Drucksache 17 / 19 048 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander J. Herrmann (CDU) vom 31. August 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. September 2016) und Antwort Besonderer Wohnbedarf in Berlin gedeckt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Menschen haben seit 2011 einen Wohnberechtigungsschein mit anerkanntem besonderem Wohnbedarf beantragt (bitte um Aufstellung unterteilt nach den einzelnen Bezirken)? Antwort zu 1: Es wurden seit 2011 26.844 Anträge auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) mit besonderem Wohnbedarf beantragt. Bezirk Anzahl der Anträge seit 2011 Steglitz-Zehlendorf 1.238 Spandau 1.396 Treptow-Köpenick 1.466 Charlottenburg- Wilmersdorf 1.700 Pankow 1.801 Lichtenberg 1.916 Marzahn-Hellersdorf 2.201 Neukölln 2.374 Reinickendorf 2.440 Tempelhof-Schöneberg 2.984 Friedrichshain- Kreuzberg 3.599 Mitte 3.729 Berlin insgesamt 26.844 Quelle: Kataster der bezirklichen Wohnungsämter Frage 2: Wie viele Wohnungen stehen bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften seit 2011 zur Verfügung , um Menschen mit einem besonderen Wohnbedarf unterzubringen? Antwort zu 2: Gemäß dem Wohnraumversorgungsgesetz Berlin - WoVG Bln - sind die landeseigenen Wohnungsunternehmen (WBG) seit dem 1. Januar 2016 gesetzlich verpflichtet, jährlich 11 Prozent der freiwerdenden Wohnungen an besondere Bedarfsgruppen mit gültigem Wohnberechtigungsschein (WBS), wie z. B. an Obdachlose , Flüchtlinge und Personen im betreuten Wohnen, zu vergeben. Darüber hinaus sind die WBG im Rahmen des im Jahr 2012 in Kraft getretenen Bündnisses für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten (MB) vertraglich verpflichtet, 50 Prozent der zur Wiedervermietung anstehenden Berliner Mietwohnungen ihres Gesamtwohnungsbestandes innerhalb des S-Bahnrings und 33 Prozent außerhalb des S-Bahnrings an Haushalte zu vermieten, die die Berliner Einkommensgrenze zur Erlangung eines WBS einhalten. Personen mit anerkanntem besonderem Wohnbedarf wurden bzw. werden vordringlich mit Wohnraum versorgt. So wurde in den Jahren 2012 bis 2015* seitens der WBG 1.096 Wohnungen an Inhaber eines WBS mit besonderem Wohnbedarf vermietet: Jahr Anzahl der vermieteten Wohnungen an Inhaber eines WBS mit besonderem Wohnbedarf 2013 365 (einschließlich 2012) 2014 416 2015 315 Summe 1.096 *Für die Jahre 2011 und 2012 liegen keine Angaben vor, da das MB erst ab September 2012 galt und das Reporting die Jahre 2012 und 2013 zusammengefasst hatte. Darüber hinaus haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen im Rahmen des Geschützten Marktsegmentes (GMS) von 2011 bis 2015 5.172 Wohnungen an Personen , die wohnungslos oder von Obdachlosigkeit bedroht waren, vermietet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 048 2 Jahr Anzahl der vermieteten Wohnungen an marktsegmentberechtigte Personen 2011 1.025 2012 872 2013 968 2014 1.182 2015 1.125 Summe 5.172 Unter den aktuellen Bedingungen kann damit gerechnet werden, dass bei den WBG jährlich mindestens 1.500 Wohnungen an Menschen mit einem besonderen Wohnbedarf vermietet werden. Frage 3: Wie viele Menschen leben seit 2013 in den besonderen Wohnformen in Berlin (bitte um Einteilungen in: Heime, Wohngemeinschaften, Betreutes Einzelwohnen , Herbergen)? Antwort zu 3: Die Anzahl der Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen wird alle zwei Jahre durch das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erhoben. Die derzeit aktuellsten verfügbaren Daten stammen vom Dezember 2013. Am 15. Dezember 2013 befanden sich in Berlin 27.528 Personen in stationärer Langzeitpflege (Pflegeheime ) und weitere 295 Personen in Kurzzeitpflege. Ende Mai 2016 wiesen die der Heimaufsicht vorliegenden Meldungen gemäß § 14 Wohnteilhabegesetz (WTG) insgesamt 4.612 Plätze in 612 Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen aus. Ende 2015 wiesen die Meldungen insgesamt 4.445 Plätze in 594 Wohngemeinschaften aus, Ende 2014 insgesamt 4.259 Plätze in 594 Wohngemeinschaften und Ende 2013 insgesamt 3.994 Plätze in 533 Wohngemeinschaften. Gesicherte Daten zu den ambulant betreuten Pflege- Wohngemeinschaften liegen mit den Meldungen zum WTG allerdings nur begrenzt vor, da die Datenerfassung einmalig bei Aufnahme der Pflegetätigkeit durch den Pflegedienst erfolgt, die Daten nicht überprüft werden und sich mit Ein- und Auszügen die Spezialisierung verändern kann. Hintergrund ist, dass die Meldungen allein dazu dienen, der Heimaufsicht die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem WTG zu ermöglichen. Im Bereich der Leistungstypen nach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch (SGB) XII für Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung lebten im Jahr 2013 in folgenden Wohnformen: Betreutes Wohnen im Heim: WHGKE – 3.147 Menschen (Erwachsene) WHKJE – 262 Menschen (Kinder) Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung: WGLT1 – 135 Menschen (Leistungstyp I) WGLT2 – 1.046 Menschen (Leistungstyp II) WGLT3 – 294 Menschen (Leistungstyp III) Betreutes Einzelwohnen für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung: BEWER – 2.818 Menschen Datengrundlage sind die von den Trägern eingereichten Qualitätsberichte für das Jahr 2013 (Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII - Erfassung der standardisierten Jahresberichte des Berichtsjahres 2015 im Fachverfahren TOPqwWeb hier: Leistungstypen nach § 53/54 SGB XII für Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung, Stichtag 31.12.2013). Frage 4: Wie viele Wohnberechtigungsscheine mit dem besonderen Personenkreis „Rollstuhlfahrer“ sind in Berlin seit 2011 beantragt worden (bitte auch hier um Aufstellung nach Bezirken)? Bezirk Anzahl Anträge für „Rollstuhlfahrer“ Marzahn- Hellersdorf 85 Treptow-Köpenick 126 Lichtenberg 144 Steglitz-Zehlendorf 176 Reinickendorf 196 Pankow 197 Spandau 202 Charlottenburg- Wilmersdorf 204 Tempelhof- Schöneberg 218 Friedrichshain- Kreuzberg 219 Neukölln 288 Mitte 304 Berlin insgesamt 2.359 Frage 5: Wie viele rollstuhlgerechte Wohnungen stehen in Berlin seit 2011 zur Verfügung? Antwort zu 5: Dem Senat liegen hierzu keine detaillierten Informationen vor. Frage 6: Wie teuer ist der rollstuhlgerechte Umbau einer Wohnung für die Berliner Wohnungsbauunternehmen durchschnittlich? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 048 3 Antwort zu 6: Die Kosten für einen nachträglichen rollstuhlgerechten Umbau einer Wohnung hängen wesentlich von den bauphysikalischen Voraussetzungen (Baualter , Gebäudezustand) und der vorhandenen bautechnischen Konstruktion (Grundriss, Ausbaustandard) des anzupassenden Bauwerkes ab. So fallen ggf. nicht nur Kosten für die Verbreiterung von Türrahmen und die bodengleiche Absenkung von Schwellen und Sanitäreinrichtungen an, sondern müssen ggf. auch Maßnahmen berücksichtigt werden, die die Zuwegung über den Hauseingang und die Erreichbarkeit der Wohnung gewährleisten . Dies kann u.U. auch zur Anpassung von Installationssträngen für Medien der Ver- und Entsorgung führen. Die mögliche Vielfalt der zu berücksichtigen Kosten bei einem nachträglichen rollstuhlgerechten Umbau einer Wohnung gestatten daher keine pauschale Ausweisung von Durchschnittskosten. Frage 7: Sieht der Senat den Bedarf an Angeboten für den besonderen Wohnbedarf und rollstuhlgerechte Wohnungen gedeckt, bzw. plant diesen auszubauen? Antwort zu 7: Der Senat beabsichtigt, das Wohnungsangebot für den besonderen Wohnbedarf in Berlin bedarfsgerecht auszubauen und unterstützt dies unter anderem mit der Wohnungsneubauförderung und Programmen zur Anpassung bestehender Wohnungen durch die Investitionsbank Berlin (IBB). Auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften (WBG) stellen einen zunehmenden Bedarf an barrierefreien/-armen Wohnungen fest, weshalb diese von vornherein beim Wohnungsneubau integriert und Bestandswohnungen u. a. im Rahmen von Modernisierungs - und Sanierungsmaßnahmen dem Bedarf entsprechend umgebaut werden sollen. So strebt die Gesobau z. B. an, im Rahmen der Komplettmodernisierung im Märkischen Viertel rd. 1.000 Wohnungen entsprechend der Nachfrage und dem Bedarf umzubauen. Auch die Gewobag will bis 2030 10.000 Wohnungen barrierefrei in ihrem Bestand herrichten. Die anderen Unternehmen ermitteln die Bedarfe im Zusammenhang mit Vermietungsanfragen und der Entwicklung der Altersstruktur an den jeweiligen Standorten. Für den Anteil von barrierefreien Wohnungen im Rahmen von Neubauvorhaben sind die geltenden Regelungen der Landesbauordnung maßgeblich. Die noch anzuwendende Bauordnung für Berlin regelt in § 39 Absatz 4 Sätze 1 bis 3, dass neu zu errichtende Gebäude mit mehr als vier oberirdischen Geschossen ausreichend mit Aufzügen erschlossen sein müssen, von denen mindestens einer Kinderwagen, Rollstühle, Krankentragen und Lasten aufnehmen kann, Haltestellen in allen Geschossen haben und von der öffentlichen Verkehrsfläche aus stufenlos erreichbar sein muss. Weiterhin schreibt die Bauordnung in § 51 Absatz 1 Sätze 1 und 2 vor, dass in neu zu errichtenden Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses über den üblichen Hauptzugang barrierefrei erreichbar sein müssen. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische mit dem Rollstuhl zugänglich sein. Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin vom 17.06.2016 werden die Anforderungen ab 01.01.2017 weiterhin verschärft und die Anzahl der im Rahmen von Neubauvorhaben zu errichtenden barrierefrei nutzbaren Wohnungen auf ein Drittel, ab 2020 auf die Hälfte der Wohnungen wesentlich erhöht. Frage 8: Welche Zuschüsse können Personen, die einen besonderen Wohnbedarf bzw. eine rollstuhlgerechte Wohnung brauchen beantragen? Antwort zu 8: Im Rahmen der Pflegeversicherung können Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen von der Pflegekasse bezuschusst werden, „wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird“ (§ 40 Abs. 4 SGB XI). Voraussetzung für die Bezuschussung ist ein Anspruch auf Sach- oder Geldleistung nach §§ 36 / 37 oder § 123 SGB XI. Der Zuschuss wird einkommensunabhängig gewährt. Die Zuschusshöhe beträgt bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Leben mehrere Pflegebedürftige zusammen in einer gemeinsamen Wohnung, hat jeder Einzelne einen Anspruch auf bis zu 4.000 Euro. Pro Wohnung ist jedoch der Gesamtbetrag auf 16.000 Euro begrenzt und wird bei mehr als vier Anspruchsberechtigten anteilig auf ihre jeweiligen Versicherungsträger aufgeteilt . Neben der Pflegekasse können unter bestimmten Umständen Wohnungsanpassungsmaßnahmen auch von anderen Kostenträgern ganz oder teilweise finanziert werden , z. B. durch das Sozialamt, das Versorgungsamt, Träger der beruflichen Rehabilitation, Stiftungen, Vermieter . Darüber hinaus ist die Förderung von Umbaumaßnahmen durch Förderprogramme möglich. Die Investitionsbank Berlin hat u. a. auch Förderprogramme zur Förderung des altersgerechten Umbaus oder zur Wohnungsmodernisierung (siehe www.ibb.de oder www.kfw.de). Wenn Zuschüsse für die Wohnungsanpassung beantragt werden, gilt für alle Kostenträger, dass die Maßnahme im Vorfeld, d. h. bevor z. B. der Badumbau begonnen oder die Türschwelle entfernt wird, bewilligt sein muss. Bei den Maßnahmen, die einen Eingriff in die bauliche Substanz des Gebäudes darstellen, ist vor Baubeginn die Genehmigung des Vermieters einzuholen. Wichtig ist, vom Vermieter die Entbindung von der Rückbauverpflichtung zu erhalten. Dieser Zusatz ist notwendig, damit nach einem Auszug beispielsweise die alte Badewanne nicht wieder eingebaut werden muss. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 048 4 Darüber hinaus haben im Rahmen der Pflegeversicherung Pflegebedürftige auch Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind (§ 40 Abs. 1 SGB XI). Berlin, den 16. September 2016 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Sep. 2016)