder körperlichen Übergriffe gegen die Beschäftigten nachhaltig zu bekämpfen. So trat er im März 2014 in einer presseöffentlichen Fishbowl-Veranstaltung mit Beschäftigten der Polizei, Feuerwehr und Ordnungsämter sowie mit Jugendlichen und einem ehemaligen Gewalttäter in einen Dialog über die von den Dienstkräften erlebten Übergriffe. Im November 2014 fand schließlich ein großes Experten- Hearing zu den Gewaltexzessen gegenüber den Beschäftigten von Polizei, Feuerwehr, Ordnungsämtern und Lehrkräften unter Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Gewerkschaftsvertreterinnen und Gewerkschaftsvertretern und Leitungskräften aus den vier Tätigkeitsfeldern statt. Aus diesen beiden Anhörungsrunden entwickelte die Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“ im Auftrag von Senator Henkel zwei Präventionsprojekte, die öffentlichkeitswirksam die Arbeit der Beschäftigten von Polizei , Feuerwehr und Ordnungsämtern würdigen soll und den Menschen in Uniform, der zum Wohle der Berliner Bevölkerung seinen Dienst verrichtet, in den Vordergrund stellt. In einem 2015 produzierten Aufklärungsfilm, der in einer Kurzversion seitdem auch in den Wartebereichen der öffentlichen Einrichtungen (z.B. auf den Wartemonitoren in den Bürgerämtern) gezeigt wird, schildern jeweils eine Dienstkraft von Polizei, Feuerwehr, Ordnungsamt wie sie die Übergriffe erlebt haben und wie sich das auf ihr Leben und ihre Arbeit nachhaltig auswirkt. Ein 2016 produzierter Radio-Spot ruft die Zuhörenden zum respektvollen Umgang mit den Beschäftigten von Polizei, Feuerwehr, Ordnungsämtern auf; nach Auswertung der Hörerzahlen haben die im Kampagnenzeitraum vom 1. bis 14. Juni 2016 auf KISS FM gesendeten 46 Radio-Spots insgesamt 2.727.000 Zuhörerinnen und Zuhörer erreicht und die im Kampagnenzeitraum vom 1. bis 21. Juni 2016 auf radio B2 gesendeten 105 Radio-Spots wurden von insgesamt 3.002.000 Menschen gehört. 4. Wie viele Stellen sind in den letzten 5 Jahren beim Ordnungsamt durch Krankheit etc. länger als 6 Wochen unbesetzt gewesen? (Bitte nach Jahren und Bezirken aufschlüsseln) Zu 4.: Eine Erkrankung – auch wenn sie länger als 6 Wochen dauert - ändert nichts an der Stellenbesetzung. Die Dienstkraft kann lediglich in dem Zeitraum ihrer Krankheit nicht mehr aktiv ihren Dienst ausüben. 5. a) Wie viele Mitarbeiter verlassen in den nächsten 5 Jahren den Dienst aus Altersgründen? (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln) b) Wie viele Mitarbeiter werden im gleichen Zeitraum eingestellt/ausgebildet? (Bitte nach Jahren und Bezirken aufschlüsseln bis 2021) Zu 5. a): Eine Prognose über die im Innen- und Außendienst der Ordnungsämter aus Altersgründen ausscheidenden Dienstkräfte liegt dem Senat nicht vor, da es sich hierbei um Beschäftigte der Bezirke handelt. Lediglich für den Allgemeinen Ordnungsdienst (AOD) liegt eine Übersicht über den prognostizierten Personalnachbesetzungsbedarf vor, bei dem allerdings nicht nur das altersbedingte sondern auch das gesundheitsbedingte Ausscheiden dieser Außendienstkräfte aufgrund von Erfahrungswerten einberechnet wurde. In den nächsten 5 Jahren (2017-2021) wird von einem fluktuationsbedingten Nachbesetzungsbedarf von insgesamt 45 AOD-Kräften ausgegangen. Zu 5. b): Um diese vakanten Stellen adäquat nachbesetzen zu können, sollen mit Beginn des Ausbildungsjahres 2017/18 jährlich 30 junge Menschen für den Allgemeinen Ordnungsdienst als Fachkräfte für Schutz und Sicherheit ausgebildet werden. Die Bezirke haben sich auf eine zentrale Ausbildungsorganisation im Bezirk Neukölln verständigt. Die Einstellung der ausgebildeten Fachkräfte für Schutz und Sicherheit im Allgemeinen Ordnungsdienst erfolgt nach der Ausbildung dann in den einzelnen Bezirken nach ihrem individuellen Bedarf im Rahmen ihrer Personalhoheit. Berlin, den 31. August 2016 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Sep. 2016)