Drucksache 17 / 19 041 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Daniel Buchholz und Ina Czyborra (SPD) vom 30. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. August 2016) und Antwort Forschungsreaktor Wannsee (V): Sicherheit im Katastrophenfall bis zur Abschaltung des BER II und Zukunft des Standorts Wannsee des Helmholtz-Zentrum Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Am Standort Wannsee des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) für Materialien und Energie (Lise-Meitner- Campus) soll die Neutronenquelle BER II bis Ende 2019 als Forschungsreaktor betrieben werden. In welchen Schritten soll der Rückbau erfolgen und wie ist dieser finanziell untersetzt? Zu 1.: An die bis Ende 2019 geplante Betriebsphase des BER II schließt sich bis 2022 die Nachbetriebsphase an, während welcher die letzten Brennelemente abklingen , bevor sie abtransportiert werden können. Ab 2023 ist die Stilllegungsphase mit den Rückbauarbeiten geplant. Aussagen zum genauen Planungs- und Durchführungshorizont der Rückbauarbeiten können erst im Rahmen des anstehenden Genehmigungsverfahrens getroffen werden. Die Beantragung dafür wird derzeit von der Betreiberin vorbereitet. Entsprechend der auf Basis eines jeweils aktualisierten Gutachtens veranschlagten Kosten bildet das HZB im Zuge seines Jahresabschlusses eine Rückstellung für die Stilllegung und Beseitigung der kerntechnischen Anlagen. Zuletzt (Jahresabschluss für 2015) betrug die Rückstellung 84,9 Mio. Euro. 2) Verbleiben einzelne Elemente wie der erst 2015 in Betrieb genommene Hochfeldmagnet nach 2019 am Standort Wannsee und wie sollen sie dann genutzt werden ? Zu 2.: Ein Nutzungskonzept für den Hochfeldmagnet wird derzeit von der Betreiberin erarbeitet. Es gilt, wie auch für alle anderen wissenschaftlichen Instrumente am BER II, dass Kooperationsverträge mit anderen Einrichtungen angestrebt werden mit dem Ziel, dass die Instrumente nach Betriebsende des BER II, wenn sinnvoll, extern weiter genutzt werden können. 3) Welche Auswirkungen hat das Abschalten des Forschungsreaktors auf die HZB-Beschäftigten am Standort? Kommt es deshalb zu Entlassungen? Zu 3.: Mit dem seit Bekanntgabe des Abschalttermins zur Verfügung gestellten Zeit- und Planungshorizont wird allen wissenschaftlichen und technischen Beschäftigten ermöglicht, in andere Forschungsthemen einzusteigen bzw. andere Aufgaben im HZB zu übernehmen. 4) Wie bewertet der Senat die HZB-Strategie 2020+ in Bezug auf die Weiterentwicklung des Lise-Meitner- Campus? Zu 4.: Der Senat begrüßt ausdrücklich die HZB- Strategie 2020+. Die Erarbeitung der HZB-Strategie 2020+ in einem gut zweijährigen Strategieprozess des HZB wurde vom Senat begleitet und setzte einen besonderen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung des Lise- Meitner-Campus in Wannsee nach Abschaltung des Forschungsreaktors . Mit der Strategie knüpft das HZB an seinen Erfahrungen als Anbieter von wissenschaftlichen Infrastrukturen wie BER II und BESSY II für externe Forschende an und baut diese weiter aus Dies soll zu einer neuen Qualität an Kooperationsprojekten führen, mit denen die Forschung an Energie-Materialien vorangetrieben werden kann. 5) Wie bewertet der Senat die Ergebnisse der Perspektivkommission , die die Entwicklung des HZB seit der Fusion des Hahn-Meitner-Instituts und der BESSY GmbH begutachtet hat? Zu 5.: Der Senat war in der Perspektivkommission (PK) vertreten und teilt die im Abschlussbericht der PK zusammengefasste Einschätzung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 041 2 6) Hält der Senat die Aktivitäten der Helmholtz- Gemeinschaft im Land Berlin für ausreichend? Welchen Bedarf sieht der Senat? Zu 6.: Die Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) ist ein wichtiger Partner bei der Förderung der Berliner Wissenschaftslandschaft . Berlin ist Sitzland für zwei HGF- Zentren - für das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) und das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC). Darüber hinaus befinden sich in Berlin einer der 16 Standorte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), je eine Außenstelle des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) sowie die Geschäftsstelle der HGF. Am HZB selbst werden gegenwärtig mehrere zusätzliche HGF-Projekte gefördert: das Projekt bERLinPro – eine Testanlage eines Linearbeschleunigers mit Energierückgewinnung – finanziert aus strategischen Investitionsmitteln der HGF (Förderung ca. 15 Mio. Euro) das Projekt HEMF – eine Labor-Plattform für die Entwicklung neuartiger Energie-Materialien, finanziert aus strategischen Investitionsmitteln der HGF (Förderung ca. 11 Mio. Euro) die Studie „Campus 2030“ zur nachhaltigen Campusentwicklung, finanziert aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der HGF (Förderung ca. 0,2 Mio. Euro) Der Senat des Landes Berlin unterstützt das HZB und die HGF bei ihren Bemühungen, in eine Fortführung und Weiterentwicklung der erfolgreichen Forschung am Teilchenbeschleuniger BESSY II zu investieren. 7) Welche Entwicklungsmöglichkeiten sieht der Senat für das HZB insgesamt und speziell den Standort Wannsee nach 2019 Zu 7.: Der Standort Wannsee erfüllt nach aktueller Einschätzung alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung zu einem modernen, nachhaltig angelegten Energieforschungscampus mit besonderer Fokussierung auf solare Brennstoffe und Materialforschung. Mit dem Forschungsschwerpunkt „Energie- Materialien mit Schwerpunkt auf Dünnschichttechnologien unter Einbindung der Photonenforschung“ schärft das HZB bereits konsequent ein Alleinstellungsmerkmal, das dem Zentrum an sich, insbesondere aber auch dem Standort Wannsee, eine ausgezeichnete Zukunftsperspektive bietet. Mit Unterstützung des Senats betreibt das Zentrum sehr engagiert die Ansiedlung von entsprechenden Neuinvestitionen in Wannsee (siehe auch Frage 4). Diese Weiterentwicklung verstärkt auch die schon jetzt enge inhaltliche Verknüpfung der beiden HZB-Standorte Adlershof und Wannsee. Darüber hinaus plant das HZB nach einer Analyse der Gebäude, der Infrastruktur und des Sanierungsbedarfs auf dem Campus Wannsee Strategien für dessen zukünftige städtebauliche und architektonische Entwicklung zu entwerfen . 8) Wie viele abgebrannte Brennelemente werden wie lange nach Abschalten des Forschungsreaktors noch auf dem Gelände gelagert? Wo werden diese radioaktiven Abfälle zwischen- bzw. endgelagert? Zu 8.: Diese Frage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist jedoch bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Betreiberin um eine Stellungnahme gebeten. Die Beantwortung zu Frage 8 beruht daher auf der von der Betreiberin übergebenen Stellungnahme. Danach werden maximal 81 Brennelemente ab 2020 noch vorhanden sein. Diese werden im Umsetzbecken des BER II bis zum Ende der Nachbetriebsphase abklingen. Danach werden die Brennelemente wie vertraglich vereinbart in das Zwischenlager Ahaus transportiert. 9) Konnte der Vertrag zur Entsorgung der abgebrannten Brennelemente in den USA über das Jahresende 2016 hinaus verlängert werden und wenn ja, bis wann? Zu 9.: Nein, der Vertrag lief im Mai 2016 aus. Für die danach bis zum Betriebsende (Ende 2019) anfallenden Brennelemente ist der Abtransport in das Zwischenlager Ahaus vertraglich vereinbart. 10) Wann wird nach Kenntnis des Senats der überarbeitete Katastrophenschutzplan für die Umgebung des Forschungsreaktors veröffentlicht, der laut Drucksache 17/17494 im „Laufe des ersten Quartals 2016 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“ sollte? Zu 10.: Der Katastrophenschutzplan für die Umgebung des Forschungsreaktors BER II des Helmholtz- Zentrums Berlin wurde am 05. August 2016 der Öffentlichkeit unter der Adresse https://didakat.de/cms/beitrag/10867412/7672198 im Internet zugänglich gemacht. 11) Welche Ausdehnung wird nach Kenntnis des Senats die Evakuierungszone um den BER II im Fall einer maximalen Freisetzung des radioaktiven Inventars im neuen Katastrophenschutzplan haben? Inwieweit werden neue Berechnungen des Öko-Instituts, wie sie in der Tageszeitung „taz“ am 7.8.2016 veröffentlicht wurden, berücksichtigt ? Zu 11.: Die Notfallschutzplanung wird kontinuierlich fortgeschrieben, um den jeweils aktuellen Gegebenheiten gerecht zu werden. Die bestehende Planung wurde in den vergangenen beiden Jahren sehr intensiv überprüft und es wurden auch Regelungen eingepflegt, die zur weiteren Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 041 3 Beschleunigung der Verfügbarkeit von Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz vereinbart worden waren. Auch die festgelegten Radien für die Vorplanung von Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz wurden auf Basis der Empfehlung der Strahlenschutzkommission „Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken “ vom Februar 2014 überprüft mit dem Ergebnis, dass keine Änderung erforderlich ist. Die in den Medien bekannt gewordenen abweichenden Einschätzungen des Ökoinstituts Darmstadt waren Gegenstand eines fachlichen Gesprächs unter Beteiligung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und wurden in diesem Gespräch relativiert. 12) Liegt dem Senat der in Drucksache 17/15653 für das zweite Quartal 2015 angekündigte Bericht zu den radiologischen Auswirkungen eines Katastrophenfalls für die Zentralstelle für radioaktive Abfälle (ZRA) auf Basis des Stresstests der Entsorgungskommission (ESK) inzwischen vor? Wenn ja, mit welchem Inhalt und wenn nein, warum nicht? Zu 12.: Ja, der ergänzende Bericht zur Stellungnahme „ESK-Stresstest für Anlagen und Einrichtungen der Verund Entsorgung in Deutschland, Teil 2“ liegt vor. Danach wurden in Analogie zur oben genannten ESK- Stellungnahme (2013) noch einmal Bewertungen zu potentiellen Auswirkungen nach den postulierten Schadensbildern (Ereignisse wie Flugzeugabsturz mit und ohne Folgebrand durch Treibstoff, Absturz eines Dachbinders als großflächige mechanische Einwirkung, Überflutung und Flutwelle) unter Berücksichtigung der konkreten anlagenspezifischen Gegebenheiten vorgenommen. Die Betrachtungen wurden zusätzlich ergänzt durch das Szenario Absturz eines Zivilflugzeuges auf die ZRA. Potentielle Aktivitätsfreisetzungen und -ausbreitungen wurden berechnet und mögliche Strahlenexpositionen für die Bevölkerung an Aufenthaltsorten außerhalb des HZB- Geländes ermittelt. Zusammenfassend kommen die Gutachter zu dem Ergebnis , dass die zugrunde gelegten Eingreifrichtwerte der Strahlenschutzkommission (SSK) für Maßnahmen des Katastrophenschutzes nach Aktivitätsfreisetzung, selbst unter konservativer Berücksichtigung des gesamten Aktivitätsinventars , nicht erreicht werden. 13) Erscheint der Standard der ZRA hinsichtlich Sicherung und Zugänglichkeit des Geländes dem Senat aus heutiger Sicht noch als ausreichend? Welche zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen würden die Sicherheit verbessern und gibt es für deren Umsetzung einen Zeitplan? Zu 13.: Aus heutiger Sicht sind die bestehenden Maßnahmen zur Sicherung des Geländes und zur Kontrolle des Zugangs zum Gelände ausreichend. Berlin, den 15. September 2016 In Vertretung Dr. Hans R e c k e r s ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Sep. 2016)