Drucksache 17 / 19 077 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 09. September 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. September 2016) und Antwort Shopping-Center Schultheiss-Gelände in Moabit: Stadtverträglichkeit, Denkmalschutz und Planungskultur Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Vorgaben gibt es vor dem Hintergrund gesamtstädtischer Planungen (z.B. Stadtentwicklungsplan Zentren) von Senat und Bezirk Mitte zum Bauvorhaben Turmstraße / Stromstraße / Perleberger Straße / Lübecker Straße in Moabit, der ehem. Schultheiss- Brauerei, insbesondere zur Begrenzung von Einzelhandelsflächen und Pkw-Stellplätzen und zum Denkmalschutz ? Antwort zu 1: Zur Beurteilung der zulässigen Verkaufsfläche wird sowohl der Stadtentwicklungsplan Zentren 3 von 2011 als auch das bezirkliche Zentrumskonzept zur Stärkung und Steuerung von Einzelhandel, Dienstleistung und Gastronomie im Stadtteilzentrum Turmstraße von 2013 sowie der 2010 beschlossene Fachplan Einzelhandel Bezirk Mitte herangezogen. Der Stadtentwicklungsplan Zentren 3 enthält die Zielsetzung , die städtischen Zentren Berlins zu stärken. Das Schultheiss-Areal liegt innerhalb des Stadtteilzentrums Turmstraße, für das der Stadtentwicklungsplan Zentren 3 einen Handlungsbedarf in städtebaulicher Hinsicht wie auch bezüglich der ausbaufähigen Einzelhandelsausstattung definiert. Der Orientierungsrahmen bzw. der Zielkorridor liegt bei einer Verkaufsfläche von 10.000 m² – 50.000 m². Grundsätzlich sind neue großflächige Einzelhandelsvorhaben zentren- und stadtverträglich zu integrieren . Das bezirkliche Zentrumskonzept konkretisiert die Sanierungsziele unter Berücksichtigung des strategischen Ziels einer starken Konzentration von Verkaufsfläche am U-Bahnhof Turmstraße. Der Fachplan Einzelhandel enthält die Abgrenzung des Zentrumsbereichs. Frage 2: Welche Teile des Denkmalbereichs Schultheiss-Brauerei, eine der wenigen gut erhaltenen Großbrauerei-Komplexe in Berlin, müssen nicht erhalten werden und wie lautet hierzu die abwägende Entscheidung der Unteren Denkmalschutzbehörde bzw. des Landesdenkmalamtes ? Antwort zu 2: In Abstimmung mit den Denkmalbehörden wurden Haus A (östlich des Pförtnerhauses), die Fassade des Blauen Saals, Haus „B“ (südlich vom Blauen Saal), Haus „D“ (bis auf die Straßenfassade), die Schlosserei (bis auf die Ost- und Westfassaden) und die Halle „J“ (mit Ausnahme der Ostfassade) zum Abbruch freigegeben . Haus „E“, das ebenfalls abgebrochen werden sollte , konnte durch Umplanung des Parkhauses zu zwei Dritteln erhalten bleiben; lediglich das westliche Drittel wurde abgebrochen. Durch die Planung der Mall werden das Innere des Sudhauses und des Sudhaus- Nebengebäudes verändert. Die weiteren verbleibenden Bestandteile der Gesamtanlage werden denkmalgerecht saniert. Frage 3: Welche Gründe hat das Oberverwaltungsgericht im Dezember 2014 gegen die Wirksamkeit des neu aufgestellten Bebauungsplans vorgetragen? Antwort zu 3: Folgende Gründe führte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in den Urteilen vom 18. Dezember 2014 – OVG 2 A 15.12 und OVG 2 A 3.13 für die Unwirksamkeit des Bebauungsplans 1-43 VE auf: Es liege ein Abwägungsdefizit vor, denn der Plangeber habe die Vorgaben des Einzelhandelskonzeptes unzureichend in seine Abwägung einbezogen. Weitere Abwägungsfehler lägen vor, soweit der Plangeber die maximal zulässige Verkaufsfläche des Vorhabens auf die nach dem Stadtentwicklungsplan Zentren 3 für in Stadtteilzentren gelegene Einkaufszentren zulässige Obergrenze von 20.000 m² festgesetzt habe. Ferner liege ein Abwägungsfehler bei der Berücksichtigung der Belange des Denkmalschutzes vor. Abwägungsfehler lägen schließlich vor, soweit der Bebauungsplan an der östlichen Grenze des Plangebiets eine Bebauung unmittelbar auf der Grundstücksgrenze bzw. innerhalb der bauordnungsrechtlich Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 077 2 vorgeschriebenen Abstandsflächen zulasse. Die Auswirkungen der geplanten Abstandflächenunterschreitungen auf gesunde Wohn- und Arbeitsbedingungen hätte der Plangeber nicht hinreichend in den Blick genommen. Frage 4: Warum hat der Senat gegenüber dem Bezirk Mitte nicht darauf hingewirkt, den Bebauungsplan zu „heilen“ und warum hat der Bezirk Mitte dies unterlassen, wodurch erst die Situation eintrat, dass der vorherige Bebauungsplan weiterhin rechtskräftig ist? Antwort zu 4: Bei der Durchführung des Bebauungsplans 1-43 VE wurden keine dringenden Gesamtinteressen an Bebauungsplänen i.S.v. § 7 Abs. 1 Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch (AGBauGB) an Bebauungsplänen beeinträchtigt. Ebenso wenig ist, nachdem des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat, im dringenden Gesamtinteresse Berlins die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Die Voraussetzungen für einen Eingriff nach § 13 a Abs. 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) liegen demnach nicht vor. Die Aufstellung, Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen in dem in Rede stehenden Areal, obliegt weiterhin dem Bezirk Mitte . Der Umstand, dass der Baunutzungsplan von 1961 in Verbindung mit den förmlich festgesetzten Straßen- und Baufluchtlinien und den planungsrechtlichen Regelungen der Bauordnung 1958 von Berlin weiterhin gültig ist, trat als unmittelbare Rechtsfolge der Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2014 – OVG 2 A 15.12 und OVG 2 A 3.13 ein. Mit Schreiben vom 07. Juli 2016 teilte der Bezirk gemäß § 5 AGBauGB die Planungsabsicht mit, den vorhabenbezogenen Bebauungsplan 1-101 VE aufzustellen. Dieser soll den gleichen Geltungsbereich wie der für unwirksam erklärte Bebauungsplan 1-43 VE überplanen – auch unter Berücksichtigung der vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg geltend gemachten Abwägungsmängel . Frage 5: Inwieweit wird das zulässige Maß der Bebauung – auch durch nachträgliche Planänderungen – überschritten und wurde bzw. wird noch über Ausnahmen bei Abweichungen zu entscheiden sein? Antwort zu 5: Über Ausnahmen und Befreiungen im Sinne von § 31 Baugesetzbuch (BauGB) und Abweichungen im Sinne von § 68 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) entscheidet die bezirkliche Bauaufsicht in eigener Zuständigkeit im bauordnungsrechtlichen Verfahren. Ob oder inwieweit hiervon Gebrauch gemacht wurde oder gemacht werden wird, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Frage 6: Welchen aktuellen Sachstand gibt es zu einer Planänderung für den nördlichen Neubauteil an der Perleberger Straße, für eine zweite Tiefgarage und zusätzliche Stellplätze auf dem Dach des geplanten Supermarktes sowie für eine zusätzliche Wohn- oder Hotelbebauung? Antwort zu 6: Dem Senat liegen nur solche Kenntnisse vor, die der Bezirk im Rahmen der Mitteilung der Planungsabsicht gem. § 5 AGBauGB vom 07. Juli 2016 zur Aufstellung des Bebauungsplans 1-101 VE übermittelt hat. Demnach beabsichtigt der Vorhabenträger neben dem bereits genehmigten Vorhaben des Einkaufszentrums, eines Geschäftshauses und eines Hotels die Errichtung von ca. 130 Wohneinheiten. Der Bebauungsplan soll das bereits genehmigte Vorhaben planungsrechtlich sichern und zusätzlich die Errichtung der Wohnbebauung ermöglichen . Aus den Unterlagen zur Planungsabsicht geht zudem hervor, dass der Vorhabenträger beabsichtigt, den zusätzlichen Gebäudeteil aus bautechnischen und wirtschaftlichen Gründen im Zuge der laufenden Bauarbeiten für das Einkaufszentrum zu errichten. Da die Errichtung von Wohnungen nach dem derzeit geltenden Planungsrecht unzulässig ist, soll der für Wohnen vorgesehene Gebäudeteil bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans 1- 101 VE übergangsweise als Hotel (Beherbergungsbetrieb) genutzt werden. Um die Zulässigkeit der Hotelnutzung zu klären, beabsichtigt der Vorhabenträger einen Vorbescheid und nachfolgend eine Baugenehmigung zu beantragen . Frage 7: Warum gibt es zu den Planänderungen bisher keine ergänzenden Informationen und eine Öffentlichkeits - und Bürgerbeteiligung? Frage 8: Wann und wo gedenken Bauherr und Behörde über Planänderungen zu informieren? Antwort zu 7 und 8: Mit Schreiben vom 11. August 2016 hat die zuständige Senatsverwaltung dem Bezirk Mitte mitgeteilt, dass gegen die Aufstellung des Bebauungsplans 1-101 VE keine grundsätzlichen Bedenken bestehen. Es wird erwartet, dass das Bezirksamt einen entsprechenden Aufstellungsbeschluss fassen und diesen ortsüblich gemäß § 2 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AGBauGB im Amtsblatt bekannt geben wird. Im Übrigen hat das Bezirksamt im Bebauungsplanverfahren die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsschritte gemäß BauGB durchzuführen, die auch die Beteiligung der Öffentlichkeit gem. § 3 BauGB beinhalten. Zu welchem Zeitpunkt das Bezirksamt die Öffentlichkeit beteiligen wird, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Berlin, den 22. September 2016 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Sep. 2016)